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Gesetzentwurf zu ZeitverträgenHeil will Befristungen begrenzen

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Befristung von Arbeitsverträgen einschränken. Gewerkschaften sind begeistert, Arbeitgeber nicht.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Berlin taz | Arbeitgeber benutzen sie, um den Kündigungsschutz zu umgehen, für manche gelten sie als eine Art verlängerte Probezeit: Arbeitsverträge, die ohne einen sachlichen Grund befristet sind. Diese sogenannten „sachgrundlosen Befristungen“ von Arbeitsverträgen will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einschränken, so der Referentenentwurf für ein Gesetz, der der taz vorliegt.

Laut dem Gesetzentwurf sollen sachgrundlose Befristungen künftig nur noch für die Dauer von insgesamt 18 Monaten statt wie bislang für zwei Jahre zulässig sein. Innerhalb dieser Gesamtdauer ist nur noch eine einmalige statt wie bisher eine dreimalige Verlängerung möglich. Die sachgrundlose Befristung bleibt zur Begrenzung von Befristungsketten weiterhin auf Neueinstellungen beschränkt.

Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 75 Ar­beit­neh­me­r:in­nen beschäftigen, dürfen maximal 2,5 Prozent ihrer Ar­beit­neh­me­r:in­nen „sachgrundlos“ befristen, so der Entwurf.

Im Entwurf werden auch Kettenbefristungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz begrenzt, die bei Vorliegen eines Sachgrundes wie Elternzeit derzeit leichter möglich sind. Die Befristung eines Arbeitsvertrages aufgrund eines sachlichen Grundes soll in der Regel nicht mehr zulässig sein, wenn „die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreitet“, heißt es im Entwurf. Damit wird es erschwert, Mit­ar­bei­te­r:in­nen etwa als Elternzeitvertretungen über viele Jahre hinweg immer nur befristet anzustellen.

Mehr als jede dritte Neueinstellung befristet

Heil sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sachgrundlose Befristungen müssten wieder „zu der Ausnahme werden, als die sie ursprünglich gedacht waren“. Laut dem Betriebspanel des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2019 wurden 37 Prozent der Neueinstellungen nur befristet vorgenommen.

In einer IAB-Studie nannten die Ar­beit­ge­be­r:in­nen als wichtigstes Motiv für Befristungen die Überprüfung der Eignung von Arbeitskräften (37 Prozent), gefolgt von Vertretungen (18 Prozent), dem zeitlich begrenztem Mehrbedarf (13 Prozent) und wirtschaftlicher Unsicherheit (12 Prozent).

Diese Motivlagen sind allerdings konjunkturabhängig. In Zeiten von schlechterer Konjunktur spielt das Motiv der unsicheren wirtschaftlichen Perspektive des Unternehmens eine größere Rolle bei den Befristungen als in Zeiten guter Konjunktur.

Im Jahre 2018, also einem Jahr der guten Konjunktur, wurden 44 Prozent der befristet Beschäftigten anschließend in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis übernommen. Mehr als die Hälfte aller befristeten Verträge werden ohne Angabe eines Sachgrundes geschlossen.

Union ist kritisch

Die Gewerkschaft IG BAU begrüßte Heils Pläne. „Neben den kaum abgesicherten Minijobs und Leiharbeitsverhältnissen sind auch Befristungen alles andere als krisenfest – und werden für die Betroffenen zur Karrierefalle“, sagte IG BAU-Bundesvorsitzender Robert Feiger.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nannte Heils Pläne „kurzsichtig“ auch angesichts der wirtschaftlichen Lage durch die Coronakrise. Der Maschinenbauverband VDMA sprach von „Eingriffen in das Arbeitsrecht“, die in der derzeitigen Krise „Gift für den Arbeitsmarkt“ seien.

Der Gesetzentwurf von Heil wird derzeit regierungsintern beraten. Wenn er in dieser Legislaturperiode noch beschlossen werden soll, bleibt nicht mehr viel Zeit. Peter Weiß, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Union im Bundestag, äußerte sich allerdings kritisch und sagte, im Koalitionsvertrag sei ein Vorgehen wie mit dem Gesetzentwurf nicht vereinbart gewesen.

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3 Kommentare

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  • Ist nicht die öffentliche Hand der größte Problembär?

  • „Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Befristung von Arbeitsverträgen einschränken. Gewerkschaften sind begeistert, Arbeitgeber nicht“



    Ob die Gewerkschaften viel Grund zur Begeisterung haben, muss sich erst noch zeigen. Mal angenommen, die ausgeschriebene Stelle darf künftig nicht mehr befristet sein. Dann wird der Arbeitgeber den Bewerber mit Verweis auf die „unsicheren Zeiten“ abweisen.



    Mit einer überschaubaren Befristung, mit Option auf Verlängerung, hätte er ihn wohl eingestellt. Das Nachsehen hat dann der Bewerber, der gar keinen, nicht einmal einen befristeten Vertrag bekommt.

  • Der Entwurf ist kontraproduktiv. In Zukunft werden die Verträge halt nur 18 Monate laufen und keine 24 Monate mehr. Wissenschaftliche Projekte zum Beispiel werden dann nur noch 18 Monate lang laufen und Wissenschaftler*innen noch öfter rumgereicht. Die Perspektiven für Angestellte werden damit also nur noch unsicherer. Sachgrundlose Befristungen müssten, insbesondere im öffentlichen Dienst und in der Wissenschaft, generell verboten werden.