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Gewaltausbrüche in SyrienWas macht die neue Regierung?

Serena Bilanceri
Kommentar von Serena Bilanceri

Das neuerliche Blutvergießen zeigt vor allem eines: Es gibt noch keine Sicherheit in Syrien. Nötig wäre jetzt Transparenz über den Ursprung der Gewalt.

Sicherheitskräfte der syrischen Regierung Nahe der Provinz Suwaida, 14.7.2025: Vorwürfe von ungerechtfertigter Gewalt

A m Sonntag sind im drusisch geprägten Suweida im Südwesten Syriens Gefechte zwischen sunnitischen Beduinenstämmen und drusischen Kämpfern ausgebrochen. Auslöser der Gewalt waren Überfälle und Entführungen auf beiden Seiten. Die Kämpfe gingen die vergangenen Tage weiter, trotz angekündigter Waffenruhe. Mehr als 200 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein, darunter 93 Mitglieder der syrischen Streitkräfte.

Die Regierung hatte relativ früh Panzer und Soldaten in die Region geschickt, um die Ordnung wiederherzustellen. Doch inzwischen werden Beschwerden und Vorwürfe von ungerechtfertigter Gewalt, die sich auch gegen drusische Zi­vi­lis­t*in­nen richtet, laut. Israel bombardiert derweil aus der Luft, meistens Stellungen oder Fahrzeuge der syrischen Truppen, während drusische Anführer teils widersprüchliche Appelle an die Bevölkerung, die Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft richten.

Dieses riesige, blutige Chaos, das sich immer wieder in Syrien entfaltet, in dem wie schon so oft am meisten Zi­vi­lis­t*in­nen leiden, zeigt vor allem eines: Es gibt noch keine richtige Sicherheit in Syrien. Keine stabile zumindest. Die neue Regierung kann oder will noch nicht so eingreifen, dass Ex­tre­mis­t*in­nen – inklusive ihrer Un­ter­stüt­ze­r*in­nen – keinen Spielraum und keinen Nährboden mehr haben.

Dass sich aus reiner Kriminalität heraus interkonfessionelle Konflikte entwickeln, könnte an einem Mangel an staatlicher Kontrolle in der Region liegen. Doch die Erfahrung der vergangenen Monate zeigt, dass solche Auseinandersetzungen ebenfalls in Gebieten unter Regierungskontrolle stattfinden. Dies befeuert das Misstrauen der Minderheiten, die sich dann wiederum weigern, ihre Waffen abzugeben.

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Was die Sy­re­r*in­nen endlich brauchen, ist Transparenz. Dass die Ergebnisse der staatlichen Untersuchungskommission über die Massaker an Ala­wi­t*in­nen noch nicht öffentlich sind, erzeugt kein Vertrauen. Nicht schöne Worte benötigt man jetzt, sondern Fakten.

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Serena Bilanceri
Autorin
Freie Auslandskorrespondentin für Jordanien und den Nahen Osten. Jahrgang 1983, lebt in Bremen und Amman. 2020 erhielt sie ein IJP-Stipendium. Seitdem berichtet sie u.a. über soziale Themen, Menschenrechte und Politik in Nahost. Geboren in Pisa, hat sie in Deutschland, Spanien, Großbritannien und Italien studiert.
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5 Kommentare

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  • Was Syrien vor allem nicht braucht, ist die Destabilisierung durch Israel und die Türkei. Dies läuft offensichtlich entgegen dem Wunsch der EU und der USA, die in der neuen Regierung einen Verbündeten zur Stabilisierung des zerrissenen Landes sehen. Warum dann Israel und die Türkei dem Westen weiter auf der Nase herumtanzen können, bkeibt das Geheimnis westlicher Diplomatie.

  • Dass dort von heute auf morgen keine geregelten Zustände wie in einem Staat in Europa herrschen, sollte doch wohl wenig überraschen. Nach so vielen Jahren Bürgerkrieg sind solche Strukturen noch nicht ausgereift. Weiterhin besteht eine Uneinigkeit der Bewohner aus Glaubensgründen und Gründen der Zugehörigkeit zu Volksgruppen. Da will jede einen Teil der Macht haben oder behalten. Das Problem dort, wie anderswo auch, sitzt in den Köpfen der Menschen, nirgendwo sonst.

  • Was hat man eigentlich erwartet, wenn man einen Islamistenführer zum Regenten macht?

    Der Mann ist erstmal nur am eigenen Machterhalt interessiert. Seine Macht beruht auf islamistischen Milizen aus dem Bürgerkrieg.



    Daher können diese machen, was sie wollen.



    Dass unter dieser Herrschaftsform vor allem religiöse Minderheiten leiden, war zu erwarten.



    Ob dieses Syrien jetzt besser ist, als die Assad Diktatur, kann jeder für sich entscheiden.

  • Wir haben es hier mit einem Staatsgebilde zu tun das aus der El-Kaida hervorgegangen ist. Ganz ehrlich, was soll man von denen erwarten?

    Israel hat aus seiner Geschichte gelernt und kann zwischen Freund und Feind unterscheiden. Die Drusen sind ein Teil Israels und es war abzusehen, dass das passieren wird.

    • @Azad:

      Du möchtest eventuell näher erläutern inwiefern "die Drusen" ein "Teil Israels" sind?