Gesetzgebung gegen Rassismus: Das Sarrazin-Versprechen
Die Bundesregierung will prüfen, ob die Gesetze gegen Rassismus ausreichen. Die türkische Gemeinde macht jetzt Vorschläge, wie das aussehen könnte.
BERLIN taz | „Das Thema Rassismus kommt in der Ausbildung von Staatsanwälten, Richtern und Anwälten bislang zu wenig vor“, fürchtet Kenan Kolat, der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. „Bei der nächsten Justizministerkonferenz sollte darüber gesprochen werden, wie sich das verbessern lässt.“ Die bestehenden Gesetze gegen Volksverhetzung und Beleidigung reichten zwar aus, so Kolat. Nötig sei aber vielleicht „eine Klarstellung im Gesetz“, dass es auch Rassismus jenseits des klassischen Rechtsextremismus aus der Nazizeit gebe.
Kolat reagiert damit auf eine Ankündigung der Bundesregierung, die deutschen Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob sie genügend Schutz vor rassistischen Äußerungen bieten. Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort an den Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen zugesagt. Wie und in welcher Form diese „Überprüfung“ stattfinden soll, schreibt sie aber nicht. Kolat schlägt vor, einen Ausschuss aus Fachleuten und Ministerialbeamten einzurichten, der konkrete Verbesserungsvorschläge macht.
In ihrem Schreiben erklärt die Bundesregierung auch, sie habe die Berliner Staatsanwaltschaft gebeten, ihre Gründe für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Thilo Sarrazin zu überprüfen. „Ein Ermittlungsverfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden, wenn dazu ein Anlass besteht“, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums der taz. Ob im Fall Sarrazin ein Anlass besteht, dazu wollte sie sich nicht äußern. Kenan Kolat fordert von der Berliner Staatsanwaltschaft, das 2009 eingestellte Strafverfahren gegen Thilo Sarrazin wieder aufzunehmen. Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) solle die Initiative ergreifen.
Der Antirassismus-Ausschuss der UN hatte die Bundesrepublik im April dafür gerügt, dass die deutsche Justiz gegen Thilo Sarrazin völlig tatenlos geblieben war. Dabei hatte es gegen den früheren Berliner SPD-Finanzsenator eine Vielzahl von Klagen gegeben. Schon in einem Interview, das er der Kulturzeitschrift Lettre International im Jahr 2009 gab, hatte er den türkischen und arabischen Einwanderern Berlins kollektiv vorgeworfen, sie hätten „keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel“.
Außerdem unterstellte er ihnen die Absicht, die Bundesrepublik durch eine hohe Geburtenrate zu „erobern“. Später verdichtete er seine Weltsicht in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ zu einer allgemeinen Verblödungstheorie. Die Berliner Justiz hatte ein Verfahren gegen Sarrazin damals mit der Begründung eingestellt, dieser habe nicht zu Hass oder Gewalt aufgerufen, deshalb seien seine Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt. Nach der UN-Antirassismus-Konvention, die Deutschland unterschrieben hat, gehört die Verbreitung rassistischen Gedankenguts allerdings bestraft.
Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg hatte sich an den Antirassismus-Ausschuss der UN gewandt. Dessen Rüge wertet er als Erfolg – und wundert sich über das verhaltene Echo. „Den Thesen von Thilo Sarrazin wurde in den Medien damals viel Platz eingeräumt. Dass die UN-Rüge in den Medien jetzt vergleichsweise wenig Beachtung findet, wundert uns sehr“, so Kenan Kolat. Er findet, dass sich zumindest die Politik des Themas annehmen sollte – etwa in Form einer aktuellen Stunde im Bundestag. Doch er ist wenig optimistisch: „Auch von den Oppositionsparteien ist in dieser Hinsicht derzeit nur wenig zu hören.“
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