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Gewalt in Afghanistan hält anFriedens-Loja-Dschirga ohne Wirkung

Nach der Ratsversammlung gibt es Zweifel, ob es die Regierung mit dem Schutz der Frauenrechte ernst meint. Die Angriffe der Taliban gehen weiter.

Können sich auf die Regierung nicht verlassen: Frauen bei der Friedens-Loja-Dschirga in Kabul Foto: ap

Berlin taz | Die 3.200 Delegierten der um einen Tag verlängerten Konsultativen Friedens-Loja-Dschirga haben am Freitag abend 23 Empfehlungen verabschiedet. Diese erklärte Staatspräsident Ashraf Ghani in seiner Abschlussrede umgehend zu einem „Fahrplan“ für Friedensverhandlungen mit den Taliban.

Doch die kriegerische Gewalt ging am Wochenende gleich massiv weiter, als hätte die von der Regierung einberufene Versammlung gar nicht stattgefunden. So gab es einen Taliban-Angriff auf das Polizeihaupthauptquartier der Provinz Baghlan in Pul-e Khumri. Sechs Tote gab es bei einem Doppelbombenanschlag in Khost. In Paktika wurde der Chef der Provinzverwaltung für Arbeit und Soziales ermordet. In Kabul wurde bei dem Anschlag auf ein Mitglied des Senates dessen Frau getötet. Zudem gab es Bombenanschläge und Erschießungungen von Polizisten in den Provinzen Nangrahar, Kandahar, Sabul und Wardak sowie Gefechte in Dschausdschan und Farjab sowie in den Außenbezirken der Großstadt Ghazni.

Die große Ratsversammlung (Loja Dschirga) hatte die Notwendigkeit eines schnellen Waffenstillstands, die Beendigung der Einmischung ungenannter Nachbarstaaten – das meinte vor allem Pakistan –, den Abzug ausländischer Truppen „nicht vor dem Beginn von Direktverhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban“, die Wahrung der Frauenrechte und anderer Errungenschaften der Nach-2001-Ära und sowie die Repräsentanz von Frauen im künftigen Verhandlungsteam der Regierung empfohlen.

Zustimmung gab es zu von den Taliban geforderten Verfassungsänderungen, aber nur entsprechend des Prozederes, das in der gegenwärtigen Verfassung dafür festgeschrieben ist. Also eine weitere Verfassungs-Loja Dschirga soll es nur nach einem Friedensabkommen geben. Präsident Ghani kündigte zudem die Freilassung von 175 Taliban-Gefangenen von möglicherweise mehreren tausend an.

Starke Orchestrierung durch Regierung

Allerdings blieb wegen der Orchestrierung der Versammlung durch die Regierung, der weitreichenden inhaltlichen Vorgaben sowie des beschränkten Medienzugangs unklar, inwieweit die Forderungen tatsächlich die Diskussion in der Dschirga widerspiegeln. So fehlen im Abschlusskommuniqué einige Forderungen, die in den 50 Dschirga-Arbeitsgruppen aufgekommen waren, wie etwa dass die UNO die Friedensverhandlungen überwachen soll.

Auch war unklar, wie repräsentativ die Dschirga aufgrund der intransparenten Delegiertenwahl und des Boykotts durch führende Oppositionspolitiker war. Den Taliban wurde damit ermöglicht, die Legitimität der Dschirga und der Regierung in Kabul noch stärker als bisher in Frage zu stellen. Dass ausgerechnet Mitte voriger Woche, und damit noch während der Dschirga in Katars Hauptstadt Doha die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban wieder aufgenommen wurden, ist ein weiterer Affront für die Regierung in Kabul. Sie ist bisher von diesen Gesprächen ausgeschlossen.

Frauen waren in der Dschirga recht gut vertreten, aber nicht zu 50 Prozent, wie Aktivistinnen verlangt hatten. Knapp 30 Prozent der Delegierten sowie 13 Vorsitzende und 28 Sekretäre in den 50 Arbeitsgruppen waren weiblich. In den Debatten wurde aber auch deutlich, dass nicht alle Delegierten eine aktive Rolle von Frauen befürworten.

