Gewalt gegen Reporterin in Tschetschenien: „Verschwindet von hier!“
Eine russische Journalistin der „Novaya Gazeta“ und ein Anwalt sind in Tschetschenien schwer verletzt worden. Sie wollten über einen Prozess berichten.
Pressefreiheit auf Tschetschenisch: Die russische Investigativjournalistin Jelena Milaschina, Mitarbeiterin der oppositionellen Novaya Gazeta, und der Anwalt Aleksandr Nemow sind bei einem Überfall in der Nordkaukasusrepublik schwer verletzt worden. Das teilten Menschenrechtsaktivist*innen von der Nichtregierungsorganisation „Gruppe gegen Folter“ am Dienstag mit.
Die beiden befanden sich auf dem Weg vom Flughafen in die tschetschenische Hauptstadt Grosny. Dort wollten sie an einem Prozess gegen Zarema Musajewa teilnehmen. Sie ist Mutter von drei tschetschenischen Oppositionellen, die aus Tschetschenien geflohen sind.
Im Januar 2022 war Musajewa in der russischen Stadt Nischni Nowgorod von tschetschenischen Sicherheitskräften entführt worden. Derzeit sitzt sie in Grosny in Haft. Die Vorwürfe lauten auf Betrug und Gewaltanwendung gegen einen Polizeibeamten. Am 15. Juni hatte die Staatsanwaltschaft fünfeinhalb Jahre Straflager gefordert. Genauso lautete das Strafmaß, das das Gericht am Dienstag verkündete.
Nach bisher vorliegenden Informationen soll der Wagen der Geschädigten von drei Fahrzeugen blockiert worden sein. Angaben des Anwalts zufolge seien sie getreten und unter vorgehaltener Waffe mit dem Tod bedroht worden. „Man hat euch gewarnt. Verschwindet von hier und schreibt nichts“, soll einer der unbekannten Täter gesagt haben.
Mehrmals das Bewusstsein verloren
Nach Berichten der russischsprachigen oppositionellen Novaya Gazeta Europe, die im Exil ansässig ist, sollen Milaschina an beiden Händen mehrere Finger gebrochen worden sein, sie habe mehrmals das Bewusstsein verloren. Zudem sei ein Schädel-Hirn-Trauma diagnostiziert worden. Im Netz kursiert ein Foto, das Milaschina mit bandagierten Armen zeigt, ihr Kopf ist geschoren und das Gesicht mit grüner Farbe beschmiert. Für Sergej Babinets von der „Gruppe gegen Folter“ besteht kein Zweifel, dass der Angriff in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der beiden Opfer steht.
Es wäre nicht das erste Mal. Bereits im Februar 2020 waren Milaschina und die Anwältin Marina Dubrowina in Grosny zusammengeschlagen worden. Auch damals waren sie auf dem Weg zu einem Prozess gegen den Autor eines Videos über Kadyrow und dessen Mitarbeiter. Besagter Kadyrow ist Präsident Tschetscheniens und für seine Brutalität berüchtigt. Ein Teil seiner Truppen kämpft an der Seite Russlands in der Ukraine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt