Gespräch unter Kopftuchträgerinnen: „Wer ist die Frau darunter?“
Muslimas und katholische Nonnen tragen Kopftuch. Aber die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. Schwester Ursula und Fatima El Sayed im Gespräch.
taz am wochenende: Frau El Sayed, Schwester Ursula, Sie gehören unterschiedlichen Religionen an, bedecken aber beide Ihre Haare. Wie ist es, wenn Sie einander so sehen?
Schwester Ursula: Ich habe sofort gedacht: Was für eine sympathische, schöne Frau.
Fatima El Sayed: Ich spüre gleich eine Verbundenheit. Mir ist bewusst, dass wir aus verschiedenen Kontexten kommen. Aber es gibt ein Gefühl von Gemeinsamkeit und Solidarität, auch wenn wir uns noch nicht kennen.
Wie kam es, dass Sie Schleier und Hijab tragen?
31, hat Arabistik und Politikwissenschaft studiert und war Mitglied des universitären Frauenrats. Zudem engagierte sie sich lange Zeit in der Jugendarbeit und im interreligiösen Dialog. Seit 2019 arbeitet sie als Referentin bei den Neuen deutschen Organisationen, einem bundesweiten Netzwerk von Initiativen, die sich für Vielfalt und gegen Rassismus engagieren
El Sayed: Ich bin in einer religiösen Familie groß geworden und habe mich früh mit dem Thema auseinandergesetzt. Mit 14, 15 habe ich entschieden, dass ich Kopftuch tragen möchte. Meine Eltern waren nicht begeistert. Die wissen um die Politisierung des Kopftuchs und die potentiellen Konflikte, die daraus erwachsen. Dadurch konnte ich aber viel für mich klären. Mir war klar, dass ich auf Widerstände stoßen würde. Aber das Tuch war Ausdruck eines inneren Prozesses und meiner Identität.
44, ist promovierte Pharmazeutin. Nachdem sie als Apothekerin und Dozentin für Ernährungslehre gearbeitet hat, trat sie 2006 ins Dominikanerinnen-Kloster Arenberg in Koblenz ein. Sie hält Vorträge unter anderem zu Heilkräutern oder Frauenkrankheiten, ist in der Seelsorge tätig und hat mehrere Bücher veröffentlicht
Sie haben es dann einfach aufgesetzt?
El Sayed: Als ich in den Sommerferien in Großbritannien war, um mein Englisch zu verbessern, habe ich es zum ersten Mal getragen. Die Gesellschaft dort ist multikultureller, es war einfacher. Nach den Ferien bin ich mit Kopftuch zurück an die Schule.
Schwester Ursula: Für mich war es ein langer Weg. Ich hatte durch mein Elternhaus einen freien, liberalen Zugang zum Glauben und war sehr früh sehr begeistert in der Kirche engagiert. Aber immer war klar: alles, nur nicht Kloster. Das war der Inbegriff einer Lebensform, die von Verboten geprägt ist. Da war der Gedanke: Du darfst nichts mehr, was Spaß macht, und musst nur noch Regeln befolgen.
Was hat Sie am Ende umdenken lassen?
Schwester Ursula: Ich habe dann als Apothekerin gearbeitet, dachte aber immer: Was mir wirklich wichtig ist, kommt in meinem Leben zu wenig vor. Als ich zum ersten Mal auf den Arenberg in Koblenz gekommen bin, fand ich die Art und Weise, wie die Schwestern dort Glauben leben und teilen, so powervoll, dass ich dachte, Wahnsinn, die machen genau, wonach du dich sehnst. Mit 30 bin ich eingetreten, ein Jahr später wurde ich eingekleidet. Ich habe meine Jeans in der Sakristei abgelegt und war ab sofort mit Schleier unterwegs. Das war trotz allem ein harter Schritt.
Der Schleier als notwendiges Übel?
Schwester Ursula: Ja. Dass sich dieser Orden für ein Kleid entschieden hatte, war die bittere Pille, die ich geschluckt habe. Ich musste mich dadurch aber auch damit auseinandersetzen, dass jetzt alle sehen, was mir heilig ist. Interessant war, dass das schon am Tag nach der Einkleidung kein Thema mehr für mich war. Ich trage nach außen, was ich liebe.
Wie waren die Reaktionen?
Schwester Ursula: Durchweg positiv. Das habe ich sofort gespürt, als ich auf die Straße gegangen bin. Menschen vertrauen mir ihren Koffer an, damit ich kurz darauf aufpasse. Oder es entstehen gute Gespräche. In besonders katholischen Gegenden wie zum Teil in Bayern werde ich manchmal auch zum Kaffee eingeladen, was ich aber ziemlich daneben finde.
Was stört Sie?
Schwester Ursula: Es gibt Leute, die es viel nötiger hätten, eingeladen zu werden. Ich möchte nicht in den Himmel gehoben werden, nur weil ich Schwester bin. Da wird eine Heiligkeit in mich reininterpretiert, die echt nervt. Aber ein zugewandtes Vorschussvertrauen, das finde ich schön.
El Sayed: Das gibt es bei mir leider nicht, im Gegenteil. Ich musste mich von Anfang an rechtfertigen. Schon auf dem Gymnasium war ich die Einzige mit Kopftuch. Mit Freundinnen habe ich darüber diskutiert, ob sie noch mit mir befreundet sein wollen.
Wie ist das heute?
El Sayed: Ich wünsche mir manchmal, dass das Kopftuch weniger aufgeladen wäre und ich unbemerkt damit rumlaufen könnte. Ich bin ein offener und positiver Mensch, aber die Anfeindungen, die ich erlebe, perlen nicht so leicht an mir ab. Einmal hat mir jemand „Terroristin“ hinterhergeschrien. Ein andermal hat ein Mann neben mir im Bus in meine Richtung gezischt: „am liebsten vergasen“.
Haben Sie reagiert?
El Sayed: Nein. Ich war ziemlich schockiert und hatte Angst, dass er übergriffig wird. Ich bin dann einfach sitzen geblieben. Ich räume nicht den Platz, nur weil mich jemand beschimpft.
Sind Sie schon mal körperlich angegriffen worden?
El Sayed: Nein, aber Frauen in meinem Umfeld schon. Wie krass es ist, kommt auch auf die Nachrichtenlage an. Wenn mediale Diskurse hochkochen, angeheizt durch Thilo Sarrazin zum Beispiel, oder als es wie vor vier Jahren die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht gab, ist die Situation für erkennbare Musliminnen schwerer.
Ist es auch eine Frage des Ortes, wie Ihnen begegnet wird?
Schwester Ursula: Ich werde in Berlin total oft für eine Muslima gehalten.
El Sayed: In Berlin empfinde ich es grundsätzlich als angenehmer als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, wo ich aufgewachsen bin. Ich werde zwar angepöbelt, aber gleichzeitig gibt es Menschen, die im Zweifelsfall Zivilcourage zeigen. Auch der soziale Raum spielt eine Rolle: In akademisierten Kreisen ist es enorm schwer, sich als kopftuchtragende Frau zu behaupten. Für viele ist das Tuch befremdlich. Mir wird Urteilsfähigkeit abgesprochen oder Bildung.
Schwester Ursula: Das passiert mir auch. Wenn ich mich dann als halbwegs intelligent erweise, sind die Leute überrascht. Im Kloster und trotzdem was in der Birne. Das finde ich schon krass.
El Sayed: Wenn ich mit Menschen persönlich spreche, ist es einfacher. Aber erst mal herrscht ein mediales Bild von der naiven und ungebildeten Muslima, das mir keine Individualität ermöglicht. Die muss ich mir immer erst erkämpfen.
Hatten Sie durch das Kopftuch konkrete Nachteile zum Beispiel in der beruflichen Laufbahn?
El Sayed: Ja. Ich wollte Lehrerin werden. Aber die Lage war damals sehr angespannt, es gab den Prozess um Fereshta Ludin, die vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatte, um im Unterricht Kopftuch tragen zu dürfen, und verlor. Ich wollte damals ein Praktikum an einer Schule machen, die entschied, dass ich das mit Kopftuch nicht dürfe. Das war der erste Schlag ins Gesicht. Danach dachte ich, nee, das tue ich mir nicht an. Ich habe mich dann anderweitig orientiert.
