Giftige Vögel entdeckt: Gefährliche Schönheiten
Forschende haben auf Papua-Neuguinea Vogelarten entdeckt, die ein starkes Nervengift enthalten. Den Vögeln selbst macht es nichts aus.
Forschende von der Universität Kopenhagen identifizierten auf einer Expedition auf Papua-Neuguinea zwei Vogelarten, die giftig sind. Die Vögel enthalten dasselbe Nervengift wie der Pfeilgiftfrosch: Batrachotoxin. Sie lagern es hauptsächlich in Haut und Federn ein. Eine Berührung mit dem Federkleid löst Hautreizungen aus, ist aber nicht tödlich. Wie auch der Pfeilgiftfrosch produzieren die Vögel das Gift nicht selbst, sondern nehmen es über die Nahrung auf.
Das Forschungsteam begab sich auf gefährliches Terrain, um die Federn von 27 Vogelspezies auf ihre Toxizität zu prüfen. Papua-Neuguinea ist ein Hotspot für giftige Vögel: Bereits zehn toxische Vogelarten sind dort zu Hause. Der zu den Sperlingsvögeln gehörende Pitohui wurde 1990 durch einen Zufall als erster giftiger Vogel identifiziert. Bei den zwei neu entdeckten Giftvögeln handelt es sich um den Oliv-Bergdickkopf Pachycephala schlegelii und den Rotnackenpfeifer Aleadryas rufinuch.
Beide Arten kommen in Ozeanien häufig vor. Umso erstaunter waren die Forschenden über den Befund, dass die Vögel giftig sind. Ganz im Gegensatz zu den Einheimischen Papua-Neuguineas: Sie berichten, dass das Fleisch scharf und bitter schmecke, ungefähr so wie eine Chilischote. Der Verzehr des Fleisches ist in kleinen Mengen für Menschen nicht lebensbedrohlich.
Der Kontakt mit den Federn der Vögel löst Reizungen der Schleimhäute aus. Der dänische Wissenschaftler und Teilnehmer der Expedition Knud Jønsson beschreibt die Handhabung so: „Es fühlt sich irgendwie unangenehm an, und es ist nicht gerade verlockend, lange an einem [Vogel] zu hängen.“
Das Gift wird eingelagert
Die Vögel nehmen das Gift über ihre Nahrung auf und lagern es in Haut, Federn und Muskeln ein. Im Magen der Vögel wurden Käfer der Gattung Choresine gefunden. Von den Käfern ist bekannt, dass sie giftig sind. Die Anpassung an das Gift ermöglichte es den Vögeln, ihr Nahrungsspektrum zu erweitern.
Die Einlagerung des Nervengifts im Körper des Vogels erfolgt wohl unwillkürlich. Ein netter Nebeneffekt, der die Tiere vor Fressfeinden und Parasiten schützt, vermuten die Biolog:innen.
Der Name Batrachotoxin stammt vom griechischen Wort für Frosch – Batrachos. Seinen Namen erhielt das Nervengift, nachdem es in giftigen Fröschen in Südamerika entdeckt wurde. Menschen nutzten das Gift für die Jagd, in dem sie mit einer Pfeilspitze über die Haut des Frosches strichen.
Batrachotoxin ist eines der stärksten Nervengifte. Es wirkt, indem es die Natriumkanäle in den Skelettmuskeln dazu zwingt, sich in einer offenen Position zu verriegeln. Das führt, je nach Menge des Gifts, zu extremen Muskelkrämpfen, die zum Tod führen können.
Die Vögel selbst sind gegen das Gift immun. Die Forschenden entdeckten durch genetische Analysen Mutationen auf dem Gen SCN4A. Durch die Transkription dieses Gens werden die Natriumkanäle synthetisiert. Die Mutationen wandeln den Natriumkanal aber so ab, dass die Moleküle des Gifts nicht mehr andocken können.
Die Giftkonzentration des Rotnackenpfeifers und Oliv-Bergdickkopfs ist deutlich geringer als beim Pfeilgiftfrosch. Beide Tierarten entwickelten unabhängig voneinander ähnliche Eigenschaften gegen das Nervengift Batrachotoxin, obwohl sie stammesgeschichtlich nicht verwandt sind.
Durch die Erforschung der giftigen Vögel lernen die Forscher:innen, wie verschiedene Tierarten Resistenzen gegen Toxine erwerben. Wissen darüber, wie sich Tiere an Giftstoffe anpassen und wie diese Stoffe in den Zellen und Körpern der Tiere wirken, könnte dabei helfen, Vergiftungen auch bei Menschen zu behandeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!