So berichtete die New York Times einen Vorfall, bei dem eine Frau am Sprechen gehindert werden sollte: „Setz dich, du solltest in der Küche sein und kochen“, habe ihr ein Delegierter aus Kandahar gesagt. Auch afghanische und soziale Medien berichteten über solche Vorfälle.

Die Regierung bleibt schwach

So können Frauen nicht damit rechnen, dass die afghanische Regierung ihre Forderungen vertreten wird, sollte es in Verhandlungen mit den Taliban hart auf hart kommen.

Nach der Loja Dschirga agiert die afghanische Regierung weiter nicht aus einer Position der Stärke, sondern der teilweisen – inneren wie äußeren – Isolation. Der Versuch, einen landesweiten Konsens über die Verhandlungsstrategie festzulegen, scheiterte auch am Boykott der Dschirga durch Oppositionspolitiker.

Solange die Taliban nicht mit der Regierung reden wollen, laufen alle Forderungen aus Kabul ins Leere. Das könnte allerdings auch viele Afghanen, die der Regierung sonst kritisch gegenüberstehen, zum Schulterschluss mit ihr zumindest in der Friedensfrage bewegen.

Wäre die Dschirga bereits im letzten Sommer unmittelbar nach den von beiden Seiten erklärten vorübergehenden Waffenruhen zum Id-Fest und damit vor dem Wahlkampf einberufen worden, hätte sie eine viel stärkere Wirkung entfalten können.

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2 Kommentare

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  • Nachtrag : Allein im vergangenen Jahr hatte Afghanistan infolge Kampfhandlungen mit Regierungs- & Internationalen Truppen rund 5000 Zivile Opfer - knapp ein Viertel davon Kinder - zu beklagen ( Quelle : UN Hochkommissariat ) . Insgesamt kamen nach konservativen Schätzungen während des Konfliktes in Afghanistan eine Viertel Million Zivilisten ( in Zahlen 250.000 ) ums Leben . Kein Wunder das die Afghanen ´Hilfsangeboten´ seitens Regierung & Internationaler Gemeinschaft welche hierfür mitverantwortlich sind eher skeptisch gegenüberstehen , wenn diese konsequent versuchen eine `Demokratie` via Drohnen , Drohungen und Bomben nach Afghanistan zu importieren .

  • Ein sehr guter & objektiver Artikel - Weiter so !..

    Zum Artikel : Fraglich bleibt ob die ( von den USA installierte ) Afghanische Regierung es insgesamt mit ihren unverbindlichen & an teilw. fragwürdige Bedingungen genüpften Verhandlungsangeboten ( um nicht zu sagen Lippenbekenntnissen ) insgesamt Ernst meint . Nachvollziehbar das die Mudschaheddin/Taliban es für sinnvoller erachten mit den USA direkt zu verhandeln , wenn die Regierung keine verbindlichen Zusagen ohne die USA machen kann . Fraglich bleibt auch ob es sinnvoll ist die Bevölkerung des Landes in Lebensweise & Traditionen zu bevormunden ( Wie würden wir Deutsche reagieren wenn uns CDU/CSU vorschreiben wollte wie wir & unsere Familien uns zu kleiden haben , das Bauern nur noch Feldfrüchte anbauen sollen die einerseits in den meisten Regionen nicht richtig wachsen und von deren Ertrag sie ihre Familien nicht ernähren können , oder dass für das Überleben notwendige Familienmitglieder sich zukünftig anstatt sich gemeinsam um den Lebensunter- & Haushalt zu kümmern nochmal in die Grundschule gehen sollen ? ) . Erst sobald die Menschen in Afghanistan ohne Beeinträchtigung ihren Traditionen & Menschenrechten nachgehen können und ( vor Allem ) sobald Sichere Versorgung & Überleben gewährleistet sind - was vielerorts z.Zt. definitiv nicht der Fall ist - wird der Widerstand gegen Regierung & Auslandshilfe nachlassen .