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Gesundheitsversorgung für WohnungsloseMehr als nur das Nötigste

Wohnungslose Menschen ohne Krankenversicherung werden meist nur im Notfall behandelt. Ein Gremium soll Ideen zur Verbesserung der Situation vorlegen.

Oft der einzige Ort, an dem Wohnungslose medizinisch versorgt werden Foto: IMAGO / CHROMORANGE

Berlin taz | Krankheit macht arm und Armut krank: Ein Teufelskreis für wohnungslose Menschen, denn sie haben oft keine Krankenversicherung. Wer dann medizinische Hilfe braucht, für den kommt meist nur die Notfallversorgung im Krankenhaus in Frage.

Seit 2018 gibt es in Berlin zwar eine Clearingstelle für Menschen ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Menschen, bei denen ein Versicherungsschutz auch nach dem „Clearing“ nicht möglich ist – vor allem mittellose EU-Bürger:innen und Menschen ohne Aufenthaltsstatus – können aber kaum mehr als mit einer Basisversorgung rechnen.

Außerdem werden wohnungslose Menschen nach einer Notfallbehandlung aus den Krankenhäusern meist entlassen, bevor der Heilungsprozess abgeschlossen ist. Für Menschen, die nicht in einer Wohnung vollständig genesen können, sondern auf die Straße entlassen werden, ist das ein Problem, denn so drohen die Wunden sich zu entzünden.

Schätzungen zufolge leben mindestens 50.000 Menschen ohne Wohnung in Berlin, immer mehr von ihnen kommen aus dem Ausland und haben keinen Anspruch auf einen Versicherungsschutz über das Sozialamt. Ihre oftmals prekäre Gesundheitssituation sorgt für eine hohe Übersterblichkeit in der Gruppe, 76 Prozent der wohnungslosen Menschen sind außerdem von teils schweren psychischen Erkrankungen betroffen: substanzbezogene Abhängigkeit, schwere Depressionen oder psychotische Erkrankungen kommen deutlich gehäuft vor.

Die Landesgesundheitskonferenz, die den Berliner Senat berät, hat nun eine Untergruppe einberufen, die auf wohnungslose Menschen ausgerichtete Gesundheitsziele auf den Weg bringen soll. Am Mittwoch stellte das Gremium mit Mitgliedern aus Senatsverwaltungen, Ärztekammern, Gesundheitsämtern und NGOs seine ersten drei Teilziele vor. Diese seien sehr elementar, hieß es, denn es müssten erst mal Grundlagen geschaffen werden. Eine berlinweite Strategie gebe es bislang nicht.

Bessere Finanzierung notwendig

Alle Vorhaben sollen möglichst schnell umgesetzt werden, danach könnten weitere Ziele erarbeitet werden. Bis Juli 2024 will das Gremium zunächst ein Konzept für niederschwellige Gesundheitsversorgung erarbeiten, denn die vorhandenen Hilfen und Angebote erreichten Bedürftige häufig nicht. Menschen, die nicht in der Regelversorgung behandelt werden, stünden einem sehr komplexen System gegenüber. Der hohe Navigationsaufwand sei für sie meist nicht zu leisten.

Ebenfalls 2024 soll ein Konzept zur Gesundheitsberichterstattung vorliegen, 2025 der erste Bericht. Bislang fehlten nämlich die Daten zum Gesundheitszustand wohnungsloser Menschen, die als Grundlage für weitere Maßnahmen nötig wären. Außerdem soll ein Expertennetzwerk aufgebaut werden, in dem ein regelmäßiger Austausch zur gesundheitlichen Versorgung wohnungsloser Menschen stattfinden soll.

Alle Beteiligten äußerten Bedarf nach besserer Finanzierung, um die Gesundheitsversorgung wohnungsloser Menschen nachhaltig zu verbessern. Die Krankenhäuser kämen zwar ihrer Verantwortung nach und behandelten Menschen auch ohne Versicherung, blieben deshalb aber jährlich auf Kosten von 10 bis 15 Millionen Euro sitzen, so Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft.

Laut Burkhard Ruppert, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung, sind alle notwendigen Regelungen eigentlich vorhanden, Menschen könnten sich versichern lassen. Das Problem sei nur, dass die entsprechenden Angebote nicht angenommen würden. Dem widersprach Kai-Gerrit Venske vom Caritasverband: „Wir wissen von genug Notfällen, in denen die Menschen abgewiesen werden“. Zudem seien viele der wohnungslosen Menschen nicht dazu berechtigt, über das Sozialamt krankenversichert zu werden. Das Grundproblem bleibe: Es sei nicht genug Geld im System vorhanden.

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1 Kommentar

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  • "Laut Burkhard Ruppert, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung, sind alle notwendigen Regelungen eigentlich vorhanden, Menschen könnten sich versichern lassen. Das Problem sei nur, dass die entsprechenden Angebote nicht angenommen würden."



    Sehr traurig, dass der sowas behauptet, obwohl er es zweifellos sehr viel besser weiß:



    1. Viele dauerhaft legal hier lebende Nichtdeutsche sind gesetzlich vom Zugang zur GKV ausgeschlossen, auch die sehr teuere PKV weigert sich dann sie zu nehmen (zB § 5 Abs. 11 SGB V, zB Einreise im Alter von Ü55)



    2. Viele Deutsche und Nichtdeutsche sind gesetzlich vom Zugang zur GKV ausgeschlossen, können sich aber die sehr teuere PKV einfach nicht leisten (zB bisher Selbständige)



    3. Arbeitssuchende Unionsbürger*innen erhalten oft gar keine Sozialleistungen vom Jobcenter und werden dann auch ausgeschlossen aus der GKV



    4. Wegen der in immer mehr Bereichen oft erst nach monatelanger Wartezeit Anträge und Rechtsansprüche bearbeitenden öffentlichen Verwaltung in ganz Berlin (Meldestellen, Ausländerbehörde, Sozialämter, Jobcenter, Jugendämter usw.) werden viele legal hier lebende Menschen durch die Behörden de fakto aufenthalts- und/oder sozialrechtlich illegalisiert.



    5. Ausgeschlossen sind neu ankommende Asylsuchende in Berlin, weil es bis zur Ausstellung der ihnen zustehenden Krankenkassenkarte aufgrund Bürokratieversagens derzeit 6 Monate dauert.



    6. Praktisch ausgeschlossen sind auch sehr viele Menschen in besonderen sozialen Problemlagen, die es zB aufgrund gesundheitlicher oder psychischer Beeinträchtigungen nicht schaffen die nötigen Anträge zu stellen und mit der erforderlichen Hartnäckigkeit zu verfolgen, sowie Menschen ganz ohne legalen Aufenthaltsstatus.