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Gewerkschaften im KapitalismusDie Ego-Lokomotive

Gewerkschaften retten den Kapitalismus. Damit das funktioniert, dürfen sich die Lokführer aber auf keinen Fall durchsetzen.

Die Gewerkschaften sind die Lokomotiven des Kapitalismus. Bild: imago/anka agency international

Die Gewerkschaften werden nicht genug gewürdigt, schon gar nicht von den Kapitalisten. Denn ohne die Arbeitskämpfe wäre der Kapitalismus längst zusammengebrochen – und Karl Marx hätte recht behalten.

Marx hat sein „Kapital“ 1867 veröffentlicht und beschrieb einen Kapitalismus, der die Arbeiter so grausam ausbeutete, dass die Lebenserwartung in Industriestädten wie Liverpool bei durchschnittlich 17 Jahren lag.

Die Arbeiter verdienten gerade genug, um zu überleben – und konnten sich kaum mehr als Brot und Kartoffeln leisten. Der Kapitalismus steuerte daher auf ein Problem zu, das Marx phänomenologisch richtig beschrieben hat, obwohl seine eigentliche Mehrwerttheorie falsch war: Der Kapitalismus ist zum Untergang verdammt, wenn es keine Käufer gibt, die die ständig steigende Warenmenge abnehmen können.

Diese Falle schnappte nur deswegen nicht zu, weil die Gewerkschaften ab etwa 1870 europaweit dafür sorgten, dass die Reallöhne stiegen. Die Beschäftigten konnten nun für jene permanente Nachfrage sorgen, die der Kapitalismus benötigt, damit sich technische Erfindungen lohnen und Wachstum entsteht. Ohne die Gewerkschaften wären Autos oder Flugzeuge nicht mehr erfunden worden, weil der Kapitalismus schon vorher verschwunden wäre. Europa hätte nur die Eisenbahn gekannt.

Arroganz der Macht

Man könnte die Gewerkschaften also als die Lokomotive des Kapitalismus bezeichnen – aber daraus folgt noch lange nicht, dass die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) ein besonderes Streikrecht genießen sollte. Es ist kontraproduktiv, wenn kleine Einzelgruppen ganze Firmen lahmlegen können, nur weil sie an den Schaltstellen sitzen. Diese Arroganz der Macht ist nicht nur bei Lokführern zu finden, sondern auch bei Krankenhausärzten, Piloten, Betriebsfeuerwehren oder Fluglotsen.

Diese Kleingruppen argumentieren gern, es fördere den „Wettbewerb“, wenn mehrere Gewerkschaften in einer Firma unterwegs seien. Die elitären Kleingewerkschaften gerieren sich, als seien sie die Inkarnation der Konkurrenz.

Dies ist ein glatter Irrtum. Die Institution Gewerkschaft hat mit Wettbewerb nichts zu tun – sondern ist ein Kartell. Die Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmern wird systematisch ausgeschaltet, indem nicht jeder Einzelne sein eigenes Gehalt verhandeln darf, sondern für alle ein Tariflohn gilt. Dahinter steht die Erkenntnis, dass jeder für sich allein vom Arbeitgeber ausgetrickst und erpresst werden könnte, weswegen man sich eben zusammenschließen muss.

Schlicht unsolidarisch

Gegen dieses Kartell haben die Kleingewerkschaften auch nichts – aber sie wollen ihr eigenes Kartell sein, das sich nur um die Sonderinteressen ihrer Mitglieder kümmert. Dies ist aber kein „Wettbewerb“, sondern schlicht unsolidarisch.

Alle Beschäftigten sind wichtig in einem Betrieb, sonst wären sie nicht angestellt. Aber nicht jeder hat die gleiche Streikmacht. Wenn die Lokführer in den Ausstand treten, fallen sofort fast alle Züge aus. Streikt hingegen der Reparaturbetrieb der Bahn, ist für die Passagiere lange nichts zu merken.

Wenn sich die Gruppen mit der größten Streikmacht absondern, werden sie für sich selbst zwar ein deutlich höheres Gehalt erkämpfen – aber nur zulasten ihrer Kollegen, die weniger Durchschlagskraft haben.

Es ist nachvollziehbar, dass die anderen Gewerkschaftsführer von GDL-Chef Claus Weselsky nicht begeistert sind. Sie bezeichnen ihn als „Egoisten“ – und haben damit recht.

