Gewerkschaft stellt Strafantrag: Aus der Arbeitgeber-Bibel

Der christliche Fernsehsender Bibel TV aus Hamburg behindert die Gründung eines Betriebsrats. Potenzielle Gründer wurden gefeuert.

Matthias Brender steht in einer Fernsehkulisse von Bibel TV

Spricht lieber über Gott als über Stoppuhren: Bibel-TV-Geschäftsführer Matthias Brender Foto: Georg Wendt/dpa

HAMBURG taz | Abneigung gegenüber Betriebsräten – so etwas kommt bekanntlich in den besten Unternehmerfamilien vor. Manchen Verhinderern dieser Form von innerbetrieblicher Demokratie ist nicht bewusst, dass diese Anti-Haltung strafrechtlich relevant sein kann. „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft“, wer „eine Wahl des Betriebsrats behindert“, heißt es in § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes.

Ausgerechnet ein mit christlicher Ausrichtung für sich werbendes Unternehmen aus Hamburg sieht sich nun mit einem entsprechenden Strafantrag konfrontiert: der im Hamburger Stadtteil Hammerbrook ansässige Sender Bibel TV.

Gestellt hat den Strafantrag die Kirchengewerk­schaft, deren Bundesgeschäftsstelle in Hamburg-Schnelsen sitzt. In einem beim Arbeitsgericht anhängigen Streit vertritt sie den IT-Fachmann Jan Preuß*. Der Vorwurf der Gewerkschaft: Der promovierte Theologe, der auch Pastor in einer Hamburger Gemeinde ist, habe den Sender verlassen müssen, weil er einen Betriebsrat gründen wollte. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte, dass eine Strafanzeige in Sachen Bibel TV „in der hiesigen Abteilung für Wirtschaftsdelikte eingetragen“ sei.

Mehrheitseigner von Bibel TV ist die Rentrop-Stiftung mit 52 Prozent. Namensgeber Norman Rentrop wiederum ist Gründer des VNR Verlags für die Deutsche Wirtschaft AG. Der Sender beschreibt ihn als geläuterten Workaholic: Mittlerweile arbeite Rentrop „nicht mehr 120 Stunden pro Woche, sondern er gönnt sich jetzt auch freie Zeit – Zeit, die er mit Gott verbringt“.

Zu den Minderheitsgesellschaftern gehört das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), in dem auch die renommierte Zeitschrift epd Film erscheint. Finanziell gesehen geht es Bibel TV gut. Laut dem letzten veröffentlichten „Wirkungsbericht“ nahm man 2018 10,8 Millionen Euro Spenden ein. Der Jahresüberschuss betrug 603.000 Euro.

Betriebsbedingte Kündigung kurz vor Weihnachten

Die Geschichte hinter dem Strafantrag beginnt im August 2019, als eine Gruppe um Preuß zu einer Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstandes für einen Betriebsrat einlädt. Im September erfährt Preuß, dass sein bis Ende Juli 2020 laufender Vertrag nicht verlängert wird. Zwei Tage später bekommt er seine erste Abmahnung, vier weitere Tage später die nächste, im November noch eine.

Kurz vor Weihnachten erhält er eine betriebsbedingte Kündigung und wird mit sofortiger Wirkung freigestellt. Einer weiteren Person, die einen Betriebsrat auf den Weg bringen wollte – einer fest angestellten Online-Redakteurin – wird fristlos gekündigt. Sie hat sich mit dem Sender auf einen Vergleich geeinigt.

Hubert Baalmann, der Sekretär der Kirchengewerkschaft, sagt, einen Betriebsrats-Verhinderungsversuch habe er „in dieser massiven Form“ bisher noch nicht erlebt.

Ein früherer Mitarbeiter von Bibel TV

„Diese Herrschaften müssen sich fragen, ob sie das vor Gott verantworten können – falls sie überhaupt christliche Werte vertreten“

Die taz hat Bibel TV zweimal innerhalb rund eines Monats die Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben – das Unternehmen ließ einen Fragenkatalog aber unbeantwortet. Thomas Brand, der Pressesprecher von Bibel TV, sagt lediglich: „Die von Ihnen angesprochenen Vorgänge bezogen sich auf individuelle, arbeitsinterne Angelegenheiten, die sich noch mit den betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Klärungsprozess befinden.“ Bis dieser abgeschlossen ist, wolle man „keine öffentliche Stellung beziehen“.

Die Fragen der taz bezogen sich auch auf von Mitarbeitern beobachtete bizarre Begleitumstände – zum Beispiel, ob es zutrifft, dass die später gekündigte Online-Redakteurin zunächst von ihren eigentlichen Tätigkeiten entbunden worden sei und Geschäftsführer Matthias Brender dann einen Teil der ihr statt dessen zugewiesenen Tätigkeiten mit einer Stoppuhr überwacht habe. Oder ob Brender über die Kollegin in einer betriebsinternen Veranstaltung im November gesagt hat, sie bereite „seit fünf Jahren Probleme“.

Auf solche verbalen Blutgrätschen bezieht sich ein Ex-Mitarbeiter von Bibel TV, der im Februar am Rande von Jan Preuß’ gescheitertem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Hamburg sagte: „Vom rein Rechtlichen mal abgesehen, müssten sich diese Herrschaften fragen, ob sie das vor Gott verantworten können – falls sie überhaupt christliche Werte vertreten. Falls nicht, ist für sie natürlich alles chico.“

Beim Gütetermin wartete der Pinneberger Arbeitsrechtler Tobias Blankenburg, der Bibel TV vertritt, mit einer überraschenden Darstellung auf: Der Sender habe sich entschieden, die Arbeit für Programmierer „extern zu vergeben“, deshalb habe man Preuß freigestellt. Der erste Kammertermin in Sachen Preuß gegen Bibel TV findet am 9. Juli statt.

*Name von der Redaktion geändert

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