Gewalt unter Eritreern in Deutschland: Eritrea-Konflikt kommt nach Berlin
Der regimetreue Zentralrat der Eritreer will am 20. Oktober in Berlin demonstrieren. Bei ähnlichen Veranstaltungen kam es zuletzt zu Krawallen.
Der Polizei zufolge sind 1.500 Teilnehmer angemeldet. Die Route stehe nach Polizeiangaben noch nicht fest, das Kooperationsgespräch hätte noch nicht stattgefunden. Auch die polizeiliche Einsatzplanung gebe es noch nicht, sagt Polizeisprecherin Valeska Jakubowski.
Dabei ist die Gefahr real, dass es zu Gewalt kommt. Immer wieder war es zuletzt im Rahmen von Veranstaltungen des Zentralrats der Eritreer zu Straßenschlachten gekommen.
Alljährlich im Sommer zelebriert der Zentralrat im hessischen Gießen ein Eritrea-Festival, ein Event, auf dem die Diktatur des ostafrikanischen Landes sich selbst feiert. In diesem Jahr wurden dazu die Gouverneure aller Provinzen des Landes, mit dem die Bundesrepublik nur eingeschränkte diplomatische Beziehungen unterhält, mit italienischen Schengenvisa eingeflogen.
Spendensammlung zur Umgehung des Embargos?
Eritreische Gegner der Veranstaltung gehen davon aus, dass auf dem Event Spenden für die Diktatur eingeworben werden, um internationale Embargos zu umgehen. Das Geld könnte, so die Kritiker, in bewaffnete Auseinandersetzungen im benachbarten Äthiopien fließen.
Seit Jahren gibt es daher Gegendemonstrationen gegen das Diktaturevent in Gießen, bei dem oppositionelle Eritreer fast unter sich blieben. Lange verliefen sie friedlich, doch in den vergangenen beiden Jahren gab es zum Teil massive Gewalt. Grund ist, dass sich eine gewaltbereite Gruppierung namens Brigade N’Hamedu unter die friedlichen Gegendemonstranten gemischt hatte. Diesen Juli waren nach Angriffen auf Polizisten mit Steinen und Flaschen 131 Menschen in Gewahrsam genommen worden.
Im September folgten ähnliche Krawalle in Stuttgart, wo der Zentralrat ein Seminar abgehalten hatte. Auch hier kam es zu Straßenschlachten. Die Polizei stellte dabei allerdings auch friedliche Gegendemonstranten unter Gewaltverdacht, nach Kenntnis der taz sogar eine Frau, die anfangs für die Polizei gedolmetscht hatte.
Straßenschlachten zu Events des Zentralrates gab es in diesem Jahr ebenfalls in Schweden und Israel. Auch umgekehrt kam es zu Gewaltvorfällen, beispielsweise als vergangenen Sommer mutmaßliche eritreische Regimeanhänger Gegner zusammenschlugen, die sich in einem Restaurant in Frankfurt/Main getroffen hatten.
Verlängerter Arm der Militärdiktatur
Es ist nicht übertrieben, den Zentralrat als verlängerten Arm der eritreischen Militärdiktatur zu bezeichnen. Eritrea gilt mit seinem oft lebenslangen Militärzwangsdienst, der von der UNO als eine Form von Sklaverei angesehen wird, als das Nordkorea Afrikas. Es gab nie Wahlen, es gibt keine unabhängigen Gerichte, keine Pressefreiheit, keine Universitäten, aber Haftanstalten mit unmenschlichen Bedingungen.
Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland fußt laut Eigenangaben, die er 2016 beim zuständigen Amtsgericht in Wiesbaden hinterlegt hat, auf vier Säulen. Eine davon ist die eritreische Regierungspartei PFDJ, von der es laut Eigenangaben damals 31 regionale Ableger in Deutschland gab.
Eine zweite Säule ist die Jugendorganisation der PFDJ, ebenfalls mit Ablegern bundesweit. Bis es zu den Gewaltexzessen kam, blieb diese Organisationsstruktur von deutschen Behörden völlig unbeachtet. Nunmehr interessieren sich zumindest im Land Hessen Sicherheitsorgane dafür.
Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich aus Baden-Württemberg steht die Frage eines Vereinsverbotes des Zentralrates der Eritreer im Raum. „Zumindest sollte man dem Verein die Gemeinnützigkeit entziehen, falls er die hat, denn was er treibt, hat nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun. Die Tatsache, dass der Zentralrat über dubiose Strukturen verfügt und seine Anweisungen aus der verachtenswerten Diktatur von Eritrea erhält, stellt auch die Frage nach einem Verbot.“
Marcel Emmerich, Grünen-Abgeordneter
Bundesweite Mobilisierung
Eine Demonstration von 1.500 Anhängern einer Diktatur durch Berlin stelle zudem eine Provokation dar, habe das Potenzial für gewaltsame Ausschreitungen und bedürfe des wachsamen Blicks der Sicherheitsbehörden, sagt der Politiker der taz.
Berlin ist keine Hochburg eritreischer Einwanderung, diese liegen in West- und Südwestdeutschland. Doch für erste Bustouren von dort zur Demo wird bereits mobilisiert. Anders als viele Kommunen in Süd- und Westdeutschland fördert Berlin keine eritreischen Vereine. Es gibt in Berlin zwei christlich-orthodoxe eritreische Kirchengemeinden, die einander spinnefeind sind, weil sie unterschiedliche Positionen zum Regime haben.
Der Verein Eridac, der in Berlin und Brandenburg tätig ist, unterstützt Eritreer bei der Integration und stellt sich politisch gegen das Regime. Der taz sagte deren Vorsitzende Freweyni Habtemariam, dass ihr Verein keine Gegenveranstaltung zum Aufmarsch der Diktaturanhänger plane. Laut der Polizei ist derzeit auch noch keine angemeldet. Das schließt allerdings nicht aus, dass es noch eine geben wird.
Ende September hatte eine regimekritische Einzelperson zu einer Demonstration vor der israelischen Botschaft in Berlin gegen die beabsichtigte Abschiebung von Eritreern aus Israel nach Eritrea aufgerufen. Mehrere hundert Männer und Frauen waren dem Aufruf gefolgt, sie hatten friedlich demonstriert, gesungen und getanzt.
Die Anhänger des Regimes rekrutieren sich aus jenen Migranten, die während des eritreischen Befreiungskampfes gegen Äthiopien bis Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland kamen. Sie hatten die nationale Befreiungsfront unterstützt, aus der die Diktatur hervorgegangen ist. Die Gegner des Regimes flohen zumeist in den letzten 15 Jahren aus der Diktatur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“