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Gewalt gegen FrauenLass uns joggen gehen!

Sibel Schick
Kommentar von Sibel Schick

Weil der Vergewaltiger in Leipzig noch nicht gefangen wurde, rät die Polizei Frauen, nicht mehr alleine zu joggen. Was geht?

Zu zweit zu joggen ist keine Lösung Foto: ap

F rauen sollen vorerst lieber nicht alleine joggen gehen – so lautete am Wochenende die Empfehlung der Leipziger Polizei. Der Grund: Ein Mann hatte am vergangenen Donnerstagmorgen eine Joggerin verletzt und vergewaltigt. Der etwa 25 bis 35 Jahre alte Täter ist noch auf freiem Fuß, die betroffene Frau beschrieb ihn als „südländischen Typ“. Grund genug für die AfD, ihr rassistisches Larifari rauszulassen: Die Partei veröffentlichte am Sonntag eine Neun-Punkte Liste auf Facebook, die Frauen als „Selbstverteidigungstipps gegen Merkels Gäste“ dienen soll. Unter anderem wird vorgeschlagen, schon mal für ein Laufband zu sparen, weil man bald nicht mehr im Freien joggen könne. Und Punkt Nummer 9 lautet: „Wähle am 24.9. die AfD“. Die Antivergewaltigungspartei im Dienst. Aber irgendwie nur gegen ausländische Vergewaltiger.

Dass die AfD eine öffentliche Diskussion ausnutzt, um Hass zu predigen, und pauschal gegen alle Ausländer zu hetzen, ist ja kein neues Phänomen. Das Entscheidende hier ist die Ansage der Leipziger Polizei, nämlich ihr Aberglaube, dass es eine Lösung sei, nicht mehr alleine zu joggen: „Es wäre besser, zu zweit joggen zu gehen, oder zumindest zu schauen, ob immer jemand anderes irgendwo in der Nähe ist“, sagte ein Sprecher der Polizei der Leipziger Volkszeitung. Hysterie schüren wolle er damit aber nicht. Dass diese Ansage viele Frauen davon abhalten könnte, überhaupt joggen zu gehen, kalkuliert der Polizeisprecher nicht ein. Die Verantwortung der Polizei liegt nicht darin, Frauen Angst zu machen und sie so versuchen aus dem öffentlichen Raum auszuschließen, sondern darin, sie zu schützen. Wer zu Hause bleiben sollte, sind die Vergewaltiger – nicht die Frauen.

Früher hieß es bei Vergewaltigungen, eine Frau habe nachts in einem Park nichts zu suchen. Sie solle gefälligst zu Hause bleiben, wenn sie sich nicht vergewaltigen lassen möchte. Sie hätte davon rennen sollen, sonst sei es nicht glaubhaft, wenn sie behauptet, es sei nicht im Einvernehmen geschehen. Und jetzt wird eine Frau tagsüber vergewaltigt, die ja sogar praktisch dabei war, zu laufen. So langsam gehen uns die Mittel des Victim Blamings aus.

Selbstverteidigung ist ein Recht, darüber muss nicht gestritten werden. Aber wenn die Frauen anfangen einfach zu Hause zu bleiben, weil sie nicht vergewaltigt werden wollen (egal von wem), wird ihr Zugang zur Öffentlichkeit und somit zum Leben und zur Welt begrenzt. Für all die Generationen der Frauen, die lange für einen Platz in der Öffentlichkeit gekämpft haben und noch immer kämpfen, für alle Frauen in der Welt wäre das eine Niederlage.

Wenn unser Lebensstil ange- griffen wird, können wir uns solidarisieren

Und wenn wir Vergewaltigungen zu Selbstverständlichkeiten erklären, die man nicht verhindern kann; wenn wir es einsehen, uns daran zu gewöhnen, und unser Leben dementsprechend anzupassen, können Frauen am Ende nur noch an Vergewaltigungen denken. Sie müssen in ständiger Angst leben, weil die Last der Verantwortung gänzlich ihnen aufgeladen wird, und nicht den wahren Verantwortlichen: jenen Männern, die vergewaltigen.

Wenn unser Lebensstil angegriffen wird, können wir uns solidarisieren. Wie nach Terroranschlägen brauchen wir klare Zeichen: Das lassen wir uns nicht gefallen. Wir sollten die Straßen und die Plätze besetzen, raus gehen, es ablehnen, uns an Gewalt zu gewöhnen und in Angst zu leben. Genau jetzt ist die Zeit für Frauen, joggen zu gehen.

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8 Kommentare

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  • Wer zu Hause bleiben sollte, sind die Vergewaltiger – nicht die Frauen.

     

    Genau!

     

    Nur wie kriegt man denen das vermittel?

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Frau stelle sich vor, in der Schule ist Amokalarm, eine Person wurde bereits vom Amokläufer getötet. Nun die Schulleitung ruft über Lautsprecher dazu auf, der Amokläufer solle sich trollen und alle anderen sollten bitte wie gewohnt ihren üblichen Verrichtungen nachgehen. Ähnlich disparat ist die "Argumentation" der Autorin.

