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Gespräche zwischen USA und TalibanÜber die Köpfe der Afghanen hinweg

USA und Taliban wollen eine Nachkriegsordnung festlegen. Beobachter fürchten, dass die Demokratie nach dem Abkommen nicht lange anhalten wird.

„Signifikante Forschritte“ sieht US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad (Archivfoto von 2009) Foto: ap

Berlin taz | Konturen eines möglichen Abkommens zur Beendigung des Krieges in Afghanistan zeichnen sich ab. Nach tagelangen Verhandlungen mit Vertretern der Taliban im Golfemirat Katar ist US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad am Sonntag in Afghanistans Hauptstadt Kabul eingetroffen, um die Regierung dort über den Gesprächsstand zu informieren.

Die USA seien bereit, binnen 18 Monaten ihre Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, hieß es aus Kreisen der Taliban-Unterhändler gegenüber Reuters. Der Abzug aller 22.000 ausländischen Truppen, zwei Drittel davon US-Amerikaner, ist die Kernforderung der Aufständischen. Der 18-monatige Zeitrahmen wäre neu und hört sich logistisch machbar an. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed dementierte dieses Detail allerdings – möglicherweise ein Versuch, das offenbar vereinbarte Stillschweigen über Details zu wahren, das das Nachrichtenleck verletzte.

Die Taliban, hieß es weiter, seien im Gegenzug bereit, zuzusichern, dass das Land nicht wieder wie vor 2001 Basis islamistischer Terrorgruppen wird. Das ist das politische Hauptziel der USA. Al-Qaida hatte die Anschläge vom 11. September 2001 von Afghanistan aus geplant oder zumindest inspiriert.

Die Taliban verfolgen aber in der Praxis eine rein nationale Agenda. Eine Präsenz der in Afghanistan inzwischen marginalisierten dschihadistischen al-Qaida nach einem Friedensschluss würde unnötige Aufmerksamkeit auf ihre noch immer rückwärtsgewandten Innenpolitik richten.

Die Gespräche dauerten länger als je zuvor

US-Außenminister Mike Pompeo sprach deshalb von einem „Durchbruch“, die Taliban von „Fortschritten“. Aber Optimismus zu verbreiten gehört zum diplomatischen Grundhandwerk. Khalilzad sagte auch, mit den Taliban sei vereinbart worden, dass nichts als vereinbart gelte, solange nicht alles vereinbart sei.

Die Dauer dieser letzten Gesprächsrunde – sechs Tage, länger als je zuvor – zeigt, dass beide Seiten ernsthaft arbeiten. Der Optimismus soll auch US-Präsident Donald Trump besänftigen, dessen Anordnung eines Sofortabzugs nach wie vor im Raum steht.

Für einen geplanten US-Abzug setzt Khalilzad auf einen baldigen, „umfassenden“ Waffenstillstand. Vorbild ist eine landesweite dreitägige Waffenruhe über islamische Feiertage im vorigen Juni, die die Taliban ausnahmslos eingehalten hatten. Außerdem müsse es zu einem „innerafghanischen ­Dialog“ kommen.

Damit ist gemeint, dass die Regierung von Präsident Ashraf Ghani direkt in den Friedensprozess einbezogen werden muss. Dass die Taliban das bisher verweigern, ist die größte Hürde für ein Abkommen. Ihre jetzige – inoffizielle – Aussage, „andere Aspekte des Friedensprozesse“ könnten umgesetzt werden, „wenn die ausländischen Truppen abgezogen worden sind“, ändert ihre Haltung nicht. Ghani dürfte das nicht zufrieden stellen.

Eine nächste Verhandlungsrunde ist für Februar in Doha vereinbart. Es wird erwartet, dass sie aufseiten der Taliban dann von Mullah Abdul Ghani (Namensähnlichkeit zum Staats­präsidenten zufällig) geleitet wird. Er steht dem verstorbenen Talibangründer Mullah Muhammad Omar nahe, den die Aufständischen verehren und der einem Vertragsschluss Autorität verleihen würde.

Beobachter wie der Kabuler Journalist Sami Mehdi befürchten jedoch, dass nach einer US-Taliban-Direktvereinbarung über die Köpfe der Afghaninnen und Afghanen hinweg „Menschenrechte, Frauenrechte, Redefreiheit, die Einbeziehung der Minderheiten und ein demokratisches System nicht lange überdauern würden“. Auch Afghanistans derzeitige Eliten sind mehr an Machtsicherung als an Demokratie interessiert.

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6 Kommentare

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  • Bislang ist es noch keinem Land der Erde gelungen, Afghanistan einzunehmen. Erinnerlich ist mir folgende Beschreibung: "Das Land ist halb so groß wie Mitteleuropa und zerklüftet wie eine Eisscholle." Nachdem die USA nun mehr als zehn Jahre lang das Land mit Waffen vollgepumpt haben, mehrere Volksgruppen zu Kämpfern aller Art gemacht haben, kurzum: Das ganze Land völlig in die Steinzeit zurückgebombt haben und nichts als Chaos, Verzweiflung geschaffen haben, hauen sie endlich ab. Ich schätze mal, daß es mehrere Gernerationen dauern wird, bis das ganze auch nur halbwegs wieder in Ordnung gerät.

  • Wie bekommt es Peking nur hin in Afghanistan so unbeschadet durch die Warlords zu investieren? Oder machen die noch ihre Lerngeschenke? Versuche mir Umerziehungslager am Hindukusch vorzustellen...

  • Letztkich würde soein Abkommen darauf hinauslaufen, dass die Taliban und ihre mörderische Gesetzgebung das Land zurückerhalten und der Bürger-/Ethnienkrieg in Afghanistan wieder von Neuem beginnt.

    Al-Qaida war der einzige Grund für den ISAF-/RSM-Einsatz? Dann hätte man schon vor Jahren weggehen können. Daesh ist inzwischen stärker dort vertreten.



    Die US-Argumentation ähnelt der in Syrien: Gegner? Alle tot. Täuschen Sie sich mal nicht.

    • @Sven2000:

      War es nicht so, als die Taliban regierten gab es keinen Bürgerkrieg?



      Mir stellt sich die Frage, nach fast 40 Jahren fremder Einmischung, muss es den Afghanen nicht endlich möglich sein ohne den kolonialen Zwang ihr Land zu regieren?

      Und dann macht der letzte Satz im Artikel wenig Sinn, die Macht hatten bisher immer andere. Die letzte demokratische Regierung hat der Westen erfolgreich bekämpft und die Taliban waren nur eine Folge davon.

  • Die Taliban und der IS bomben gegen sämtliche Zivilisten in Afghanistan und ihnen soll die Macht übergeben werden?



    Grauenvoll!

    • @nzuli sana:

      Die Taliban kommen nur dann an die Macht, wenn sie stärker als die "demokratischen" Kräfte sind.

      Wer übergibt die "Macht" - die USA?

      Was ist die Alternativen - Taliban wegbomben durch die USA für alle Zeit?

      Befreiungs"kampf" gegen eine Besatzungsmacht geht nun mal nicht nur durch fromme Gebete. Jeder der bislang Afghanistan zu besetzen versuchte wusste genau worauf er sich einließ.