Gernot Knödler über Post vom Anwalt: Besser mal gelassen bleiben
Ein Sachverständiger fühlt sich in öffentlicher Sitzung von einem fragenden Bürger diskreditiert und fordert von diesem eine mit Geldstrafe belegte Unterlassungserklärung. Bei allem Verständnis für den Ärger des Gutachters: Es kann nicht der richtige Weg sein, kritischen bis zuweilen renitenten Bürgern den Anwalt auf den Leib zu hetzen. Das schadet der Demokratie und dem Ansehen der Sachverständigenzunft.
Es stimmt leider, dass, ganz allgemein gesprochen, kritische Bürger und Bürgerinitiativen nicht immer die gleichen Maßstäbe an sich selbst anlegen wie an Sachverständige und Behördenvertreter. Das gilt sowohl für ihre Ausdrucksweise als auch für den Inhalt ihrer Aussagen. Sie arbeiten durchaus mal mit Polemik, groben Vereinfachungen und in Fragen gekleideten Unterstellungen.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es für sie um weitaus mehr geht als für die Politiker, Verwaltungsleute und Sachverständigen. Entsprechend hoch schlagen ihre Emotionen.
Dazu kommt, dass die Bürger der Gegenseite strukturell unterlegen sind, weil sie sich als Laien ehrenamtlich mit den Projekten auseinandersetzen und trotz aller Transparenzbemühungen der öffentlichen Verwaltung einen schlechteren Zugang zu Informationen haben. Und die Bürger sind mit Plänen konfrontiert, an denen nicht mehr viel zu rütteln ist, wenn sie endlich beteiligt werden. Das schafft Frust und lässt manchem den Hut hochgehen.
So schwer es ist: Es gehört zur Aufgabenbeschreibung von Politikern und Experten, souverän mit solchen Ausbrüchen umzugehen. Statt die juristische Keule auszupacken und damit die Leute einzuschüchtern, sollten sie geduldig auf die Kraft des Arguments setzen. Natürlich gibt es eine Grenze, bei der die Ehrabschneidung beginnt. Die sollte aber weit gesteckt sein, schließlich handelt sich um politische Auseinandersetzungen, denen naturgemäß eine gewisse Hitzigkeit innewohnt. Es darf für Bürger nicht zum Risiko werden, sich kritisch zu äußern.
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