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29 Kommentare

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  • Bei allem Widerspruch: Das musste mal gesagt werden! Gerade in einer linken Zeitung, die der GDL viel Sympathie entgegenbringt. Es ist ja nicht alles falsch, was U.Herrmann schreibt!

    In einer Situation voll objektiver Widersprüche kann man nicht immer alles von allen Seiten beleuchten. Von der jeweils anderen Seite kriegt man dann den Shitstorm. So auch jetzt.

    Noch ein paar Argumente:

    Einerseits: Die GdL forderte vor wenigen Jahren massive Gehaltserhöhungen, völlig gerechtfertigt und ganz im Sinne einer Stärkung der Kaufkraft als Lokomotive der Konjunktur. Gut so!

    Andererseits: Die GdL ist Mitglied im Beamtenbund, einer per definitionem berufsständischen Organisation, die in anderen Bereichen wie z.B. den Berliner Schulen einen Streik der angestellten Lehrkräfte ablehnt.

    Man könnte ein Buch über diesen Zwiespalt schreiben. Ver.di wurde durch Vereinigung der ÖTV u.A. mit der berufsständischen DAG (Dt. Angestellten-Gewerkschaft) gegründet und spricht sich heute gegen das zz. auch vom DGB befürwortete Gesetz zur Tarifeinheit aus. Gut so. Aber einst hatte die ÖTV Berlin viel zur Spaltung der Ärzte in Marburger Bund und ÖTV beigetragen; bei den Eisenbahnern verhält es sich wohl ähnlich. Das ist wieder die andere Seite.

    Ich hör mal lieber auf an dieser Stelle.

     

    Aber was an der Mehrwerttheorie falsch war, würde ich mir gerne mal ausführlich erläutern lassen, Frau Herrmann. Bitte schreiben Sie ein neues Buch.

  • Überigens waren die Auswanderungsströme aus Europa auch eine wesentliche Bedingung der Möglichkeit sich entwickelnder Wohlstandszonen. Was Marx betrifft, bewegen sich die großspurigen Behauptungen der Autorin leider auf dem üblichen Nivau der Legionen Marxwiderleger, bei denen nach den nach wenigen Sätzen klar wird, dass sie ihn nicht gelesen haben. Marx hat keineswegs lediglich die Phänomene des frühkapitalistischen Elends beschrieben. Sein Thema war vielmehr die Anatomie der kapitalistischen Arbeitsteilung und die daraus abzuleitenden Tendenzen und Bewegungsgesetzmäßigkeiten. Was an seiner "Mehrwerttheorie" falsch sein soll, bleibt bislang Ulrike Herrmanns Geheimnis. Wäre das nicht ein schönes Thema für ein nächstes Buch. Ich kann dazu nur ermutigen.

  • Hier reitet Ulrike Herrmann, deren kluge Kommentare und Bücher ich sonst über alle Masse sehr schätze, wohl ein falsches Pferd. Auch Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten hat sich in dieses trojanische Pferd locken lassen. Man mag den den GDL-Anführer ja wenig sympathisch finden, seine "Kampfstrategie" ist aber die richtige, denn nur die Berufgruppen mit Durchschlagskraft sind in der Lage, dass die EU-Wirtschaftsstrukturkrise verursachende deutsche Lohndumping zumindest partiell zu bekämpfen, zugleich schaffen die Spartengewerkschaften den leider notwendigen Lohnerhöhungsspielraum für die versagenden DGB-Gewerkschaften bei den weniger störmächtigen Berufsgruppen. Wer hat sich denn als unfähig erwiesen, Hartz IV zu verhindern, einen schon seit Jahren überfälligen angemessenen Mindestlohn durchzusetzen, die gigantische Schere bei der Einkommensentwicklung zwischen Arbeitnehmern und Kapitalbesitzern zurückzubiegen usw. usw. In der ganzen Zeit der Demontage des Sozialen, Demokratischen Rechtstaates in der BRD haben die DGB-Gewerkschaften auf der ganzen Linie versagt, und eben nicht die SPD daran gehindert, ihre Wähler zu verraten. Insofern sollten alle, die der gesellschaftszerstörenden neoliberalen Politik entgegen wirken wollen, sich glücklich schätzen, dass diese kleinen Spartengewerkschaften den Mut aufbringen, dem neoliberalen Mainstream des Lohndumpings entschlossen entgegenzutreten.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    " Der Kapitalismus steuerte daher auf ein Problem zu, das Marx phänomenologisch richtig beschrieben hat, ..."

     

    Mit den Gewerkschaften ist es wie mit der staatlich- und kirchlich-organisierten Bildung, was auch kein Phänomen oder Wunder ist, sondern profitable STRATEGIE der Hierarchie von und zu materialistischer "Absicherung" im geistigen Stillstand: Die bewußtseinsschwache Dummheit der Masse wird kanalisiert in Konfusion / systemrationale Spaltung und Suppenkaspermentalität auf Schuld- und Sündenbocksuche, was nun im "gesunden" Konkurrenzdenken des "freiheitlichen" Wettbewerbs um "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" funktioniert!

  • "Diese Arroganz der Macht ist nicht nur bei Lokführern zu finden, sondern auch bei Krankenhausärzten, Piloten, Betriebsfeuerwehren oder Fluglotsen."

     

    Was erlauben Sie sich eigentlich Frau Herrmann ? Dieser Artikel ist unglaublich anmaßend. Der Grund dafür, dass der Marburger Bund sich von Verdi abgespalten hat ist, dass keine Vertretung durch Verdi stattfand. Jahrelang hat Verdi sich nicht im geringsten um die Ärzteschaft gekümmert. Patienten durch die Gegend schieben, EKGs schreiben, etc. können ja alles die Ärzte machen. Die Pflegekräfte hatten dafür nämlich "keine Zeit.". Die mussten ja pünktlich ihre Schicht beenden. Dafür durften Ärzte dann das ganze Wochenende durchschuften. Teilweise 48 Stunden am Stück arbeiten. Haben Sie so etwas schon mal gemacht, Frau Herrmann ? Der Grund dafür, dass die Ärzte ihre eigenen Interessen in die Hand genommen haben, waren in erster Linie die unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Also informieren Sie sich das nächste Mal gefälligst, bevor Sie einen Artikel schreiben ! Arrogant sind hier nur Sie.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Björn Lorenzen:

      Es ist nicht nur Arroganz, es ist ignorante Arroganz, der systemrational-gebildeteten Suppenkaspermentalität auf Schuld- und Sündenbocksuche ;-)

       

      An dieser Stelle paßt nocheinmal die "Bockigkeit" des Ex- Ärztekammerpräsident Karsten Vilmar erinnert, als es in den Ränkespielen um die Begrenzung der Ärztehonorare ging und da von ihm lautete: "... sozialverträgliches Frühableben ..." :-)

       

      Wo "Individualbewußtsein" die gesellschaftliche "Gemeinschaft" gestaltet, anstatt geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein, da ist eine heuchlerisch-verlogene Welt- und "Werteordnung" weder Phänomen noch Wunder!?

  • Ein insgesamt wahrlich abenteuerlicher Kommentar. Autos und Flugzeuge usw., nun ja.

    Gewerkschaften kümmern sich um die Sonderinteressen ihrer Mitglieder - und das ist unsolidarisch...

    Und die Durchsetzungsfähigkeit von Individuen und (ggf. Klein-)Gruppen hängt davon ab, für wie wichtig ihre Funktion gehalten wird.

    Und alleine sind wir irgendwie alle erpressbar.

     

    Streiken für mehr Lohn (obwohl es gerade darum hier ja gar nicht so sehr geht) ist natürlich irgendwie immer unsolidarisch, nicht nur, weil Gewerkschaften sich grundsätzlich nur für eine bestimmte Branche etc. einsetzen, sondern weil irgendwer insbesondere diesen Lohn auch bezahlen muss, das Geld muss wohl auch irgendwo herkommen (meist wohl vom Konsumenten oder/und vom Staat).

    Da mit Arbeitskämpfen aus dem Dilemma kein Ausweg zu finden ist, haben sich Gewerkschaften in Namibia und in Bulgarien für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens - für alle Einwohner - ausgesprochen.

    Damit wäre dann auch das Problem gelöst, dass eine marktförmige Wirtschaft ohne kaufkräftige Kunden immer irgendwann kollabieren muss.

    Die deutschen Funktionärsgewerkschaften haben sich aber so weit von der Realität entfernt, dass Initiativen jenseits von Gruppenegoismen unmöglich erscheinen.