Wie würden Sie es erklären, dass die eine beleidigt wird und Nachteile durch das Kopftuch hat, die andere aber nicht?
Schwester Ursula: Menschen suchen Sündenböcke. Wenn eine Frau etwas verkörpert, was auch mit Bösem in Verbindung gebracht wird – sei es islamistischer Terrorismus, seien es Kinderschänder in der katholischen Kirche –, dann ist es leicht, mit Schimpftiraden anzufangen.
Das muslimische Kopftuch steht viel stärker in der Kritik.
El Sayed: Das bewegt sich in einem anderen historischen Kontext. Wenn wir uns die Entwicklung des Christentums und des Islams in Deutschland anschauen, ist das Christentum ganz anders verwurzelt. Der Islam wurde im Zuge von Kolonialismus und Imperialismus immer auch als das Fremde, das Bedrohliche dargestellt und wird heute oft auf seine extremistischen Auswüchse reduziert. In diesem Kontext werden Muslimas in Mithaftung genommen für Taten, die sie nicht begangen haben.
Kann es auch daran liegen, dass das Christentum den Schleier nicht allen gläubigen Frauen vorschreibt, der Islam aber schon?
Schwester Ursula: Die Gefahr von Unfreiheit und Unmündigkeit gibt es in allen Religionen. Bei meinem Schleier ist sie nur auf den ersten Blick nicht so ersichtlich. Für viele gehöre ich halt zu den paar Verrückten, die den Schleier noch freiwillig anziehen, weil der Orden es so will. Und im Islam ist es eben die Regel.
Wo sehen Sie die Gefahr der Unfreiheit im Christentum?
Schwester Ursula: Manche Menschen möchten die Freiheit, die von Gott geschenkt ist, gar nicht wahrnehmen. Heute ist vieles sehr beliebig geworden, dadurch nehmen wiederum extreme Tendenzen zu. Auch ein frömmelnder, rigider Katholizismus wird wieder attraktiver, der erlaubt und verbietet oder auch bestraft. Ich finde das erschreckend. Aber sein Gewissen anzuschalten und selbst zu urteilen, was gut ist und was schlecht ist, ist anstrengender, als nach starren Regeln zu handeln.
El Sayed: Wenn wir den Rechtsruck und antimuslimischen Rassismus in Deutschland sehen, wird klar, dass Einfachheit bequemer ist als Vielfalt und Komplexität. Beides erfordert die Fähigkeit, auch Spannungen aushalten zu können. Schubladen machen das leichter.
Trotzdem: Da ist Zwang, das Kopftuch zu tragen. Oder?
El Sayed: Ich sehe in meiner Religion sehr viele Freiheiten. Ich empfinde das Tuch nicht als einschränkend – es gibt mir Sicherheit. Es nimmt mir auch Druck, zum Beispiel den, mich einem oberflächlichen Schönheitsideal zu unterwerfen. Und es ist ein Ausdruck von Schlichtheit: In einer komplexen Welt werde ich durch meine Religion aufgefangen. Ja, klar, auch in Religionsgemeinschaften sollte der Anspruch da sein, alle Menschen so leben zu lassen, wie sie möchten. Daran können und müssen wir arbeiten. Aber wenn ich mich für meine Religion entscheide, weiß ich, worauf ich mich einlasse und tue das aus Überzeugung. Ich finde es problematisch, religiösen Frauen diese Entscheidungsfreiheit abzusprechen.
Schwester Ursula: Die Menschen, die wirklich Ernst machen mit ihrer Religion, die ihren Glauben leben, sich aber hinterfragen lassen, sind oft sehr unaggressiv. Suchende Menschen kommen sich nah. Die Gefahr geht von denen aus, die angstgesteuert Halbwahrheiten verbreiten, sich darin einmauern und sich Fragen nicht stellen. So funktioniert Leben nicht. So entsteht Fundamentalismus.
El Sayed: Das würde ich unterschreiben.
Legitimieren Sie nicht auch problematische Positionen innerhalb Ihrer jeweiligen Religion, indem Sie Schleier und Hijab tragen?
