Geschichte des Kaschmir-Konflikts: Tödlicher Dauerstreit seit 1947
Um die Himalajaregion Kaschmir kämpfen Indien und Pakistan bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1947. Und auch China mischt mit.
Mit der Unabhängigkeit Britisch-Indiens 1947 und seiner blutigen Aufteilung in das von Hindus dominierte, aber säkulare Indien und das islamische Pakistan entstand um die Himalajaregion Kaschmir ein tödlicher Dauerstreit zwischen den beiden neuen Staaten. Der hinduistische Maharadscha des mehrheitlich muslimischen Kaschmir entschied sich damals unter pakistanischem Druck für die Zugehörigkeit zu Indien.
Pakistan und ein Teil der Kaschmirer wollen das bis heute nicht akzeptieren. Umgekehrt lehnt Indien eine geforderte Volksabstimmung unter UN-Aufsicht seit Jahrzehnten ab, obwohl die Regierung in Delhi ihr in der Frühphase des Konfliktes schon einmal zugestimmt hatte.
Bereits 1947 hatte Pakistan mit seiner Unterstützung islamischer Rebellen und später auch mit eigenen Soldaten versucht, den gewaltsamen Anschluss Kaschmirs an Pakistan zu erzwingen. Der bedrängte Maharadscha bat darauf Indien um Hilfe, und es kam zum Krieg. Dieser führte schließlich zur Teilung der Region entlang der Waffenstillstandslinie („Line of control“).
1965 kam es wegen Kaschmir zu einem zweiten Krieg zwischen den verfeindeten Nachbarn und seitdem mehrfach zu bewaffneten Auseinandersetzungen unterhalb der Schwelle zu einem konventionellen Krieg. Zuletzt gab es 1999 bei der Schlacht um Kargil allein auf indischer Seite 500 bis 600 Tote.
In Indien ist Jammu und Kaschmir der einzige Unionsstaat mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. In den 1950er Jahren gab es dort eine starke Bewegung für Selbstbestimmung. Die der Region zugestandene Autonomie wurde von Delhi aber immer wieder außer Kraft gesetzt. Oft – wie auch zurzeit wieder – wird Jammu und Kaschmir direkt von der Zentralregierung von Delhi aus regiert, was vor Ort das Gefühl einer Besatzung verstärkt.
Seit 1989 kämpfen islamistische Gruppen im indischen Teil Kaschmirs bewaffnet für den Anschluss an Pakistan. Islamabad schickte islamistische Kämpfer, die zuvor in Afghanistan die Sowjets bekämpft hatten und dort nicht mehr gebraucht wurden, in den kaschmirischen „Befreiungskampf“ gegen Indien.
In Pakistan ist das Bekenntnis zur Befreiung Kaschmirs Teil der Staatsräson. Das meint aber mitnichten eine Unabhängigkeit Kaschmirs, sondern dessen bedingungslosen Anschluss an Pakistan. Entsprechend wird der pakistanische Teil der Region offiziell „Azad Kashmir“ („freies Kaschmir) genannt, obwohl er nicht frei und unabhängig ist, sondern ein fester Bestandteil Pakistans.
Auch China spielt eine Rolle im Konflikt
Verkompliziert wird der Streit um die Region durch China. Die Volksrepublik kontrolliert selbst den kleinsten Teil der Region. Sie ist ein enger Verbündeter Pakistans und auf globaler Ebene ein Rivale Indiens. China hat nicht nur die USA als wichtigsten Verbündeten Pakistans abgelöst, sondern buhlt auch mit Indien um die Vorherrschaft in der Region. 1962 verlor Indien einen kurzen Grenzkrieg gegen China. In Kaschmir sind seit 1988 bei Anschlägen islamistischer Rebellen wie beim Vorgehen der indischen Sicherheitskräfte rund 45.000 Menschen getötet worden.
Pakistan versucht seit Jahrzehnten, den Konflikt auf die internationale Tagesordnung zu setzen, wobei Islamabad die Angst vor einer militärischen Eskalation schürt und so die Weltgemeinschaft mobilisieren will. Indien versucht im Gegenteil, eine Internationalisierung des Konflikts zu verhindern, und sieht in Pakistan den einzig Schuldigen in dem Konflikt. Dabei ignoriert Delhi, dass erst sein brutales Vorgehen in Kaschmir viele Menschen gegen Indien aufbringt.
Dadurch, dass 1998 Indien und Pakistan jeweils erfolgreich Atomwaffen getestet haben, hat der Konflikt eine weitere, gefährlichere Dimension bekommen. Denn spätestes seitdem könnte eine Auseinandersetzung um Kaschmir zum Atomkrieg führen. Pakistan bekennt sich explizit zu einer Erstschlagsdoktrin. Damit will es Indien von konventionellen Angriffen abhalten und zugleich die Weltgemeinschaft dazu drängen, sich des Konflikts anzunehmen.
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