  • Irgendwo in Leipzig gibt es jemanden der eine Joggerin vergewaltigt hat, es gibt einen Verdacht auf ähnliche Taten zuvor und nun kann man davon ausgehen dass es die Tat wiederholt wird.

     

    Die Polizei warnt davor alleine zu joggen (und versucht auch den Täter zu ergreifen).

    Nun könnte man meinen das die Gesellschaft sagt: Ok, da ist jemand unterwegs, Frau alleine-Joggerin ist potentiell gefährdet und sollte darüber nun zumindest Bescheid wissen.

     

    Weit gefehlt, weil das Aussehen des Täters einen Migranten/Flüchtling vermuten lässt gehen nun alle Sicherungen los:

     

    Nun dröhnt von der rechten Seite der "alle-Ausländer-sind-Triebtäter" Zirkus und von der linken Seite kommt der übliche "das-ist-victim-blaming", "Polizei-ist-scheisse", "der-Polizeisprecher-ist-ein-Mann-und-darf-da-nicht-mitreden" und "Vergewaltigungen-durch-Inländer-sind-das-größere-Problem" Quark. Die Politik gibt sich auch die Ehre und kritisiert die Polizei weil "logisch-sind-wir-sicher-und-was-anderes-darf-man-nicht-sagen-denn-das-würde-heissen-dass-wir-was-nicht-richtig-machen".

  • Der Polizeisprecher - ein Mann- glaubt das zu dürfen, was viele andere Männer auch meinen zu dürfen: den Frauen vorschreiben wie sie sich im öffentlichen Raum zu bewegen haben. Diese brutale Vergewaltigung ist erschütternd, aber der Polizeisprecher erwähnt, wider besseres Wissen, nicht die längst bekannten Fakten zu Vergewaltigungen. Brutale Sexualdelikte wie das in Leipzig sind nicht häufig. Die grosse Mehrheit der Frauen wird von Ehemännern, ehemaligen Partnern oder Kollegen vergewaltigt, verprügelt, umgebracht. Dieses gravierende Problem löst man nicht, indem man Frauen Angst macht, sich frei zu bewegen. So stempelt man Frauen zum geborenen Opfern. Dabei müsste man Frauen jetzt aufrufen: Lernt euch zu wehren, macht Karate oder Judo, geht in einen Selbstverteidigungskurs oder in Boxunterricht! Das macht selbstbewusst und es hilft gegen Angst.

    • @ecox lucius:

      @Die grosse Mehrheit der Frauen wird von Ehemännern, ehemaligen Partnern oder Kollegen vergewaltigt, verprügelt, umgebracht.:

       

      Diese Täter sind dem Opfer bekannt, werden sofort gefasst und stellen keine mehr Gefahr dar. Der Überfalltäter ist weiterhin flüchtig und kann seine Taten fortsetzen. Das ist der Unterschied. Und glauben Sie im Ernst, eine Frau, auch wenn sie Kampfkunst übt, kann nach dem überrsachenden Schlägen hinterrücks etwas zu wehr setzen? Freund, das leben und das kino sind nicht ein und dasselbe.

  • Hilft nicht. Angst oder auch nur Unsicherheit wirkt viel tiefer als solche Aufrufe und Vernunft allgemein. Damit lässt sich vortrefflich spielen und das weiß die AfD ganz genau. Man muss sich nur tief genug sinken lassen, dann geht das alles wie von selbst.

  • Völlig am Ziel vorbei. Die Polizei berichtet hier von einer konkreten Gefahrenlage und rät Gefährdeten zu Vorsicht. Daraus ein Victim Blaming zu konstruieren ist einfach nur daneben. Sozusagen mit der Schrotflinte in die falsche Richtung geschossen.

    • @arwate:

      Sehe ich genau so. Wenn es irgendwo einen Terroranschlag gab, die Terroristen flüchtig sind und die Polizei deshalb rät zu Hause zu bleiben, so ist das auch kein Victimblaming und niemand würde einen Artikel darüber schreiben, dass doch stattdessen die Polizisten die Terroristen auffordern sollte, zu Hause zu bleiben.

      Victimblaming war ein Problem gegenüber Frauen - heute wird Victimblaming dagegen vorschnell vermutet. In anderen Bereichen allerdings gibt es nach wie vor Victimblaming und niemand regt sich darüber auf. So z.B. bei Verkehrsunfällen. Da nehmen abbiegende LKW-Fahrer_innen Radfahrer_innen die Vorfahrt, überrollen und töten sie und im Polizeibericht steht kein Aufruf an die Tätergruppe doch die Verkehrsregeln zu beachten, sondern nur der Hinweis, dass das Opfer keinen Helm trug. Allerdings blieb der Kopf unverletzt und die tötlichen Verletzungen waren an anderer Stelle.