Geschlossenes Heim im Norden: Das Ende der städtischen Idylle
Hamburg und Bremen fordern ein geschlossenes Heim für schwierige jugendliche Flüchtlinge. Im Gegenzug sparen sie bei der ambulanten Hilfe.
„Nein“, war deren einhellige Meinung – mit Ausnahme des Bremer Polizeipräsidenten Lutz Müller. Allerdings klang er in seinem Schlusswort nicht mehr ganz so überzeugt wie noch vor der Debatte.
Nicht alle Sitzplätze im Saal der Bremer Stadtbibliothek waren besetzt. Obwohl die Aufregung in Bremen gerade besonders groß ist. Während die Bremer Polizei laut ihrem Chef Müller seit Frühjahr 2014 mit durchschnittlich 30 bis 50 jungen Männern aus Nordafrika zu tun hat, „die erhebliche Probleme bereiten“, nahm die Mehrheit der BremerInnen das Phänomen erst vor zweieinhalb Wochen wahr.
Da hatte ein Kneipenwirt via Facebook davor gewarnt, nachts alleine durch Seitenstraßen im Bremer „Viertel“ zu laufen. Anders als etwa die Bahnhofsgegend war dieser Stadtteil mit seinen Gässchen, Bars und Boutiquen bisher als sicher wahrgenommen worden. Doch jetzt häuften sich auch hier die Raubüberfälle. Gruppen junger Männer suchten sich, so Müller, Kinder, Jugendliche, Ältere oder Betrunkene als Opfer aus. Das empört dann auch Grüne, wie die ehemalige Abgeordnete Karin Krusche, die sich aus dem Publikum zu Wort meldete: „Ich wohne seit 37 Jahren im Viertel, ich will das hier nicht!“
Gelangweilter Sicherheitsdienst
Vielleicht ist es dieses verloren geglaubte Lebensgefühl des Kleinstädtischen, das die Bremer Grünen anders als ihre Hamburger ParteifreundInnen dazu brachte, sich dem Willen des SPD-Koalitionspartners zu unterwerfen. Und trotz der Skandale um die geschlossenen Heime Haasenburg und Friesenhof im Juli in den Koalitionsvertrag zu schreiben: „Wir schaffen schnellstmöglich eine fakultativ geschlossene Einrichtung und treiben bei der Umsetzung die Suche nach einem Träger und einem Standort intensiv voran.“ Das solle aber nur die „Ultima Ratio“ für diejenigen sein, die nicht durch „intensivpädagogische Angebote aufgefangen“ werden könnten.
Die Erkenntnis des Abends: Die Zahl derjenigen, die von niemand erreicht werden können, ist viel geringer als es den Anschein hat. Und die landen womöglich ohnehin im Gefängnis oder der Psychiatrie.
Seit vier, fünf Monaten langweile sich der Sicherheitsdienst, der nach heftigen Gewaltausbrüchen unter den Jugendlichen rund um die Uhr ein betreutes Wohnen in der Bremer Neustadt bewacht, berichtete Friedhelm Stock von der gemeinnützigen GmbH „Jugendhilfe und soziale Arbeit“, die 200 Jungen in vier Einrichtungen betreut. Er vermutet, dass die auffälligsten Jugendlichen in Haft oder in andere Städte verschwunden sind.
Andere haben offenbar gelernt, dass es sich auszahlt, zu kooperieren – aufgrund besserer Verständigungsmöglichkeiten mithilfe von Dolmetschern sowie positiven Erfahrungen mit PolizistInnen und SozialarbeiterInnen. Auch der Polizeipräsident räumt ein, die heftigsten Vorfälle lägen in der Vergangenheit. „Wir können das Verhalten besser einordnen“, sagte er, „die meisten Jugendlichen akzeptieren, dass der Staat einschreitet.“
„Wir finden kaum geeignetes Personal“
Ähnlich äußerte sich Gesa Lürßen, die Leiterin des Bremer Jugendvollzugs, die im Publikum saß. „Mit der Sprache wird es besser“, sagte sie, „aber wir finden kaum geeignetes Personal.“
Und wäre Bernd Schmitt, Geschäftsführer der diakonischen Jugendhilfe Bremen, zu Wort gekommen, hätte er berichten können, wie seine MitarbeiterInnen an die Jugendlichen herankommen. „Wir arbeiten mit vier bis sechs von denen, mit extrem niedrigschwelligen Angeboten, mit Streetwork.“
Sein Hamburger Kollege Burkhard Czarnitzki, Leiter der Anlaufstelle für Straßenkinder Kids am Hauptbahnhof des Vereins Basis und Woge, rechnete vor, wie viele pädagogische Angebote er für das, was ein geschlossenes Heim kostet, finanzieren könnte. „Ich kann Ihnen aber kein Heilsversprechen machen“, sagte er, „das erzählen Ihnen nur die Betreiber geschlossener Heime.“
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