El Sayed: Ich verwehre mich dagegen, als Individuum dafür in Haft genommen zu werden, was von bestimmten Gemeinschaften innerhalb einer Religion propagiert oder vollzogen wird. Warum muss ich mich rechtfertigen, wenn es einen Anschlag gab? Wie kommen Menschen darauf, dass ich eine Verbindung zum Iran oder der Türkei habe? Offenbar gibt es gesellschaftliche Ängste und Unsicherheiten – und ich bin eine erkennbare Projektionsfläche dafür. Ich finde das kurios. Ich gehe ja nach rechtsextremen Anschlägen auch nicht auf weiße Männer zu und sage, na los, bezieht mal Stellung.
Schwester Ursula: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Welt durch unser Leben und unser Zeichen heiler werden kann. Wir ziehen ein Ordenskleid an, weil wir erkennbar und ansprechbar sein wollen. Die Frage ist, wer ist die Frau unter dem Schleier? Was macht die aus? Natürlich gibt es darunter unfreie Menschen. Aber es gibt eben auch extrem freie. Ich habe selten so freie Menschen kennengelernt wie im Kloster.
Was macht diese Freiheit aus?
Schwester Ursula: Viele Menschen draußen streben nach einer Vogelfreiheit, in der sie sich an nichts halten müssen. Die macht sie aber nicht glücklich, weil sie nicht wissen, wo sie hingehören. Die Freiheit, die im religiösen Kontext geschenkt wird, bedeutet Bindung. Das macht glücklich.
Schwester Ursula, fühlen Sie sich angesprochen, wenn alle paar Monate die Diskussion ums muslimische Kopftuch hochkocht?
Schwester Ursula: Schon, ja. Weil ich weiß, was es mit mir machen würde, wenn es verboten würde. Ich will mir nicht vorschreiben lasse, was ich trage, das ist eine private Entscheidung. Außerdem liebe ich es, wenn Religionsgemeinschaften erkennbar unterwegs sind. Ich mag das bei Juden, Buddhisten, Muslimas. Ich kann mir auch vorstellen, dass sich das Kopftuch nach und nach normalisiert.
Weil sich die Gesellschaft daran gewöhnt?
Schwester Ursula: Wir Ordensfrauen sterben aus. Wenn ich eine Schwester auf der Straße sehe, grüßen wir uns, als würden wir uns ewig kennen. Im Moment gibt es in Deutschland noch 3000 von uns, die wenigsten davon tragen ein Kleid. In den 60ern waren es Millionen. Das Bild einer Nonne wird von vielen Menschen einer älteren Generation noch als vertraut wahrgenommen. Das kann auch im Fall des Kopftuchs passieren. Ich finde das gar nicht problematisch.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Auch Feministinnen diskutieren das muslimische Kopftuch. Manche sagen, Frauen sollten selbst entscheiden, ob sie es tragen wollen. Andere lehnen es ab, weil es für patriarchale Unterdrückung steht. Haben Sie dafür Verständnis?
El Sayed: Die Fragen, die gesellschaftlich aufgeworfen werden, sagen oft mehr über die Gesellschaft aus als über die Subjekte, über die gesprochen wird. Frauen aus feministischer Sicht ein Kopftuch abzusprechen, ist doch selbst total paternalistisch. Da geht es nicht um mein Wohlergehen oder um die Perspektive von Frauen, die Kopftuch tragen. Da geht es darum, wie die Gesellschaft Frauen mit Kopftuch wahrnimmt.
Schwester Ursula: So darfst du sein, so darfst du nicht sein – davon müssen wir wegkommen.
El Sayed: Wie oft kommen wir in den Nachrichten vor? Die Debatte wird über unsere Köpfe hinweg geführt. Ja, es gibt einige sehr junge Mädchen mit Kopftuch, was problematisch sein kann. Aber hierzulande sind deutlich mehr Frauen mit Kopftuch von Rassismus und einer gravierenden Chancenungleichheit betroffen. Wem wirklich an den Opfern gelegen ist, der reagiert nicht mit Verboten.
Würden Sie sich als Feministinnen bezeichnen?
