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Gewaltsame Proteste in UkraineOpposition droht mit Offensive

Die Stürmung des Unabhängigkeitsplatzes in Kiew blieb in der Nacht aus, doch die Lage spitzt sich zu: Das Militär ließ einen Panzer auffahren, die Opposition will nicht weichen.

Auch am Donnerstag brannten Autoreifen. Bild: dpa

KIEW dpa/afp | Nach der tödlichen Protesteskalation in Kiew haben die Regierungsgegner Präsident Viktor Janukowitsch ein 24-stündiges Ultimatum gestellt und Massendemonstrationen historischen Ausmaßes angekündigt. Im Anschluss an ein dreistündiges Krisentreffen mit Janukowitsch riefen Oppositionsführer zehntausende Anhänger im Stadtzentrum zum Widerstand auf, falls die Staatsführung am Donnerstag nicht einlenken sollte.

Während sich die Regierungsgegner für eine mögliche Stürmung ihres Protestlagers wappneten, ließ das Militär erstmals ein Panzerfahrzeug auffahren. „Wenn Janukowitsch keine Zugeständnisse macht, gehen wir morgen in die Offensive“, rief Oppositionspolitiker Vitali Klitschko der Menschenmenge am Mittwochabend entgegen, nachdem tagsüber laut Ärzten fünf Menschen getötet und 300 weitere verletzt worden waren.

Janukowitsch könne die Krise mit vorgezogenen Neuwahlen friedlich lösen, sagte Klitschko weiter. Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gab Janukowitsch „24 Stunden“, um ein „Blutbad“ zu vermeiden.

Im Stadtzentrum von Kiew brannten am Donnerstagmorgen Gegner des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch erneut Autoreifen ab. Tausende Demonstranten harrten die Nacht über aus. Sie versuchten, der möglicherweise drohenden Räumung ihres Protestlagers vorzubeugen. Innerhalb weniger Stunden erhöhten sie die Barrikaden um den Unabhängigkeitsplatz durch mit Schnee gefüllte Säcke. Die Zugänge des Protestlagers wurden verengt und von Aktivisten bewacht, so dass sich bei Temperaturen von minus zehn Grad teils lange Schlangen bildeten.

Die Regierungsgegner sprechen von fünf Erschossenen sowie zwei weiteren Toten. Die Behörden haben bisher den Tod zweier Demonstranten durch Schüsse bestätigt. Oppositionsführer Klitschko hat Präsident Viktor Janukowitsch ultimativ aufgefordert, bis Donnerstagabend zurückzutreten.

Falls Janukowitsch die Forderungen nach Neuwahlen und nach einer Rücknahme repressiver Gesetz ablehne, wolle die Opposition zum Angriff übergehen. Das kündigte Klitschko am Mittwochabend bei einer Massenkundgebung an.

Am Donnerstag sollte erneut eine Krisenkommission mit Vertretern der Opposition und der Regierung tagen. Die Opposition gründete ein Alternativparlament – die Volksrada – , um geschlossener zu handeln. Auch Klitschko sowie der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk führen die Bewegung.

Die EU, die USA und Russland verfolgen die Gewaltexzesse in der Ex-Sowjetrepublik mit Sorge. Die EU-Kommission kündigte an, sie werde „mögliche Maßnahmen“ und „Konsequenzen“ für ihre Beziehungen zur Ukraine prüfen. Die USA zogen die Visen für mehrere in die Unruhen verwickelte ukrainische Regierungsvertreter zurück. Russlands Außenministerium warf dem Westen daraufhin eine „Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten der Ukraine vor. Der „extremistische Teil der Opposition“ habe zudem „auf rüde Weise die Verfassung des Landes“ verletzt.

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10 Kommentare

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  • DS
    David Schmid

    Empfehlenswerter ukrainischer Kommentar mit linker Perspektive:

    http://www.criticatac.ro/lefteast/support-ukrainians-but-not-far-right/

     

    Volodymyr Ishchenko hat gestern auch einen Artikel im Guardian veröffentlicht.

  • T
    toddy

    Panzer auffahren? schon wieder so eine Ente! In einigen Bildern ist Klar zu sehen, es handelt sich um (1) gepanzerten Wasserwerfer der Spezialkräfte (zum Schutz der Bannmeile) die in der Ukraine aus Standardisierungsgründen? Auf 8 Rad SPW Basis (im Waffenturm befindet sich die Wasserkanone) disloziert sind. Die in Hamburg, Stuttgart, Berlin, Frankfurt gebräuchlichen Exemplare sehen zwar weniger martialisch aus dürften aber "effizienter" sein...

  • F
    Frost

    So kann es ausarten,wenn die EU andere Länder "heiß macht",damit sie der EU beitreten. Anstatt erst mal die EU zu "reparieren"-erweitert man sie.