  • ich solidarisiere mich mit den Streikenden der GdL.

    Es wäre eine Katastrophe, wenn die Gesetzesvorhaben zur "Gewerkschaftseinheit" also zur Stärkung des DGB durchkommen würden.

     

    Wir hätten dann nur noch Streiks wie bei Neupack Hamburg/ Rotenburg. Der wurde den Ausgebeuteten von der IG BCE abgewürgt. Sie wollten nach 20 Jahren eines: einen Tarifvertrag.

  • Abgesehen davon, dass die Autorin sicherlich Recht hat, dass die Gewerkschaften den Kapitalismus (mit) gerettet haben und dies auch weiter tun (durch das Fördern der Binnennachfrage und letztlich auch weltweiter Nachfrage, überall dort, wo sich Gewerkschaften durchsetzen), gibt es aber auch einige strittige Punkte.

    Ich finde, dass die GDL jedes Recht hat zu streiken (nur wäre es sicherlich gut, würde sie dies im Verbund mit den anderen Teilgewerkschaften der Bahn tun): wenn ein Staatsunternehmen privatisiert wird und Private die Gewinne einstreichen, haben die Arbeitnehmer auch jedwedes Recht zu streiken und für eine gerechtere Verteilung des Geldes zu streiten. Nur am Besten im Verbund mit den anderen Gewerkschaften.

    Auch wenn ich die Ansicht des Artikels auf die Probleme, die Kleingewerkschaften schaffen, durchaus teile, kann man diesen auch Positives abgewinnen.

    Da wo nämlich zwei Gewerkschaften um die gleiche Gruppe Arbeitnehmer konkurrieren, kann es durchaus dazu kommen, dass die kleinere, um sich zu profilieren, „radikalere“ Forderungen aufstellt, bei denen die größere Gewerkschaft schließlich mitziehen muss.

    Dies führt in der Folge im Optimalfall zu besseren Bedingungen für die Arbeitnehmer, als dies der Fall gewesen wäre, wenn nur eine große, mächtige (im schlimmsten Fall noch die eher zu vernachlässigende christliche) Gewerkschaft an den Hebeln der Macht gewesen wäre.

  • Liebe taz. Wofür die Zeilen, wenn es nur darum geht, in den Tenor der restlichen Qualitätsmedien einzustimmen?

     

    Sauer stößt mir an dem Kommentar von Frau Herrmann auf, dass die Aktivität von Gewerkschaften (wieder einmal!) darauf reduziert wird, ein "deutlich höheres Gehalt [zu] erkämpfen“.

     

    War das wirklich alles? Also arbeiten zu egal welchen Bedingungen, Hauptsache die Kasse stimmt?

     

    Geflissentlich wird immer wieder folgendes Übergangen: Das fahrende Personal hat in der EVG einfach keine glaubwürdige Vertretung! Lokführer und Zugbegleitpersonal der DB leiden z.B. unter immer schlechterer Planbarkeit ihrer Dienste (auch befördert durch die Zerschlagung des Betriebs in immer kleinere Einheiten).

     

    Die GDL kämpft um Dinge, die die EVG nach meiner Wahrnehmung nur zu bereitwillig für einfache Lohn- und Gehaltssteigerungen opfert: Es geht ja auch nur um Probleme eines kleinen Teils der Vertretenen.

     

    Außerdem sollte man wirklich nicht vergessen, dass die EVG (bzw. eine der Vorgängergewerkschaften, die Transnet) mit der Personalie Norbert Hansen in vielen Augen enorm an Glaubwürdigkeit verloren hat. Und nach meiner Wahrnehmung hat sie diese Glaubwürdigkeit bis heute, wohl auch zu recht, nicht zurückgewinnen können.

     

    Was sollen denn Arbeitnehmer tun, die sich von Hausgewerkschaften nicht oder nicht mehr vertreten sehen? Einfach alles hinnehmen, um nicht von den Schreibtischen aus als „Egoisten“ gebrandmarkt zu werden?

  • Die Lokführer sollten sich ein Beispiel an den TAZ Beschäftigen nehmen, die arbeiten auch für 30% unter dem Tarif plus Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, um nicht ihr Unternehmen zu gefährden.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Der Artikel ist nicht haltbar. Marx kann sich ja leider nicht mehr wehren, aber retrospektiv zu sagen "Wenn die Gewerkschaften nicht wären, gäb's keine Flugzeuge" ist aus einer Zeit heraus, in der es Flugzeuge gibt, nur dann ein logischer Schluss, wenn die Erfindung des Flugzeugs unmittelbar auf die Gewerkschaften zurückzuführen wäre. Ist sie nicht, also ist der Artikel nicht mehr als ein Haufen in sich zusammenfallender Schwachsinn!

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @970 (Profil gelöscht):

      Ich stimme Ihnen zu! Die Gewerkschaften haben m.E. genauso wenig mit der Entstehung des Autos oder des Flugzeugs zu tun wie der gute Wille einiger U.S.-Politiker mit der Abschaffung der Sklaverei.

       

      Letztere wurde abgeschafft, weil sie sich nicht mehr rechnete. Und vom Faschisten und Antisemiten Ford ist der Ausspruch überliefert, dass Autos keine Autos kaufen.

       

      Wenn der Arbeitnehmer aber nicht mehr vom Kapitalisten benötigt wird, um den Mehrwert einzustreichen, holt er sich den dadurch, dass er an der Börse spekuliert. Das ist dann sozusagen "Teleausbeutung", denn irgendwer wird immer ausgebeutet, wenn einer den Gewinn einstreicht.

  • "Alles richtig gemacht, Frau Herrmann." - Das könnte Frau Merkel zu Ihrem Artikel hier sagen.

  • Äh, Moment: Der Witz ist doch gerade der, dass die Lokführer nicht nur für sich, sondern auch für das Zugbegleitpersonal streiken, eine Gruppe also, die ungleich weniger Durchsetzungsmacht hat. Insofern tut die GDL genau das, was ihr in dem Artikel angelastet wird, nämlich solidarisch für andere ArbeitnehmerInnen einzustehen. Dass hier auch weitere Motive mitreinspielen (nämlich als Gewerkschaft größer werden zu wollen), ist zwar richtig, delegitimiert aber nicht den aktuellen Kampf. Kurzum: Das CDU-Mitglied Weselsky ist gewiss kein Sympathieträger (und die GDL keine demokratische Basisgewerkschaft), aber er kämpft mit 'seiner' GDL in einer Art und Weise für die Interessen ihrer Mitglieder wie es die anderen Gewerkschaften längst verlernt haben. Und wie es die EVG überzeugend auch nie tun könnte - bedenkt man, dass TRANSNET als eine ihrer Vorgängerorganisationen jahrelang für die Privatisierung der Bahn gekämpft hat, ein Irrweg, der konsequenterweise in den Übertritt ihres Chefs ins Bahnmanagement eingemündet ist.

    • @Olaf Bernau:

      Genau das denke ich auch die ganze Zeit.

       

      Die Macht auch der weniger öffentlich bemerkbaren Jobs steigt doch, wenn sich die Lokführer eben solidarisch auch mit den Mitarbeitern in der Werkstatt oder dem Verkauf solidarisieren können und für die mitstreiken können.

       

      Der Artikel ist völlig hirnrissig in dem Punkt.

    • @Olaf Bernau:

      Richtig. Aber die Wirtschaftsredakteurin Herrmann meint es richtig zu machen wenn nach dem Hansen-Prinzip der sog. "Egoismus" ausgeschaltet wird. Haha! Selten so gelacht! Mit Tränen in den Augen.

  • Schon die Werbung, -- der finanziell gutgeschmierten spezial-undemokratischen "Sozialpartner" der Finanz- und Monopolbourgeoisie --, für einen Mini-Mindestlohn von "8,50 Euro-Std. Brutto", war bezeichnend. Damit würden, -- nach der heutigen undemokratischen Lobby-Rechtslage --, die Lohnabhängigen erst nach 60-Vollzeitarbeitsjahren -- im 75/76 Lebensjahr! -- eine Armutsrente in Höhe der geringen Sozialhilfe bekommen (die ungenügende Grundsicherung).

     

    Der Verweis der "Sozialpartner" der Bourgeoisie, auf noch geringere Armuts-Löhne zuvor, ist keine Entschuldigung. Es wäre die Aufgabe von demokratischen Gewerkschaften, zusammen mit den Stammbelegschaften, den Inhabern von sogenannten "Normalarbeitsverhältnissen", -- der privaten und staatlichen Unternehmen --, aktiv für auskömmliche Arbeitslöhne zu kämpfen. Demnach würde der derzeitige Mindest-Stundenlohn bei 13 Euro aufwärts liegen. // Ebenso müssten demokratische Mitglieder-Gewerkschaften für die Aufhebung der sozialdarwinistischen und menschenunwürdigen Hartz-IV-Regelungen und für die Rückführung und Wiedereinführung des (ursprünglichen) ALG I und ALG II, einschließlich der Verlängerung der (jeweiligen) Bezugsdauer kampfen! // Angesichts der gewaltigen Dividenden für persönlich leistungslose Großaktionäre und der steigenden Vergütungen für deren Parlamentarier, GroKo-Regierenden und hohen Beamten, müssten heute Gewerkschaften für soziale und demokratische Reformen (!) kämpfen!

  • Also die Mehrwerttheorie von Marx ist seriös bisher nicht Widerlegt worden. Und der Kapitalismus funktioniert ja nun mal nach ihr.

    Und wenn ich das Wort Gewerkschaften , speziell Spartengewerkschaften mit Krankenkassen austausche ......brauchen wir davon viele oder auch nur wegen Wettbewerb mehrere ?

    uND WARUM SOLIDARISIEREN SICH NICHT DIE ANDEREN GEWERKSCHAFTEN DER BAHN -EINHEITSGEWERKSCHAFTEN !!!!Würde heissen - alle Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland , egal wo , unter dem Dach des DGB streiken MIT den Lokführern um 5% mehr Lohn und 37 StundenWoche -auch die Journalistengewerkschaften bei der TAZ , wie wäre es denn damit - da würden alle Unternehmer ganz schnell ihre Geldbörse zücken , aber ganz schnell , da bin ich mir sicher! Aber solange es solche Journalisten wie bei der TAZ und anderen Mainstreammedien gibt , brauchen die Unternehmer keine Angst haben . Die Werktätigen (ja , genau die!) schlafen weiter und lassen sich belullern.....

  • Die Taz reiht sich bei diesem Thema in die Reihe Bild, Spiegel, ARD ein (http://www.heise.de/tp/artikel/43/43103/1.html). Das passt zu ihrem neoliberalen Credo.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Mike Schneider:

      Danke für den Link! Fast das einzig Vernünftige, was ich zu dem Thema in der Presse bisher gelesen habe.

    • @Mike Schneider:

      Genau richtig. Gut auch der Verweis af den telepolis-Artikel. Der EPIGONALE taz-Artikel hier ist mit im laufenden Seichtigkeitswettbewerb - im Dienste des Neoliberalismus.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob die These denn stimmt, dass Marx falsch lag mit seiner Mehrwerttheorie, aber wenn der Kapitalismus zum Untergang verdammt ist, wenn es keine Käufer gibt, die die ständig steigende Warenmenge abnehmen können - dann müsste eine weltweite Bewegung, die den Kapitalismus überwinden möchte, doch nur eines tun: den konsequenten Konsumstreik praktizieren. Ich praktiziere zwar individuell den Konsumstreik ohnehin schon seit jeher so weit es machbar ist, aber ich hatte bisher noch nicht daran gedacht, den Konsumstreik als politische Methode für die soziale Revolution einzusetzen.

    • @Rudeboy:

      Keine Sorge. Andere sind schon auf die Idee gekommen. In Einzelfällen hat es sogar geklappt.

       

      Das Problem ist nur, dass die meisten Menschen GERNE konsumieren, vor allem entschieden lieber, als den gerechten Kampf für den Systemwechsel zu führen. Das gilt insbesondere, wenn der Systemwechsel auch keine wirklich realistischen Möglichkeiten auf später verbesserte Konsummöglichkeiten eröffnet.

       

      Es wird immer wieder vergessen, dass der Streit um das Für und Wider des Kapitalismus für die allermeisten Menschen vor allem von konsumorientierten Erwägungen geprägt ist. Wäre das nicht so, hätten wir längst eine - im wesentlichen kommunistische - Share-Economy.