Schwester Ursula: Ich bin emanzipiert. Ich weiß, wer ich bin, was ich kann, woher ich komme und wohin ich gehe. Außerdem bin ich eine leidenschaftliche Kämpferin für Frauenrechte. Anfang März wäre ich gern zur UN-Frauenkonferenz nach New York geflogen, die wegen Corona leider nicht wie geplant statt gefunden hat.
El Sayed: Ich verstehe mich schon konkret als feministisch. Ich sehe mich aber weniger im Kontext des deutsch-weißen Feminismus, den ich oft einseitig finde und der People of Colour oder Menschen mit Migrationsgeschichte kaum einbezieht. In Bezug auf das muslimische Kopftuch ist oft der Vorwurf, das sei nicht mehr zeitgemäß. Für mich ist das immer wieder ein Gefühl von Fremdsein. Ich werde nicht anerkannt. Der muslimisch-intersektionale Feminismus denkt mehr Dimensionen von Identität mit, das repräsentiert mich eher.
Adressieren Sie den Antifeminismus in beiden Religionen?
Schwester Ursula: Es ist unsere Aufgabe, auch in Religionsgemeinschaften den Finger in die Wunde zu legen, laut zu werden und uns einzusetzen. Das mache ich intensiv. Aber Geschlechterungerechtigkeit gibt es ja nicht nur in Religionen. Ich erlebe das nicht stärker in der Kirche als in der ganzen Gesellschaft.
Es gibt meines Wissens keine weltlichen Jobs, die Frauen nicht antreten dürfen.
Schwester Ursula: Das stimmt, das ist ein spezifisch katholisches Problem, da arbeiten wir dran. Aber wie mit Frauen in dieser Welt umgegangen wird, ist doch global dramatisch. Ich finde es eine Unverschämtheit, das den Religionen zuzuschustern. Ja, die katholische Kirche steht noch am Anfang, was Frauenrechte angeht. Aber es gibt einen intensiven Dialog. Geschlechterungerechtigkeit ist kein religiöses Problem.
El Sayed: Klar, innerhalb von Religionsgemeinschaften wird sie religiös begründet. Aber es gibt auch muslimisch-feministische Koranexegese, die Texte reinterpretiert. Das ist sehr inspirierend. Aber das wird von der deutschen Mehrheitsgesellschaft so nicht wahrgenommen.
Schwester Ursula: Ich habe übrigens oft den Eindruck, dass es für viele Männer kaum zu ertragen ist, dass wir im Kloster einfach so ohne sie glücklich werden. Wir bekommen auch keine Kinder, was für viele Ordensfrauen durchaus eine sehr schwere Entscheidung ist. Frauen im Kloster waren schon immer emanzipiert. Auch früher, als es für sie noch nichts gab außer Heirat, gab es das Kloster, in dem sich extrem tolle Frauen fanden. Die haben für unsere Rechte sehr viel geleistet. Und sie haben sich nicht von irgendeinem Mann sagen lassen, wie sie ihr Leben gestalten.
Darf ich fragen, wer Sie ohne Kopftuch kennt?
El Sayed: Meine Familie.
Schwester Ursula: Meine Familie und die Arenberger Schwestern. Ab und zu auch Gäste im Kloster. Und zum Sport gehe ich in zivil.
Wäre ein Leben ohne Kopftuch für Sie vorstellbar?
El Sayed: Das kommt auf den Grund an. Wenn es eine innere Überzeugung wäre, klar. Aber für mich ist es eine Dimension meiner Beziehung zu Gott. Das Ablegen des Tuchs wäre ein Verlust. Wenn mir das jemand vorschreiben wollte, würde ich mich wehren.
Schwester Ursula: Ich habe einen durchaus nüchternen Zugang zum Schleier. Ich finde es beispielsweise auch ganz angenehm, mir nicht jeden Tag Gedanken um meine Frisur machen zu müssen. Wenn mir Menschen oder der Staat vorschreiben wollten, ihn abzulegen: Rebellion. Aber wenn wir in der Gemeinschaft beschließen würden, dass wir keinen Schleier mehr anziehen, weil wir zum Beispiel anders auftreten wollen – das wäre für mich total okay.
Das Gespräch wurde per Videotelefonat geführt.
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