    Wer Verstand hat muss leiden.Ich glaube nicht des von der EU jemand leidet.Die,aber, leiden,die sich jetzt die Köpfe einschlagen.

    • T
      toddy
      @Frost:

      Informieren Sie sich von "EU" Beitritt ist keine Rede, vielmehr soll die Ukraine mittels "Freihandelsabkommen" wirtschaftlich ausgeplündert, und hier wiedereinmal eine Scheinkonjunktur erzeugt werden,nach dem Motto "fängt er an zu Rosten schick ihn in den Osten" / Käuferpotentialabschöpfung Schema EX DDR - um dem maroden System hier erneut Aufschub zu gewähren - und um endlich die (mittlerweile) offensichtliche Kriegsdienstleistungstruppe des Profits US-NATO zu komplettieren - auch ein präventiver Versuch den Unabwendbaren Zusammenbruch aufzuhalten ...

  • JA
    J A

    Warum wird hier beschönigend von "Ultimatum" oder "Offensive" geredet? Das ist die Drohung mit einem gewaltsamen Putschversuch und nichts anderes.

     

    Und dieser Putschversuch ist nicht eine bedauerlicherweise aus dem Ruder gelaufene friedliche Protestbewegung, sondern der ist gewollt. Die Janukowitsch-Regierung soll weg und durch westliche Marionetten ersetzt werden. Und wenn das mit demokratischen Mitteln nicht geht, dann halt mit Gewalt. Wo kommen wir denn da hin wenn sich eine demokratisch gewählte Regierung über das EU-Gebot, sich ausplündern zu lassen, hinwegsetzt.

    • T
      toddy
      @J A:

      eigentlich steht in der Headline „Konrad Adenauer Stiftung gibt Befehl zum militärischen Putsch“. Wiedereinmal zeigt der Kapitalismus sein wahres Gesicht nach Kapp Putsch, SPD Verrat um Noske, „2,5 X WK Ungarn, CSSR, Polen (KOR) (ja auch da gab es bewaffnete) 2x Griechenland, Türkei, Argentinien, Chile, Djakarta, Bahrein wiedereinmal versuchen die Schoßhündchen und faschistischen Kettenhunde des Profits ,da keine Legitimation vorhanden ist mit Gewalt eine Schneise von Mord, Folter und Unterdrückung im Auftrage des Kapitals zu schlagen. Nachdem die Umsturzversuche nach Gene Sharp bzw. OTPOR ergebnislos blieben schalten jetzt CIA. MI6, Franzosen, BND???einen Gang hoch, sind erste Bilder zu sehen wo UPA Faschisten mit Revolvern um sich schießen und die Militärs werden aufgefordert, bedroht werden ihr Land zu Verraten. Die nächste zu erwartende Eskalationsstufe ist der (bewaffnete) Angriff auf die Russen in Sewastopol denn die Neuen Pächter liegen bereits auf Rede- zu ach ja Antiterrormaßnahmen bei den Olympischen Spielen, ungebeten selbstredend! so. so wie selbstlos....

  • S
    Siebenfünfzig

    Gestern gab es einen interessanten kommentar betreffs der zusammensetzung dieser "Opposition". Leider ist der heutige taz-Artikel wieder genau so Mainstream wie die Tagessschau. Mich würde das wirklich interessieren.

    Leider muss ich an diesem Beispiel wieder mal erfahren wie bißlos (nix mehr von wegen biß morgen!) und damit verzichtbar die taz geworden ist und wie wenig sie sich von anderen Zeitungen noch unterscheidet. damit schwindet bei mir der Wunsch das noch weiterhin monatlich zu unterstützen, wenn ich mir relevante Infos dann doch woanders suchem muss. Was ist aus euch geworden?

    Ein Schild der Demonstranten mit "14 88" war mir sogar in der Tagesschau aufgefallen (tatsächlich war dort nur die obere 14 zu sehen und ich habe noch nicht geschaltet). Sind die "Opositionellen" Nazis und rechtsradikale? Wo steht Klitschko? Oder ist es wirklich so, das die EU mit Nazis paktiert, wenn sie nur pro-EU sind? Davon gehe ich fast aus, aber warum berichtet die taz nicht darüber? Warum muss ich sowas aus einer anderen Quelle erfahren?

    Liebe taz, ich finde diese Berichterstattung echt enttäuschen und verlinke noch einmal den interessanten Artikl aus dem hintergrund:

    http://www.hintergrund.de/201401212958/politik/politik-eu/vorwaerts-mit-neonazis.html

    • D
      drei
      @Siebenfünfzig:

      schon gestern gab dazu einen artikel hier auf der webseite...

      http://taz.de/Gewalt-in-der-Ukraine/!131546/

      • S
        Siebenfünfzig
        @drei:

        danke, den habe ich inzwischen auch entdeckt. ;)