Giffey will Berlins Bürgermeisteramt: Für Job mit Weltgeltung bereit
Die Sehnsucht nach Normalität ist groß: Franziska Giffey könnte den urbanen Grünen den Bürgermeisterjob streitig machen.
I n Berlin könnte die Sozialdemokratin Franziska Giffey die nächste Regierende Bürgermeisterin werden. Bei dem Job handelt es sich um eine Aufgabe, so schön und so groß, wie es der Bürgermeisterposten von, sagen wir, New York City ist: sozial-, kultur und identitätspolitisch hochspannend. Eine Aufgabe mit Weltgeltung.
Voraussetzung ist natürlich, dass ihn eine Persönlichkeit ausfüllt, die eine Verheißung für die Bürgerschaft sein kann und trotzdem sagt, wo es hakt und wie es für diese flirrende, großmäulige, hässlich-schöne Stadt Berlin vorangehen kann. Der bisherige Regierende Michael Müller ist es schon mal nicht; er ist aus Parteiräson in sein Amt gekommen. Und ja, Müller hat sich bemüht. Aber seine reizarme Art zu regieren hat – anders als bei seinem Vorgänger Klaus Wowereit – nie zu echter Reibung geführt.
Die 41 Jahre alte Franziska Giffey steht auch nicht gerade unter Coolness-Verdacht. Aber mit ihrer brandenburgischen Herkunft inklusive selbstbewusst dargestellter Provinzialität, mit ihrer sozialen Aufsteigerinnenbiografie bei gleichzeitiger Beherztheit und klarer Sprache verbindet sie ideal die Widersprüche dieser Weltstadt. Dass sie mit ihrer Art, ihre Projekte in politische Wohlfühllyrik wie „Gute-Kita-Gesetz“ zu hüllen, Abwehrreflexe erzeugt, könnte ihr sogar nützen: Gefühle, auch negative, sind eine mittlerweile knappe Ware im politischen Tagesgeschäft.
Nun könnte man sagen, es handele sich beim Roten Rathaus letztlich auch nur um einen Verwaltungsjob in einer maroden Stadt mit rauen Sitten. Aber wer so denkt, hat nicht verstanden, wie viel der Aufstieg der Franziska Giffey über dieses Land erzählt. Dass eine Sozialdemokratin wie diese Frau aus dem Osten den urbanen und bestens vernetzten Grünen tatsächlich den Bürgermeisterjob streitig machen könnte, zeigt doch nur, wie tief verwurzelt die Sehnsucht nach Normalität ist. Franziska Giffey wirkt nicht nur normal. Sie ist ganz offensichtlich auch kommunikativ und selbstbewusst. Die Berliner SPD sollte diese Frau dringend stärken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste