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Geschrumpfter G20-GipfelJohannesburg macht sich schick

Der deutsche Bundeskanzler reist zum G20-Gipfel in Südafrika und zum EU-Afrika-Gipfel in Angola. Das Treffen wird vom Boykott der USA überschattet.

EIn Journalist macht vor dem Medienzentrum des G20-Gipfels ein Selfie
Simone Schlindwein

Aus Kampala

Simone Schlindwein

Für Bundeskanzler Friedrich Merz wird es die bisher längste Reise seiner Amtszeit – und die erste gen Afrika. Gleich zwei Gipfel stehen in den kommenden Tagen auf dem Programm: zunächst das Treffen der G20-Gruppe in Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg am Wochenende, das am Samstag beginnt. Am Sonntagabend geht es dann weiter nach Angola zum EU-Afrika Gipfel, der für Montag und Dienstag anberaumt ist.

In Afrika selbst sind die beiden Gipfeltreffen, zu welchen zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt eingeladen sind, ein großes Thema. Nur noch selten schafft es der von Krieg und Krisen geplagte Kontinent in die Schlagzeilen der internationalen Medien – nur noch wenige westliche Staatsvertreter kommen gar nach Afrika gereist. Dabei kriselt es zwischen Kairo und Kaptstadt und von Dakar bis Daressalam derzeit gewaltig. Von den grausamen Kriegen in Sudan und der Demokratischen Republik Kongo ganz abgesehen.

Seit Monaten bereitet sich Johannesburg auf den Gipfel vor: Straßen und Plätze der vielerorts heruntergekommenen Stadt wurden schick aufpoliert. Doch die mächtigsten Herrscher dieser Welt haben ihren Besuch in Johannesburg zum G20-Treffen bereits abgesagt. US-Präsident Donald Trump hat auf der Onlineplattform X erklärt, es sei eine „absolute Schande, dass der G20-Gipfel in Südafrika stattfindet“. Er wiederholte erneut seine Annahme, in Südafrika werde ein "Völkermord" gegen weiße Farmer begangen. Das Land habe damit kein Anrecht, überhaupt Mitglied der G20-Gruppe zu sein, donnerte er.

Südafrikas Präsident gibt sich gelassen

Südafrikas Präsident Cyril Ramophosa hat sich offenbar mittlerweile im Umgang mit Trump eine gelassene Haltung angewöhnt. „Boykott-Politik wird nicht funktionieren“, erklärte er. Damit würden sich die USA nur selbst schaden, denn: „Sie geben die sehr wichtige Rolle auf, die sie als größte Volkswirtschaft der Welt spielen sollten“, so Ramophosa.

In Folge dessen haben nun Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping ihrerseits ihr Kommen abgesagt. Beide schicken stattdessen aber hochrangig besetzte Delegationen, während die US-Regierung überhaupt nicht auftauchen will. Weitere Länder wie Argentinien und Mexiko haben ebenso abgesagt.

Beim G20 Gipfel kommen jährlich die wichtigsten 19 Industrie- und Schwellenländer zusammen, um sich über wichtige Wirtschaftsthemen auszutauschen. Die Europäische Union (EU) und die Afrikanische Union (AU) sind ebenso Mitglieder. Die Treffen sollen zudem Plattformen zur Diskussion über Klimawandel, Frauenrechte, Migration, Bildung und Terrorismus darstellen.

Merz sucht Partner in Afrika

Letztlich nehmen also nur 30 Staats- und Regierungschefs beim G20 Treffen teil. Südafrikas Präsident Ramophosa will die Gelegenheit dennoch nutzen, die Themen Klimawandel und Katastrophenhilfe, die Finanzierung der Energiewende, die Senkung der Verschuldung armer Länder und die Bekämpfung globaler Ungleichheit zu Prioritäten für das zweitägige Treffen zu machen. Bundeskanzler Merz will nach eigenen Angaben die Reise vor allem dazu nutzen, um mit den afrikanischen Staaten einen Dialog über Partnerschaften zu führen.

In Südafrika selbst haben Frauenrechtsgruppen am Freitag zu einer landesweiten Protestaktion aufgerufen, um die Weltgemeinschaft am Rande des Gipfels auf die hohe Zahl an Femiziden im Land aufmerksam zu machen. Die NGO „Women for Change“ hat dazu aufgerufen, dass alle Frauen und Mädchen am Freitag die Arbeit und Schulen boykottieren sollen, sich schwarz anziehen und sich punkt 12 Uhr lokale Zeit an vorher angekündigten Orten landesweit zusammen zu kommen, um einen Schweigemoment einzulegen. Dies legte vielerorts den Verkehr komplett lahm. Aus Sicherheitsgründen hat die Polizei die Zufahrtswege zum Gipfeltreffen für die Demonstrantinnen gesperrt.

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1 Kommentar

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  • Danke für den Artikel, der zurecht den Blick auf einen vernachlässigten Kontinent lenkt.



    Wie die Zeiten sich ändern: waren G20 Gipfel in der Vergangenheit im Zentrum der Kritik der Globalisierung, erscheinen sie heute als Hoffnungsschimmer.



    Nach Jahren der Globalisierungskritik erleben wir gerade, wie Wirtschaftskriege funktionieren - das erscheint nicht als Verbesserung.



    Trump hat sich selbst ausgeschlossen? Das kann auch eine Chance sein.



    Vielleicht dreht sich die Welt dann wenigstens in Südafrika einmal nicht um ihn.



    In letzter Zeit wurde viel von Unabhängigkeit gesprochen.



    Hier ist die Gelegenheit, unabhängig von den großen Playern Pflöcke einzuschlagen.



    Vielleicht nutzt die EU die Chance, Zusammenarbeit auf Augenhöhe voran zu bringen und afrikanischen Staaten eine Alternative zum Neokonolialismus Chinas und Russlands anzubieten.



    Wir wollen weniger erpressbar durch China und Trump werden? Hier bietet sich eine gute Gelegenheit dafür!