piwik no script img

Gespräche zwischen Taliban und RusslandAuch Moskau spielt die Taliban-Karte

Im Ringen um Frieden in Afghanistan hofiert nach der US-Regierung auch Russland die Taliban. Moskau lässt die Regierung in Kabul außen vor.

Gespäche in Moskau: Die Taliban sind jetzt sogar für Frauenrechte – ein bisschen Foto: Maxim Shemetov/reuters

Kabul taz | Die Szene im Moskauer Hotel Präsident war bemerkenswert: Die Spitzen afghanischer Fraktionen, die sonst die Taliban bekämpfen, Ex-Präsident ­Hamid Karsai und sogar ein früherer kommunistischer Minister beteten gemeinsam mit Taliban-Vertretern, von denen einer den Vorbeter machte. Danach gab es ein gemeinsames Frühstück und schließlich einen „innerafghanischen Dialog“. Das Treffen endete am Mittwoch, öffentlich war nur der erste halbe Tag.

Offiziell eingeladen hatte ein Verband der afghanischen Diaspora in Russland. Die Regierung in Moskau behauptete, sie habe nichts damit zu tun – im Gegensatz zu einer Vorgängerrunde im November 2018 unter Vorsitz von Außenminister Sergei Lawrow. Aber der Veranstaltungsort war identisch. Das Hotel gehört Russlands Präsidialverwaltung, so dass die Regierung dahinter zu vermuten ist.

Vertreter der Regierung in Kabul waren nicht geladen – ein Affront gegen Präsident Ashraf Ghani. Hofiert wurden Ghani-feindliche Fraktionen, von denen man offenbar hofft, dass sie ihn bei der Präsidentenwahl im Juli schlagen. Das Treffen könnten ihnen Auftrieb geben. Es ist zudem eine Parallelveranstaltung zu den Gesprächen, welche die USA seit Oktober 2018 im Emirat Katar mit den Taliban führten. Sie sollen Ende Februar weitergehen. Lawrow, der sich in Kirgistan aufhielt, warf den USA vor, die Taliban-Kontakte monopolisieren zu wollen.

Die Taliban standen in Moskau im Zentrum des Interesses. Ein diplomatischer Erfolg für sie. In seiner in Afghanistan übertragenen Einführungsrede wiederholte ihr Verhandlungsführer Scher Muhammad Abbas Stanaksai bis auf wenige Details bekannte Positionen. Er verteidigte den „Dschihad“ gegen die „US-Besatzer“, bekannte sich aber zu weiteren Gesprächen mit den USA.

Taliban verweigern Kabul Direktgespräche

Die Taliban, so Stanaksai, wollten in Konsultation „mit allen Afghanen“ ein „islamisches Regierungssystem“ schaffen und strebten keine „exklusive Herrschaft“ an. Afghanistans jetzige Verfassung sei aber vom Westen aufgezwungen und damit ein „Haupthindernis für den Frieden“. Sie müsse von afghanischen Islamgelehrten und Intellektuellen neu erarbeitet werden.

Die Taliban forderten, die Sanktionen gegen ihre Führer aufzuheben und ihre gefangenen Kämpfer freizulassen. Sie bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten, also jenen, die im Islam vorgesehen seien, wie lernen, studieren und – das war neu – „sich den Ehemann selbst auszuwählen“. Zugleich kritisierten sie, dass „im Namen der Frauenrechte“ Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden.

Die Taliban wollen Frauen angeblich gestatten, ihren Ehemann selbst auszuwählen

Die Regierung in Kabul erwähnte Stanaksai nicht explizit. Ihr verweigern die Taliban bisher Direktgespräche. Etwas Flexibilität ließ er aber erkennen, als er sagte, weitere innerafghanische Gespräche könnte es erst geben, „wenn der Abzug der US-Truppen begonnen hat“. Über einen Abzug – noch ohne Zeitplan – hatten sich beide Seiten in Katar prinzipiell verständigt. Positiv interpretiert, schließt Stanaksais Dialogangebot auch die Regierung ein, aber nur als eine unter mehreren Fraktionen.

