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Neulich hat mir der Inhaber einer Zeitarbeitsfirma gesagt, unter 1000,- Euro für die Leiharbeitsfirma pro Arbeiter und Monat gehe gar nichts. Er vermittelt vor allem Lagerarbeiter.
Wenn man einen Arbeitnehmer schon nicht für 5 Euro die Stunde kriegen kann und der dann auch noch gegen Kündigung und Schikane geschützt ist, dann nehmen die werten Arbeitgeber zähneknirschend eine teure Fachkraft - aber nur für so lange, wie sie unbedingt gebraucht wird. So werden sie ihn unkompliziert wieder los und müssen ihm keine Tariferhöhungen oder Weiterbildung zugestehen. Wenn nötig, kann man das beliebig wiederholen, von Jahr zu Jahr.
Noch besser wäre es natürlich, sich den Mitarbeiter gleich auszuleihen. Oder ihn per Werksvertrag anzuheuern. Dann hat man mit seiner Entlohnung samt Sozialgedöns nix zu tun, muss ihm auch nicht kündigen. -
Aber leider hat der Gesetzgeber da inzwischen diverse Riegel vorgeschoben. Und richtige Fachkräfte sind ja heute so unverfroren, dass sie ein Gehalt verlangen, das weit über die Vorstellungen des Arbeitgebers hinausgeht - die Arbeitnehmer in Osteuropa oder Brasilien kriegt man schließlich für einen Bruchteil.
(/Ironie aus)
Es wird Zeit, dass sich die Gesetzgebung auch mal näher mit Befristungen im Arbeitsverhältnis befasst. Besonders die Öffentliche Hand praktiziert ungeniert ewige Ketten-Befristungen. Was das für den Arbeitnehmer bedeutet, ist nicht schön.
Auch das ist eine Folge des Schandgesetzes Hartz IV.
Es ist allseits bekannt, wer dafür verantwortlich ist.
...
Beispiel Journalismus: Dort sind Zeilenhonoirare üblich, von denen niemand leben kann. Eine Befristung ist beim "freien" Journalismus gar nicht nötig. Einfach keine Aufträge mehr geben! Mehr als genug Ersatzleute sind eh immer da ...
Mit Hartz IV hat sich der freie Journalist meist finanziell verbessert.
Junge WählerInnen haben offenbar Angst vor den Grünen. Dahinter steckt eine wirksame Kampagne, die den fossilen Status Quo aufrechterhalten will.
Kommentar Befristete Arbeitsverhältnisse: Noch eine Leerstelle
Die Zahl der befristeten Neueinstellungen nimmt weiter zu. Es ist offen, ob Leiharbeit und Befristung ausgeweitet werden, falls die Konjunktur nachlässt.
Gilt leider nur für zwei Jahre: Viele neue Arbeitsverträge sind befristet Foto: imago/Westend61
Die Zahl der befristeten Neueinstellungen nimmt zu, wenn auch nur leicht. 2016 waren 45 Prozent der Verträge zeitlich beschränkt – gegenüber 41 Prozent im Vorjahr. Die Zahlen stammen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, die anschließend zu Recht kommentierte, diese Zahlen seien „für unsere Gesellschaft nicht gut“.
Das ist richtig, aber auch eine Binsenweisheit. Spannender ist die Frage, ob sich hinter dem Anstieg ein Anfang des Endes der deutschen Sonderkonjunktur verbirgt – und was die Parteien tun werden, falls Deutschland wieder in die Krise gerät.
Der Grundsatzkonflikt zwischen Angebots- und Nachfragepolitik ist ja nicht gelöst, sondern nur von der guten Wirtschaftslage überdeckt. In der Krise Anfang der nuller Jahre entschied sich die rot-grüne Bundesregierung für ein Austeritätsprogramm, die Große Koalition in der Eurokrise ab 2008 für ein keynesianisches Nachfrageprogramm (Abwrackprämie!) plus Austerität in Südeuropa. Tiefergehenden ökonomischen Debatten in den Parteien und Fraktionen entsprangen beide Reaktionen nicht.
Deshalb ist offen, ob Deutschland wieder mit einer noch größeren Ausweitung befristeter Arbeit oder Leiharbeitsstellen reagieren wird, falls die Konjunktur nachlässt. Die Frage, wie in einer Krise wirtschaftspolitisch gegengesteuert werden soll, kommt zu all den anderen Leerstellen des Wahlkampfs – Flüchtlinge, Digitalisierung, Europa – noch hinzu.
Deshalb: Fragen Sie Ihre Kandidaten, wie Deutschland reagieren soll, falls etwa Frankreich und Italien ihre Arbeitskosten so senken, dass sie Deutschland ökonomisch wieder gefährlich werden können. Soll Deutschland dann seinerseits das Arbeitsrecht und den Mindestlohn lockern, um mithalten zu können? Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ausflüchte zur Antwort bekommen werden, dürfte recht hoch sein.
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Kommentar von
Martin Reeh
Autor*in
Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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