Geschlechterforschung in Göttingen: Kastriert sich die Uni selbst?
Studierende befürchten, dass im Zuge von Mittel-Kürzungen der Studiengang Geschlechterforschung an der Universität Göttingen geschlossen wird.
Nach Ansicht der Fachgruppe Geschlechterforschung, die die Petition initiiert hat, ist der Studiengang bereits seit Jahren unterfinanziert. Anfang des Jahres hatte eine universitätsinterne Untersuchung ergeben, dass der Studiengang aufgrund mangelnden Lehrpersonals nicht weiter akkreditiert werden könne. Damit er nicht auslaufen muss, wurde der übergeordnete sozialwissenschaftliche Fakultätsrat aufgefordert, ein neues Konzept für den Studiengang vorzulegen.
Laut der Petition der Fachgruppe Geschlechterforschung befinden sich im sozialwissenschaftlichen Fakultätsrat allerdings Personen, die den Studiengang „am liebsten einstampfen wollen“. Auf Nachfrage der taz äußerten die Studierenden, prinzipiell sei niemand offen gegen die Geschlechterforschung – eine aktive Unterstützung fehle aber. Denn auch anderen Studiengängen drohen finanzielle Einbußen, es müsse um Gelder gekämpft werden. Da die Geschlechterforschung ein interdisziplinärer Studiengang ohne eigene Professur ist, hat sie im Fakultätsrat auf professoraler Ebene keine Vertretung.
Finanzielle Grundlage fehlt
Das Hauen und Stechen zwischen den Studiengangsvertreter*innen ums Geld liegt an Vorgaben des Landes Niedersachsen: Das hatte den Universitäten in den Jahren 2020 und 2021 die Gelder gekürzt – in Göttingen um 6,2 Millionen Euro. Größere Studiengänge könnten Kürzungen leichter auffangen, sagt die Fachgruppe. Der Geschlechterforschung fehle dafür die finanzielle Grundlage.
Bereits Ende vergangenen Jahres bemängelte die Landesarbeitsgemeinschaft der Einrichtungen für Frauen- und Geschlechterforschung in Niedersachsen (LAGEN) die mangelhafte langfristige Finanzierung der Studiengänge in einem offenen Brief.
Eingerichtet wurde der Studiengang im Jahr 2000. Insgesamt sind im Bachelor etwa 200 Personen eingeschrieben, rund 40 Personen studieren im Masterstudium.
Deshalb fordert die Fachgruppe die Einrichtung einer eigenen Professur. „Wir brauchen unbedingt eine Professur, die fest an die Geschlechterforschung angegliedert ist und ihre Interessen vertritt“, sagt ein Mitglied der Fachgruppe. Aktuell hätten Studierende beispielsweise Probleme, eine Betreuung für ihre Abschlussarbeiten zu finden.
Ihre Forderungen richten die Studierenden dabei nicht nur an Fakultät und Universität, sondern ebenso an das Land. Es müsse sicherstellen, dass die Universität dem Auftrag zur Förderung der Frauen- und Geschlechterforschung auch nachkomme. Dieser Auftrag ist per Landesgesetz fest verankert. Würde jedoch auch das Land kein Interesse mehr am Erhalt des Studiengangs haben, könnte es den Auftrag fallen lassen.
Auftrag zur Förderung durch das Land Niedersachsen
Die Universitätsleitung gibt an, ihr seien keine geplanten Änderungen bei der Geschlechterforschung bekannt. Zu den Vorwürfen einer bereits seit Jahren bestehenden Unterfinanzierung äußert sie sich auf Nachfrage nicht.
Bereits in den vergangen Jahren beschloss die Göttinger Uni das Aus verschiedener Studiengänge und Institute – so etwa des geisteswissenschaftlichen Lichtenberg-Kollegs oder des kultur- und sprachwissenschaftlichen Studiengangs Finno-Ugristik. Der Fakultätsrat will Ende Juli über die Zukunft der Geschlechterforschung entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!