Giftanschlag auf kremlkritische Zeitung: „Gefährlich für Leib und Leben“
Der Anschlag auf die Moskauer Zeitung hat Ähnlichkeiten mit jenen aus der Vergangenheit. Chefredakteur Muratow fordert eine schnelle Aufklärung.
Mitarbeiter von Innenministerium und Geheimdienst konnten vor Ort die Zusammensetzung der chemischen Substanz jedoch nicht sofort ermitteln. Angeblich bewegen sich die giftigen Werte unterhalb des Grenzbereichs. Bislang hat auch kein Mitarbeiter Schaden genommen. Chefredakteur Dmitri Muratow forderte alle staatlichen Stellen der Hauptstadt auf, zusammen mit der Zeitung die Hintermänner des Anschlags zu ermitteln.
Die Mitarbeiter wurden aus Sicherheitsgründen am Montag nach Hause geschickt. Eine erste Spur wurde auf einem Video vor dem Redaktionsgebäude bereits entdeckt. Ein Fahrradkurier schob vor der Redaktion sein Fahrrad ganz langsam vorbei, hielt kurzzeitig inne, während mehrere Wolken eines Gemischs aus dem Bereich des Hinterrads austraten.
Danach verschwand der in eine gelbe Regenhaut gekleidete Kurier aus dem Bild. „Sind die Sicherheitsdienste und IT-Experten mit Zehntausenden Kameras in der Lage, den potenziellen Terroristen zu fassen?“, fragt das Blatt auf seiner Website skeptisch.
Ähnlichkeiten mit Anschlag auf Journalistin Julia Latynina
Das oppositionelle Blatt, zu dessen Eigentümern auch der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow gehört, war schon häufiger Ziel von Angriffen. 2006 wurde die bekannte Journalistin Anna Politkowskaja von tschetschenischen Mördern in ihrem Hausflur erschossen. Auch andere investigative Journalisten bezahlten mit dem Leben.
2018 stand ein Korb mit abgetrenntem Hammelkopf vor der Tür. „Mit besten Grüßen an den Chefredakteur“, so das Begleitschreiben. Es ging um einen der Stellvertreter Muratows, der Jewgeni Prigoschin, einem Vertrauten des Kreml, unangenehm aufgefallen war. Prigoschin ist auch Finanzier der Söldnergruppe Wagner, gegen deren Mitarbeiter die russische NGO „Memorial“ wegen des Mordes an einem gefangenen Syrer gerade klagt. Die Nowaja hatte sich soeben des Themas angenommen.
Mitarbeiter der Zeitung wollen Ähnlichkeiten mit dem Anschlag auf die Nowaja-Journalistin Julia Latynina 2017 auf ihrer Datscha vor den Toren Moskaus entdeckt haben, die daraufhin für einige Monate das Land verließ. Der Gestank soll ähnlich sein. Der Stoff wurde von einem unabhängigen Labor als „hochgradig gefährlich für Leib und Leben“ bewertet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut