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Zulassung von Riesen-LkwGigaliner könnten Bahnen verdrängen

Umweltschützer demonstrieren gegen die Zulassung von Riesen-Lkw in Deutschland. Denn das könnte zu mehr Güterverkehr auf den Straßen führen.

Umweltschützer fürchten noch mehr Verkehr. Foto: reuters

Berlin taz | Demonstrationen gibt es viele. Aber diese Demonstration, die heute Mittag vor dem Brandenburger Tor in Berlin stattfindet, ist selbst für die protesterfahrenen Hauptstädter durchaus ungewöhnlich: Eisenbahnfreunde, Umweltschützer und Autofahrer wenden sich gegen die Zulassung extralanger Lastwagen auf deutschen Straßen. Sie befürchten Einbußen bei der Verkehrssicherheit und eine Zunahme des Lkw-Verkehrs durch eine mögliche Zulassung dieser Fahrzeuge, die bis zu 25 Meter lang und 44 Tonnen schwer sein könnten. Herkömmliche Laster sind 18,75 Meter lang.

Dass der Einsatz längerer Lkw – in den Niederlanden und in Dänemark dürfen sie bereits 60 Tonnen schwer sein – zu mehr Lasterverkehr führen soll, mutet auf den ersten Blick widersprüchlich an. Schließlich kann ein solches Fahrzeug pro Fahrt mehr Last transportieren; für die gleiche Frachtmenge sind entsprechend weniger Lkw nötig. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Betrachtung aber, dass der Einsatz von extra langen Lastern den Lkw-Verkehr vergünstigt – und daher mehr Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert werden könnte.

Diesen indirekten Effekt haben nun die Berlin-Brandenburger Verkehrswissenschaftler Gernot Liedtke und Herbert Sonntag in einer Studie für die Bahnlobbyorganisation „Allianz pro Schiene“ berechnet. Ihr Ergebnis: „Der Nachfrageeffekt des Lang-Lkw zu Ungunsten des Schienengüterverkehrs ist sehr erheblich.“ Der Schienengüterverkehr werde vor allem im Einzelwagensegment zurückgehen und insgesamt um rund 7,6 Prozent sinken. Das entspreche einem Zuwachs von circa 1,73 Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr und damit circa 7.000 zusätzlichen Lkw-Fahrten pro Werktag, heißt es in der Studie. Betroffen wären vor allem Produkte wie Autoteile, Chemiefasern, Möbel und Holz.

„Die Hoffnung vieler Politiker, durch den Einsatz von längeren Lkw die Zahl der Lastwagen auf den Straßen zu vermindern, wird sich nicht erfüllen“, sagte Herbert Sonntag. „Die Behauptung, dass der Riesen-Lkw sogar ein Beitrag zum Umweltschutz im Güterverkehr sein könne, ist mit unseren Berechnungen widerlegt.“

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7 Kommentare

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  • Nachdem die Bahn nun schon mit Fernbussen in Konkurrenz zu sich selber getreten ist, wird sie dann bald auch in das Transportgeschäft mit den Riesen-LKW eintreten.

     

    Die Bahn wird immer unattraktiver zugunsten der Straße. Die Straßen hingegen werden nicht ausreichend gewartet und gehen immer schneller kaputt durch die Fernverkehrsbelastung.

     

    Berlin scheint fest im Griff der Auto-LKW-Lobby zu sein, nicht nur bei Abgasfragen.

  • Das Schlimme ist: Es gibt nicht die Spur eines Konzepts, wie der Güterverkehr in Deutschland (Zunahme auf der Straße zwischen 2010 und 2030 lt. BmVI um 39%) künftig bewältigt werden soll. Angesichts der Tatsache, dass der Verkehrsministerposten in der Regel an "Auch-Noch-Zu-Bedenkende" vergeben wird, nicht verwunderlich. Ebensowenig kann verwundern, dass das vom Daimler-Konzern massiv geforderte, von einem Ramsauer beflissen gestartete und von einem Dobrindt geförderte "Gigaliner"-Projekt wider alle Vernunft nicht aufzuhalten sein wird.

     

    Ich gebe zu: Das ist Resignation. Der Bracchialkapitalismus in der "Sch...-Auf-Die-Umwelt"-Ausprägung hat gewonnen.

  • Bei den Fernbussen haben alle "Hurra!" geschrieben, weil ´s endlich ´ne günstige Alternative zur Bahn gab. Von den Groß-LKWs hat man nix. Also ist man dagegegen.

  • Alles richtig. Aber jetzt wird argumentiert und gegenargumentiert und zerredet. Und am Schluß wird der Daimler-Konzern mit seinen ganzen Verbindungen in die Medien und die Politik - auch zu den angepaßten Grünen Rudelführern - wie gehabt wieder alles bekommen was er will.

  • Es gibt Beschlüsse der Länder, dass die Gigaliner nicht zugelassen werden dürfen. Der Bund macht aber einfach weiter und weitet einen "Modellversuch" immer weiter aus, bis daraus de facto eine Zulassung geworden ist.

    Daher ist der Protest sehr wichtig.

     

    Die Konkurrenz zur Bahn ist dabei nur ein Punkt. Wesentlich kritischer ist das deutlich höhere Unfallrisiko für Radfahrer_innen und Fußgänger_innen. Hier wird wegen einiger weniger Partikularinteressen die Verkehrssicherheit massiv verschlechtert. Als Reaktion wird Ramsauer dann die Helmpflicht für Radler_innen fordern.

  • Ja und nein. Die Probleme des Schienenverkehrs können nicht durch Verbote behoben werden.

     

    Zielführend wäre, wenn die Investitionen in Schienen wie jene in Straßen gesehen würden, die Trassengebühren analog zur Lkw-Maut nur für einen Teil der Gesamtkosten, z.B. den Unterhalt, bemessen wären und die Baukosten im übrigen als Investition in die Infrastruktur gesehen würden.... Ja dann...

  • Wat? Ich dachte, das war nur so ein Hirngespinst von Ramsauer und hätte sich erledigt? %&$§$"!!!