Hoffnungen auf Frieden gedämpft

Das gefällt Präsident Ghani nicht. Dienstagabend sagte er im populärsten TV-Sender des Landes, die in Moskau vertretenen Politiker hätten keine Entscheidungskompetenz. Ein Friedensabkommen könne es nur mit Regierung und Parlament geben.

Spannungen zwischen dem afghanischstämmigen US-Chefunterhändler Zalmai Khalilzad und Ghani, der sich auch von den Verhandlungen in Katar überfahren fühlt, versuchte US-Außenminister Mike Pompeo beizulegen. Er sicherte Ghani telefonisch zu, dass dessen Regierung Teil des inner­afghanischen Dialogs sein müsse.

Auch Trumps Rede zur Lage der Nation nahm Brisanz aus der afghanischen Lage. Ein in Kabul befürchteter Sofortabzug könnte den Kollaps von Ghanis stark von US-Hilfe abhängiger Regierung herbeiführen. Trump machte jetzt einen Truppenabzug von Gesprächsfortschritten mit den Taliban abhängig. So dämpfen die letzten Entwicklungen Hoffnungen auf einen schnellen Friedensschluss, bringen aber auch mehr Realismus in die Debatte.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Es ist schon erstaunlich, dass man über 19 Jahre dazu gebraucht hat um zu erkennen, dass die verhassten Taliban in Gespräche einbezogen werden müssen. Kurt Beck hat in seiner Zeit als Vorsitzender der SPD, 2006-2008, bereits den Vorschlag dazu auf den Tisch gelegt. Die Reaktion der Unionsparteien waren unfreundlich und dumm. Mit Unionsparteien meine ich CDU/CSU, die ja auch bei uns für Innere Sicherheit und Wirtschaft die Kompetenz beanspruchen, und diese von den Medien auch stets zugesprochen bekommen. Wenn dem so wäre, dann hätte es keine NSU-Morde geben dürfen, dann würde eine AKK nicht bereits heute Unternehmersteuern senken wollen. Dann müsste diese darauf drängen, dass die Menschen ordentlich bezahlt werden, dass die Menschen einfach einkaufen können. Denn während das Geld der Firmen und Konzerne an die Aktionäre weitergereicht wird, anstatt es zu investieren, gibt der Arbeiter, die Arbeiterin das Geld aus; es fließt also zurück in den Wirtschaftskreislauf. Bei den Panama und ähnlichen Papers ist das nicht der Fall.

  • Nach dem Beispiel der USA, die ja aus Afghanistan abziehen wollen, werden die Taliban jetzt auf einmal als legitime Verhandlungspartner angesehen?!? Kaum zu fassen, dass die "Steinzeitislamisten", die Menschen ermorden, weil sie die falsche Frisur haben, den falschen Kontakt im Handy oder einen ausländischen Führerschein besitzen, sollen in sog. Friedensgespräche miteinbezogen werden? Ganz zu schweigen davon, dass diese Verbrecher in regelmäßigen Abständen selbst Massaker an der Zivilbevölkerung meist der Hazara begangen haben sollen sie als "Belohnung" sich jetzt noch als deren Schutzmacht aufspielen dürfen oder was? Welche Farce ist das denn? Was soll dabei heraus kommen, ein "Friedensprozess" wie ihn Israel/Palästina schon seit 60 Jahren führen oder ein Völkermord wie in Ruanda, wenn die von den USA installierte Regierung abgesetzt und die ehemals von ihr bekämpften an die Macht kommen????



    Irre, oder soll das ganze nur der Rechtfertigung der verstärkten Abschiebung und Verweigerung internationalen Schutzes für AfghanInnen dienen?

  • "Hoffnungen auf einen schnellen Friedensschluss"

    Was soll sich denn in Afghanistan durch einen Friedensschluss ändern? Das Problem sind zu viele Menschen ohne Perspektive. Wenn die "Perspektive" Kampf für oder gegen USA/Taliban wegfällt, gibt es nur noch mehr Menschen ohne Perspektive.

  • Wenn man das liest, fühlt man sich glatt zwanzig Jahre jünger, leider.