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Gewalt in NahostLuftkrieg geht weiter

Das israelische Militär hat zweiKommandeure des Islamischen Dschihad getötet. Baerbock ruft zur Verhältnismäßigkeit auf und verurteilt „Raketenterror“ aus Gaza.

Trauerfeier am Donnerstag für ein Mitglied des Islamischen Dschihad in Chan Junis, Gazastreifen

Berlin taz | Das israelische Militär hat am Donnerstag erneut Ziele im Gazastreifen angegriffen und zwei weitere Kommandeure der militanten palästinensischen Gruppe Islamischer Dschihad getötet. Es handelt sich um zwei ranghohe Mitglieder der Raketeneinheit der Organisation, deren Wohnorte im südlichen Gazastreifen angegriffen wurden. Zwei weitere Dschihadisten wurden ebenfalls getötet. Zuvor hatten Militante aus Gaza mehrere hundert Geschosse auf Israel abgefeuert. Die palästinensischen Angreifer in Gaza unterscheiden generell nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen.

Seit Beginn der jüngsten Eskalation in der Nacht auf Dienstag hat Israel fünf ranghohe Militante getötet und mehr als 160 Ziele angegriffen. Die Angriffe waren gezielt, gleichzeitig aber nahm das Militär die Tötung von etlichen Zivilisten in Kauf, da die Kommandeure an ihren privaten Wohnorten angegriffen wurden.

Auf palästinensischer Seite wurden seit Dienstag mehr als 25 Menschen getötet und rund 80 verletzt; unter den Toten sind viele Frauen und Kinder. Nach israelischen Angaben gehen einige der Todesopfer auch auf Raketen des Islamischen Dschihad zurück, die im Gazastreifen niedergingen. Auf israelischer Seite sind bislang keine Toten oder Verletzten zu verzeichnen, jedoch heulten immer wieder Sirenen und eilten die Menschen in der Grenzregion sowie im Großraum Tel Aviv in Schutzräume.

Bei dem Angriff auf den Kommandeur der Raketeneinheit des Islamischen Dschihad, Ali Ghali, am Donnerstagmorgen sei nur dessen Wohnung getroffen worden, der Rest des Gebäudes sei intakt, sagte ein israelischer Militärsprecher. „Die Wohnung wurde sehr präzise anvisiert.“ Über getötete Familienangehörige, wie bei den Angriffen am Dienstag, wurde nichts bekannt.

Die Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council forderte beide Seiten auf, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten. „Die wahllosen Angriffe auf Zivilisten in Gaza und Israel müssen aufhören“, teilte Caroline Ort, Palästina-Direktorin der Organisation, mit. „Israel muss sich an das Völkerrecht halten und zwischen Zivilisten, die direkt an den Feindseligkeiten beteiligt sind, und solchen, die dies nicht oder nicht mehr sind, unterscheiden. Der Islamische Dschihad darf keine direkten oder wahllosen Angriffe auf israelische Zivilisten durchführen.“ Ort wies darauf hin, dass ein Sechsjähriger in Gaza im Schnitt jedes Jahr Gewalt erlebt habe. Es gebe kaum ein Haus in Gaza, das nicht schon von Tod oder Zerstörung betroffen war.