      • @Normalo:

        Bin mir nicht sicher, ob das wirklich so ist. Denn ich glaube, viele Menschen konsumieren nicht um des Konsumierens willen, sondern weil sie sich ein Bedürfnis befriedigen wollen. Der Kapitalismus setzt doch bei den Bedürfnissen an und kommerzialisiert alle Lebensbereiche vom Essen über das Wohnen bis hin zum Luxus. Ich denke, viele Menschen wären durchaus für eine solidarische, kommunistische Gesellschaft zu gewinnen, wenn wir Linken ihnen überzeugend darlegen könnten, dass es besser für uns alle ist, in einer bedürfnis-orientierten Gesellschaft zusammen zu leben als in einer profit-orientierten Konkurrenzgesellschaft. Kommunismus sehe ich auch als die Befreiung unserer Bedürfnisse von den Zwängen der Verwertung und den Ersatz durch eine gemeinwohl-orientierte Produktionsweise zur Garantierung unserer Bedürfnisse. Im Kapitalismus bist du diesen Zwängen unterworfen, du musst arbeiten, um einen Lohn zu empfangen, der die Basis für die Sicherung deiner Bedürfnisse darstellt. Im Kommunismus fallen diese Zwänge weg. Die Gesellschaft übernimmt dann die Verantwortung, die Wirtschaft gemeinsam und selbstverwaltet so zu gestalten, dass die Bedürfnisse aller gedeckt werden. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist die Vergsellschaftung der Wirtschaft, also die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln und die Überführung der Produktionsmittel in gesellschaftliche Hände (bitte nicht zu verwechseln mit Verstaatlichung!).

        • @Rudeboy:

          Rudeby zeigt, wie schwer es ist, inmitten des kapitalistischen Warensinns auf eine halbwegs vernünftige Weise über Kommunismus nachzudenken. Was soll eine "bedürfnis-orientierte Gesellschaft" sein? Ein zentrales Problem unseres kapitalistischen Für- und Voneinanders ist doch, dass es auf Bedürfnisbefriedigung um jeden Preis gepolt ist, und auf Teufel komm raus stets neue Bedürfnisse geschaffen werden müssen. Auch, dass davon beileibe nicht nur das Kapital profitiert. Geld als Vermittlung von einerseits Produktions- und Organisationsvermögen und andererseits Aneignungs- bzw. Genussvermögen kann die zur Bedürfnisbefriedigung aufzubringenden Kosten sozio-ökologischer Art aber kaum darstellen. Der vom Geld gespiegelte Arbeitsaufwand,. der zur Reproduktion des Vermögens zur Bedürfnisbefrtiedigung mittels Produktion von Waren verrät weder etwas über die sozio-ökologische Qualität des Arbeitsaufwands oder deren Ersparnis noch etwas über die sozio-ökologische Quelität der Aneignung bzw. des Genusses. Kommunismus kann vernünftigerweise nur die Entwicklung der Möglichkeit genannt werden, die Entwicklung und Befriedigung der unterschiedlichen Bedürfnisse mittels Übereinkommen mit den dafür in Kauf zu nehmenden Kosten sozio-ökologischer Natur ins Benehmen zu bringen.

          • @Hirschelmann Hans-Hermann:

            Zu dumm, dasds man hier nicht eine Weile nacheditieren kann. Dem folgdenden Satz fehlte das wort "notwendig"

             

            Der vom Geld gespiegelte Arbeitsaufwand,. der zur Reproduktion des Vermögens zur Bedürfnisbefrtiedigung mittels Produktion von Waren NOTWENDIG ist, ... (ist ansonsten sozio-ökologisch gesehen blind.)

    • @Rudeboy:

      Im Prinzip würde es aber funktionieren, denn der Kapitalismus kann logischerweise auch nur funktionieren, wenn Waren die produziert oder Dienstleistungen, die angeboten werden, auch genutzt werden.

      Man wird nur nie alle Menschen dazu bringen, in den Konsumstreik zu treten. Trotzdem finde ich ihre Attituüde lobenswert ;-)

      • @Manuel:

        Ja, das stimmt, es ist wohl schwierig, alle Menschen dazu zu bewegen, in den Konsumstreik zu treten. Aber vielleicht genügt ja auch schon eine kritische Masse. Kombiniert mit dem klassischen Generalstreik in der Sphäre der Produktion könnte man so die Unternehmerschaft ganz schön unter Druck setzen. Ich stelle mir das schon hilfreich vor, so eine breite Massenbewegung des Ungehorsams und der Verweigerung gegenüber den kapitalistischen Verhältnissen.