Gewalt in Schweden: Koran-Verbrenner vor Urteilsverkündung erschossen
Ein Exiliraker sorgte mit Koran-Verbrennungen für Proteste von Muslimen. Nun ist er am Vorabend seiner Urteilsverkündung erschossen worden.
![Porträt von Salwan Momika mit Sonnenbrille im Mantel unterwegs auf der Straße Porträt von Salwan Momika mit Sonnenbrille im Mantel unterwegs auf der Straße](https://taz.de/picture/7501427/14/37557273-1.jpeg)
Premierminister Ulf Kristersson nannte die Tat am Donnerstagmorgen „ein weiteres sehr spektakuläres Verbrechen“. Eigentlich war er wegen einer Welle brutaler Sprengstoffanschläge, die Schweden seit Jahresbeginn ertragen muss, in Stockholm vor die Presse getreten.
Nun musste er auch zum Tod Momikas Stellung nehmen. Es war der dritte aufsehenerregende Mord in Schweden innerhalb weniger Tage. Aber dieser war anders: Er hatte keinen offensichtlichen Bezug zur grassierenden Bandenkriminalität.
Momika hatte 2021 als Geflüchteter aus Irak in Schweden zunächst für drei Jahre eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Die war mittlerweile eingezogen worden, aber eine Ausweisung galt als nicht durchführbar, da ihm in Irak Lebensgefahr drohe.
Höhere Terrorwarnstufe nach Koranverbrennungen
Der 1986 in der Gegend von Mosul geborene Momika kam aus einer christlichen Familie und engagierte sich als Erwachsener militärisch und politisch in Irak. Die Zeitung Dagens Nyheter zitiert einen irakischen Experten, laut dem Momika sich selbst als Sprecher der Christen in Nordirak bezeichnete.
Die von ihm unter dem Schutz der Meinungsfreiheit in Schweden 2023 durchgeführten Koran-Verbrennungen hatten nicht zuletzt in arabischen Ländern für heftige Reaktionen gesorgt und zu diplomatische Krisen geführt. In Schweden wurde daraufhin die Terrorwarnstufe erhöht.
Das für Donnerstag angekündigte Urteil wurde auf den 3. 2. verschoben, da einer der Angeklagten verstorben sei, teilte das Gericht in Stockholm mit und bestätigte damit die Medienangaben, dass es sich um Momika handele. Der zweite Angeklagte ist sein Unterstützer Salwan Najem. Es geht dabei um Aussagen, die die beiden während mehrerer Verbrennungsaktionen in Stockholm gemacht hatten.
Najem berichtete nun nach dem Mord gegenüber schwedischen Medien, Momika habe zuletzt von Geldspenden seiner Tiktok-Community gelebt, da der Staat ihm finanzielle Unterstützung verweigert habe. Er sagte auch, er habe die Schüsse auf Social Media gehört, weil Momika gerade live war, als es passierte. Diese Angabe wird nun von der Polizei überprüft.
Unterstützer: „Die werden mich auch töten“
Er habe Angst, sagte Najem. „Die werden mich auch finden und töten. Ganz klar.“ Wer „die“ sind, darüber wird jetzt heftig spekuliert.
Eine Sprecherin des schwedische Geheimdienst Säpo sagte, sie könne nicht sagen, inwieweit sie in die Ermittlungen eingebunden seien. Die Polizei leite die Ermittlungen. „Die Koran-Verbrennungen, von denen ein Teil von Momika ausgeführt wurden, haben die Sicherheitslage in Schweden beeinflusst. Deshalb hatten wir hier eine Rolle“, sagte die Sprecherin noch.
Kristersson klang etwas deutlicher: „Ich kann garantieren, dass die Sicherheitsdienste sehr involviert sind, da es offensichtlich das Risiko einer Verbindung zu einer fremden Macht gibt.“ Er fügte aber hinzu, dass es dafür bislang keine Belege gebe. In Schweden gibt es nun Kritik, dass Momika offenbar nicht geschützt wurde.
Die Polizei war am Mittwoch um kurz nach 23 Uhr alarmiert worden, den Tod des Opfers meldete sie Donnerstagmorgen. Nachbarn waren schockiert vom Mord in ihrem Umfeld und überrascht, dass Momika in ihrer Gegend gewohnt hatte.
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