piwik no script img

Gesetzentwurf zu „Kinderehen“Ehe nur noch ab 18

Kinderehen sollen pauschal für nichtig erklärt werden, so plant es Justizminister Maas. Für Betroffene werden auch Nachteile befürchtet.

Justizminister Heiko Maas will Kinderrechte besser schützen Foto: reuters

Berlin taz | Heiko Maas hat sich festgelegt: „Kinder heiraten nicht, Kinder werden verheiratet“, sagte der SPD-Justizminister am Mittwoch. Kurz zuvor hatte die Bundesregierung seinen Gesetzentwurf zum verschärften Verbot sogenannter Kinderehen gebilligt.

Dem Gesetzentwurf aus dem Justizministerium zufolge sollen Ehen von unter 16-Jährigen künftig pauschal für nichtig erklärt werden. Bei 16- und 17-Jährigen sollen Familiengerichte die jungen Eheleute anhören und danach entscheiden, ob die Ehe aufgelöst oder in besonderen Ausnahmefällen weiterhin Bestand haben soll. „Kinder gehören in die Schule und nicht vor das Standesamt oder den Traualtar“, sagte Maas: „Wir dürfen keine Ehen dulden, die Minderjährige in ihrer persönlichen Entwicklung behindern.“

Maas’ Entwurf bestätigt einerseits die geltende Rechtslage, nach der nur heiraten darf, wer mindestens 18 Jahre alt ist. In Ausnahmefällen gestatten Gerichte jedoch die Ehe mit Jugendlichen, die in Kürze volljährig werden. Das passiert äußerst selten. Das Statistische Bundesamt zählte 2015 nur einen Fall, in dem die Ehefrau jünger als 16 Jahre war, und 87 Fälle, in denen die Frauen zwischen 16 und 17 waren. Nur vier Männer im selben Alter haben 2015 geheiratet.

Die Gesetzesverschärfung hat vor allem migrantische Ehepaare mit mindestens einem Partner unter 18 Jahren im Blick, die schon verheiratet nach Deutschland eingereist sind. Laut Maas gibt es etwa 1.500 Fälle, in denen zumindest einer der beiden Eheleute minderjährig ist. Gemeinsame Kinder akzeptiert Maas als Heiratsgrund nicht. „Eine Ehe ist in Deutschland heute nicht mehr notwendig, um die Rechte von Kindern zu sichern“, erklärte Maas. Seiner Aussage zufolge hat es in den vergangenen Jahren lediglich zwei Fälle gegeben, in denen ein Paar bereits ein gemeinsames Kind hatte.

Kein Freibrief für Sex mit Minderjährigen

Und was, wenn sich zwei ernsthaft lieben? Maas: „Dann können sie heiraten, sobald sie beide 18 sind.“

Der Beschluss des Kabinetts löste unterschiedliche Reaktio­nen aus. CDU-Bundestagsabgeord­nete Annette Widmann-Mauz begrüßte das Gesetz. „Kinderehen stehen in krassem Gegensatz zum Kindeswohl. Gleichberechtigung setzt Partnerschaft zwischen Mann und Frau sowie eine freie Entscheidung voraus“, sagte die Vorsitzende der Frauen-Union.

Johannes-Wilhelm Rörig, der unabhängige Beauftragte für Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs, sieht in dem verschärften Gesetz einen Schutz für Minderjährige. „Ehe darf kein Freibrief sein, um Sex mit Minderjährigen zu rechtfertigen“, sagte er.

Katja Keul, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, ist skeptisch, ob das Gesetz die angestrebte Wirkung entfaltet. Solch ein Gesetz gehe „zulasten derjenigen, die eigentlich geschützt werden sollen“, argumentierte sie. Betroffene Frauen würden ihre Unterhalts-, Erb- und Versorgungsansprüche verlieren, ihre Kinder würden als nichtehelich gelten und könnten im Ausland Statusrechte verlieren. Zudem entstünden sogenannte hinkende Ehen, die in einem Land gültig seien und in einem anderen nicht.

Ähnlich sieht das die katholische Caritas. Ein Grund für frühe Eheschließungen könnte Krieg im Herkunftsland sein. Eine Ehe biete Schutz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Da sollen also Unterhalts-, Erb- und Versorgungsansprüche ausgelöst deb Frauen nach den Grünen und der Kirche nicht verloren gehen.

     

    Was für Fälle haben die denn im Auge? Mit dem Argument könnte ja die Ehe von 4-Jährigen schon geschlossen werden, um denen Unterhaltsansprüche zu verschaffen. Wenn da keine Unterhaltsansprüche aus der Ehe bestehen, ist es halt wie immer:

     

    Unterhaltsansprüche gehen gegen Eltern und Staat.

     

    Eine nachgewiesene Eheschließung mit einer minderjährigen Person könnte auch als Erbeinsetzung behandelt werden - selbst wenn die Ehe nicht als wirksam geschlossen anerkannt würde.

     

    Und es gibt steuerrechtliche Vorzüge der Ehe. Das sollte zu Gunsten der Kinder aus Ehen eh abgeschafft werden.

     

    Jetzt stelle ich mir mal vor, dass da eine Person von noch nicht 16 Jahren geheiratet hat. Was spricht dagegen, den Paaren dann doch zu ermöglichen, die Ehe in Deutschland auf Antrag anerkennen zu lassen, wenn inzwischen Volljährigkeit eintrat? Und das hätte dann alle eherechtlichen Folgen.

  • " Eine Ehe biete Schutz." Wovor? Vor sexuellem Missbrauch und ungewollter Schwangerschaft sicher nicht.

    • @el presidente:

      exacto

  • Ich habe mich immer gewundert wie ein Traumtänzer aussehen wird.

    Jetzt hab ich ihn gesehen.

    Er bewegt sich im bedeutungslosen Abseits eines normalen Menschenverstandes.

  • "Katja Keul, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, ist skeptisch, ob das Gesetz die angestrebte Wirkung entfaltet. [...]

    Ähnlich sieht das die katholische Caritas."

     

    Auch schön. Grüne und Katholische Kirche sozusagen als "Querfront" der Kinderfreunde.

  • Und was, wenn sich zwei ernsthaft lieben? Dann sollen sie das tun; das ist aber doch noch lange kein Grund für eine Ehe.

  • Noch Nachtrag: Was ich noch nirgends gefunden habe: Wie beträfe das neue Gesetz Menschen, bei denen zum Zeitpunkt der Eheschließung nach welchem Recht auch immer ein oder beide Partner minderjährig waren, die aber beide inzwischen längst volljährig sind (einreisendes erwachsenes Migrantenpaar mit Kindern, einheimische Familie verheiratet unter der alten BGB-Rechtslage von vor 1974 etc.)?

  • Wenn in einer Beziehung zwischen Minderjährigen oder oder wenigstens einem Elternteil unter 18 ein Kind unterwegs ist (soll ja mal vorkommen), BEIDE Eltern dazu stehen, das beste draus machen und sowieso mit 18 heiraten würden, fände ich es schon sinnvoll, als Familiengericht großzügig zu sein zugunsten des Kindes.

     

    Im übrigen werfen wir in DE hier mit Steinen im Glashaus auf sehr hohem Niveau, nur kurze Rückblende nötig: Bis 1974 erlangte hierzulande der Mann ganz regulär die Ehemündigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres, die Frau hingegen schon mit Vollendung des 16. Lebensjahres.

    • @Da Hias:

      "Bis 1974 erlangte hierzulande der Mann ganz regulär die Ehemündigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres, die Frau hingegen schon mit Vollendung des 16. Lebensjahres."

       

      ... und ? Finden Sie es nicht gut, daß wir diese finsteren Zeiten hinter uns gelassen haben ?

      • @jhwh:

        genau, danke!