Gesetzesentwurf im generischen Femininum: „Gläubigerin“ und „Schuldnerinnen“

Ein Gesetzentwurf zum Insolvenzrecht treibt Seehofers Innenministerium auf die Barrikaden. Denn der Text ist im generischen Femininum verfasst.

Justizministerin Lambrecht und Innenminister Seehofer.

Justizministerin Lambrecht und Innenminister Seehofer bei einer Pressekonferenz 2020 Foto: M. Popow/imago

KARLSRUHE taz | Das Innenministerium hat einen Gesetzentwurf des Justizministeriums beanstandet, in dem fast durchgängig weibliche Sprachformen benutzt wurden. Anders als die Verwendung ausschließlich männlicher Formen sei dies unzulässig.

Konkret geht es um den 247-seitigen „Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“, mit dem eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Der Entwurf liegt bereits seit dem 19. September vor, wird aber erst seit dem Wochenende außerhalb von Fachkreisen diskutiert.

Bekanntheit erlangte der Entwurf erst seit das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet hat, dass der Gesetzentwurf fast durchgängig weibliche Bezeichnungen verwende. Mehr als 600 Mal heiße es „Gläubigerin“, „Schuldnerin“ oder „Geschäftsleiterin“, hat RND nachgezählt.

Das Justizministerium begründete dies damit, dass es im Insolvenzrecht vor allem um Unternehmen gehe, die in der deutschen Sprache überwiegend weiblichen Geschlechts sind, etwa die Aktiengesellschaft oder die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Allerdings sind im Gesetzentwurf auch Menschen wie „Verbraucherinnen“ erwähnt, die ein reales Geschlecht haben und nicht nur ein grammatikalisches Geschlecht.

Orientierungshilfe von 2008

Das Bundesinnenministerium hat inzwischen gegen den Gesetzentwurf Widerspruch eingelegt. Bei rein männlichen Sprachformen – dem generischen Maskulinum – sei anerkannt, dass sie für Menschen von männlichem und weiblichem Geschlecht gelten. Dagegen sei das generische Femininum zur Verwendung für weibliche und männliche Personen „bislang sprachwissenschaftlich nicht anerkannt“.

Dies habe dann zur Folge, dass „bei formaler Betrachtung“ das Gesetz zum Insolvenzrecht „nur für Frauen oder für Menschen weiblichen Geschlechts“ gelten würde. Es wäre „damit höchstwahrscheinlich verfassungswidrig“, so das Bundesinnenministerium.

Das Justizministerium von Christine Lambrecht (SPD) hat auf diesen Widerspruch bisher nur sehr zurückhaltend reagiert. Zu Vorgängen im Rahmen der Ressortabstimmung über kommende Gesetzentwurfe nehme man grundsätzlich nicht Stellung. Allerdings sei die Rechts- und Sprachprüfung, die das Justizministerium für alle Gesetzentwürfe der Bundesregierung vornimmt, bei diesem Entwurf des eigenen Hauses noch nicht abgeschlossen. Der Entwurf werde noch einmal überarbeitet, bevor er dem Kabinett zur Beschlussfassung zugeleitet wird.

Bisher orientiert sich die Rechtsprache von Gesetzen am „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“. Dort heißt es, dass Männer und Frauen nach Möglichkeit direkt anzusprechen sind, um deutlich zu machen, dass beide Geschlechter gemeint sind. Das generische Maskulinum sei vor allem dann noch angemessen, wenn auch Unternehmen mitgemeint sind. Vom generischen Feminum ist dort nicht die Rede. Allerdings stammt das Handbuch von 2008 und soll schon länger modernisiert werden.

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