Treffen in Berlin

Während die Gewalt eskaliert, laufen Bemühungen um eine Waffenruhe, die bis Donnerstagnachmittag allerdings zu keinem Ergebnis führten. In dem Konflikt vermittelt allen voran Ägypten, das eine Grenze mit dem Gazastreifen hat und seit 1979 mit Israel friedliche Beziehungen unterhält. Ägyptens Außenminister veröffentlichte gemeinsam mit seinem jordanischen Amtskollegen sowie den Außenministerinnen Deutschlands und Frankreichs einen Aufruf, das Blutvergießen zu stoppen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte während einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin den „Raketenterror“ aus Gaza, betonte jedoch auch, Israel habe zwar das Recht, sich zu verteidigen, zugleich aber die Pflicht, die Zivilbevölkerung zu schützen und Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Während am Donnerstag eine Waffenruhe in erreichbarer Nähe schien, dürften die Spannungen nächste Woche weiter steigen. Am Montag jährt sich die als Nakba bezeichnete Flucht und Vertreibung hunderttausender Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im Zuge der Gründung Israels zum 75. Mal. Freitag ist ein Flaggenmarsch in Jerusalem geplant, mit dem ultrazionistische Israelis die Eroberung Ostjerusalems 1967 feiern. Vor zwei Jahren war es rund um den Marsch zu Gewaltausbrüchen gekommen.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es ist schon tendenziös zu nennen, dass die Taz ohne weiteren Kommentar ein Bild von einer Trauerfeier für ein Mitglied des »Islamischen Dschihad« abdruckt, natürlich mit dem weinenden/schreienden Kind als emotionales Zentrum des Bildes. Berichterstattung läuft auch über Emotionen, und welche davon hier unter Auslassung und Suggestion welcher Informationen gezeigt werden, ist ganz im Sinn des auch sonst in der deutschen Presse immer wieder hochgehaltenen Narrativs: Die Bevölkerung des Gaza-Streifens leide passiv und gleichermaßen unter der Gewalt »beider Seiten«. Keine Irritation kommt auf bei der neutral wiedergegebenen Feststellung, WEN die beiden da im Bild eigentlich betrauern – und welche ideologische Verstrickung zugunsten des antisemitischen »Islamischen Dschihad« dafür nötig ist.

  • Die politischen Akteure im Gaza-Streifen, also die Hamas, will weiterhin Terror schüren. Wenn es abebbt, dann werden einfach wieder ein paar Raketen gezündet. Die Antwort kommt promt.



    Nur dumm, dass auch Kinder geopfert werden.

  • Beide Seiten schießen gerne auf Menschen. Ist einfacher als verhandeln.

    • @Kappert Joachim:

      Auf der pelästinensischen Seite haben wir die Antisemiten von Hamas und PIJ, die Irael vernichten wollen, und auf der israelischen Seite haben wir Juden, die dagegen sind. Worüber soll da verhandelt werden?

      • @h3h3y0:

        Auf den Punkt gebracht!



        Alle Ehre!

  • Der Palästinensische Islamische Jihad steht ideologisch dem iranischen Regime sehr nahe.



    Er wirbt Jugendliche für Selbstmordattentate an.



    Sein Repertoire reicht vom klassischen Selbstmordattentat über den Heckenschützen bis hin zu Raketenangriffen.



    Bekanntheit hat diese Gruppe erlangt durch Sprengstoffanschlag auf die amerikanische Botschaft in Beirut 1983, die Steinigung von zwei entführten 14-Jährigen 2001 und ein Autobombenanschlag auf einen Bus, bei dem im Juni 2002 17 Menschen starben.



    Friedensgespräche mit Israel lehnt der PIJ grundsätzlich ab, weil er ja die Existenz Israels bereits ablehnt.

    Bei den Getöteten handelt es sich um ranghohe Kommandeure dieser Gruppe.

    Ich weiß nicht, ob es angebracht ist, dass die Taz deren Tötung wirklich mit dem emotionalisierenden Foto eines weinenden kleinen Kindes illustriert.

    Mit was für Fotos würde die Taz denn Artikel über andere Terrorgruppen unterlegen?

  • Die palästinensischen Terroristen greifen grundsätzlich Zivilisten an, während die israelische Armee ausschließlich militärische, bzw. terroristische Ziele bekämpft. Dies ist mindestens schon so lange so, seitdem ich lesen kann. Würden die Angriffe gegen Israel heute enden, wäre die tödliche Gewalt für jetzt und zukünftig Geschichte. Würden die Israeils heute aufhören zu kämpfen, würde der Terror gegen Israelis heute und in Zukunft weiter gehen. Die tödliche Gewalt und Aggression geht einseitig von der palästinensischen Seite aus. Israel kämpft gegen Gewalt und für Demokratie und Menschenrechte, seitdem dieser Staat existiert.

    • @Klaus Kuckuck:

      Ihre Sicht hat leider wenig mit der Realität vor Ort zu tun.