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Gewalt in NahostTerror- und Siedlermainstreaming

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Sowohl der israelische als auch der palästinensische Diskurs haben sich radikalisiert. Die Aussichten auf Beruhigung der Lage sind derzeit düster.

Zerbrochene Fenster in der Ortschaft al-Laban al-Sharkiyeh, Westjordanland Foto: Majdi Mohammed/ap

U nd wieder eskaliert die Gewalt in Nahost. Getötete militante Palästinenser, Anschläge auf Israelis, Siedlergewalt. Wirklich neu ist nur, dass Israel jetzt auch mit Luftangriffen im Westjordanland agiert.

Der Eskalation liegen zwei Kernursachen zugrunde: Im palästinensischen Diskurs wird nicht unterschieden zwischen legitimem Widerstand gegen das immer weiter voranschreitende Vordringen Israels ins Westjordanland und Terror gegen Zi­vi­lis­t*in­nen. Zwar ist richtig, dass zwischen Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen und Israelis ein Mächte-Ungleichgewicht herrscht, die Verharmlosung von Terror rechtfertigt das aber nicht. Dass Medien wie al-Dschasira gewillt das Narrativ des heldenhaften bewaffneten Widerstands verbreiten, der in Wahrheit Terror ist, hilft nicht.

Zugleich ist auch die Siedlergewalt eine Form von Terror. Erneut griffen Radikale Autos, Wohnungen und Geschäfte von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen an. Schutz bieten diesen allein: israelische Sicherheitskräfte. Dennoch brannte es wieder lichterloh im Westjordanland. Die Warnungen, dass sich radikale Siedler durch Israels rechte Regierung ermutigt fühlen, werden Realität.

„Unser Land“

Auch hier ist eine Form von Mainstreaming das Problem. Standpunkte der Sied­le­r*in­nen sind normal geworden. Die beanspruchen das Westjordanland für Israel. Wie sonst ist die kaum hinterfragte Politik zu erklären, dass die Regierung auf Anschläge wie nach dem Angriff vom Dienstag mit dem Bau weiterer Siedlungen reagiert? „Unsere Antwort auf Terror ist, unser Land aufzubauen“, so Netanjahu. Äußerungen wie „unser Land“ in Bezug aufs Westjordanland sind kaum noch der Rede wert, so normal ist Israels Anspruch auf das Palästinensergebiet geworden.

Mit dem Siedlermainstreaming geht die Negierung jeglichen Anspruchs auf eigenes Territorium, ja die Negierung der Existenz von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen einher. Bevor nicht der Konsens wiederhergestellt ist, dass auch sie ein Recht auf Land haben, und solange im palästinensischen Diskurs nicht wieder Stimmen die Oberhand gewinnen, die Terror ablehnen, sind die Aussichten auf eine nachhaltige Beruhigung der Lage düster.

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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8 Kommentare

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  • Man sollte die Pogrome der Siedler schon beim Namen nennen. Sie kommen zu dutzenden , machmal zu hunderten, sind organisiert und greifen palästinensische Dörfer und Orte an. Wenn sich die Bewohner:innen wehren greift die israelische Armee ein und bekämpft die Bewohner! Ist das nicht Terrorismus von Staats wegen? Vor 2 Wochen wurde ein zweijähriges Kleinkind, Mohammad Tamimi durch Kopfschuss getötet, eine 15-jährige, erlag vor einigen Tagen ihren Kopfverletzungen, da sie in den Kopf geschossen wurde (www.middleeasteye....es-shot-west-bank), die Al-Jazeera Jorunalistin Shireen Abu Akleh wurde durch Scharfschützen getötet. Das ist alles kein Versehen.



    Die in völkerrechtswidrigen Siedlungen lebenden Siedler:innen werden auf palästinensischer Seite wohl nicht als Zivilistinnen angesehen und auch von israelischer Seite gelten sie oft als Vorhut zur Landnahme. Sie leben gut und günstig auf gestohlenem Land, genießen den Schutz des israelischen Militärs und internationales Recht ist ihnen ganz offensichtlich egal.



    Wirklich neu ist auch nicht der Angriff des Militärs aus der Luft. Das gab es bereits während der 2. Intifada vor ca. 20 Jahren.

  • Der Analyse des Autors ist zuzustimmen. Was die Kritik an der Vorgehensweise der Palästinenser betrifft, ist allerdings anzumerken, dass der israelische Druck und die völkerrechtswidrige Besatzungs- und Siedlungspolitik auch dann aufrechterhalten würden, wenn die Palästinenser ausschließlich zu legitimen gewaltfreien Mitteln des Widerstands greifen würden (was sie nicht tun und es lohnt sich darüber nachzudenken, worin die Ursachen dieser Radikalisierung liegen).



    Denn eine Lösung des Konflikts im Sinne der radikalen Siedlernationalisten ist „beschlossene“ Sache und ich sehe leider in der israelischen Zivilgesellschaft keinen nennenswerten Widerstand dagegen. Zumindest eine Verbindung des derzeitigen Protestes in der israelischen Bevölkerung gegen die Justizreform Netanyahus und der damit verbundenen Aushebelung der Demokratie mit dem gegen die unrechtmäßige Besatzung des Westjordanlandes kann ich nicht erkennen (außer von einigen wenigen sehr kleinen Gruppierungen). Insofern ist es richtig, wenn Hagmann in diesem Zusammenhang von einem Siedlermainstream in der israelischen Politik und Gesellschaft spricht.



    Aber wer kann die Gewaltspirale in diesem Konflikt unterbrechen, wenn es nicht die Israelis tun?

    • @Abdurchdiemitte:

      Druck muss aus der internationalen Gemeinschaft kommen, von den USA, der EU etc. Androhung von Sanktionen, Abkommen zu Begünstigungen was den Zoll angeht einfrieren etc., militärische Zusammenarbeit einfrieren... etc. da gibt es viele Möglichkeiten.

  • Danke für diesen Kommentar. Solange die Radikalen beider Seite die Überhand gewinnen bzw. behalten, solange ist kein Ende der Gewalt in Sicht.

  • Danke für diesen Kommentar. Solange die Radikalen beider Seite die Überhand gewinnen bzw. behalten, solange ist kein Ende der Gewalt in Sicht.

  • Danke für den Kommentar.



    Israelische Linke und Menschenrechtsaktivist:innen wünschen sich Druck von außen auf die Regierung. Aber man duckt sich lieber weg und gerade in Deutschland hat man den Eindruck, dass auch hier die Existenz der Palästinenser:innen und ihr Recht auf ein eigenes Territorium zunehmend negiert wird.

    • @HRMe:

      Ich sehe es so, dass die israelische Linke und die Menschenrechtsgruppen politisch isoliert und marginalisiert dastehen. Darüber können auch die Massenproteste gegen Netanyahus „Justizreform“ in den vergangenen Wochen nicht hinwegtäuschen.



      Sollte es zum Schwur kommen, d.h. die äußere Bedrohungslage durch Hamas-Raketenangriffe und/oder Terroraktionen als gefährlicher empfunden werden als der Demokratieabbau durch die eigene Regierung, ist klar, wo für die Mehrheit der israelischen Bevölkerung die Prioritäten liegen.



      Auch wenn es offensichtlich ist, ein Zusammenhang zwischen den beiden Themen wird von den meisten Israelis nicht gesehen.



      Netanyahu und die Likud-Partei sind nicht einfach in diese Koalition mit den faschistischen und ultrareligiösen Parteien „hineingestolpert“, weil es etwa keine andere politische Option gab.



      Es ist auch nicht allein bloßer Opportunismus, um Netanyahu vor einer Strafverfolgung durch die (noch unabhängige) Justiz zu schützen. Sondern Resultat einer Jahrzehnte andauernden Rechtsentwicklung und Verhärtung der israelischen Gesellschaft, gepaart mit einer starken Entpolitisierung der säkularen Teile der Bevölkerung.



      Im Grunde nichts anderes als hierzulande und den meisten europäischen Ländern.

  • Der Nahost-Konflikt scheint unlösbar - der Ukraine-Konflikt könnte es ihm gleichtun.