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Gerichtsurteil zu KinderrechtenSamenbank muss Auskunft geben

Es ist ein Urteil für Kinderrechte: Eine Samenbank muss einem Gericht zufolge einem minderjährigen Kind Auskunft über seinen leiblichen Vater geben.

Wer hat mich gemacht? Auf diese Frage können künftig auch Kinder die durch Samenspenden gezeugt wurden, Antworten bekommen Foto: dpa

Berlin dpa/epd | Der Vater hat braune Haare und blaue Augen, liebt Musik und ist 1,84 Meter groß. Das Kind, das mit seinem Samen gezeugt wurde, kann nun diese Details zu seiner biologischen Herkunft erfahren, wie das Amtsgericht Berlin-Wedding entschied. Die Samenbank müsse Auskunft über alle relevanten Daten wie Name, Geburtsdatum, Personalausweisnummer und Anschrift zum Zeitpunkt der Spende erteilen, hieß es in dem am Montag veröffentlichten Urteil. Es ist aber noch nicht rechtskräftig (Amtsgericht Wedding, Aktenzeichen 13 C 259/16, Urteil vom 27. April 2017). Die rechtlichen Eltern hatten sowohl in eigenem Namen als auch im Namen des minderjährigen Kindes geklagt.

Das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung überwiege die ebenfalls geschützten Interessen der Samenbank, hieß es im Urteil. Zwar habe der Spender das Recht auf informelle Selbstbestimmung, andererseits habe er sich bewusst an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt und trage dafür soziale und ethische Verantwortung. Auch die ärztliche Schweigepflicht stehe der Auskunft nicht entgegen, da die Eltern des Kindes selbst mit ihrer eigenen Klage ihr Einverständnis gegeben hätten.

Die Eltern hatten zunächst mit notarieller Vereinbarung gegenüber dem natürlichen Vater und dem behandelnden Arzt darauf verzichtet, dass sie die Identität des Spenders erfahren. Das Kind wurde am 20. Dezember 2008 geboren. Geklagt hatten die Eltern nun aber, weil strittig war, ob das Kind mit dem von der beklagten Samenbank gelieferten Samen gezeugt wurde.

Laut Gericht ist ein Mindestalter für Informationen aus der Samenbank nicht erforderlich. Die Eltern könnten in eigener Verantwortung entscheiden, wann und wie sie das Kind über die Herkunft informieren.

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6 Kommentare

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  • Ein "rechtlich vertretbares" Urteil, das in der Realität allenfalls vorübergehend positive, langfristig aber vor allem schwerwiegende negative Folgen haben wird.

     

    Zum Einen werden die Samenbanken bereits Mittel und Wege gefunden haben, die Identität ihrer Spender möglichst gründlich zu "vergessen". Der Auskunftsanspruch besteht, die Datenbank mit den Spendern ist aber leider nicht mehr verfügbar. Die Kinder haben dann gar nichts von der schönen neuen Rechtssprechung.

     

    Vor allem aber wird es so oder so für Paare, die auf natürlichem Wege keine Kinder kriegen können, wesentlich schwerer, an Spendersamen zu kommen. Denn wenn ein potenzieller Spender keine Rechtssicherheit hat, dass er nicht später (unveräußerlichen) Unterhaltsansprüchen seiner möglicherweise sehr zahlreichen Nachkommen augesetzt ist, wird er sich kaum auf die Samenspende einlassen.

  • "Geklagt hatten die Eltern nun aber, weil strittig war, ob das Kind mit dem von der beklagten Samenbank gelieferten Samen gezeugt wurde."

     

    Wie bitte? Die Eltern hätten doch jederzeit einen Test machen können. Warum wird da die Samenbank verklagt?

  • Und wieder eine Selbstverständlichkeit, die erst durch die Gerichte musste. Es ist zum Haare raufen.

    • @Olo Hans:

      Sehen Sie es mal aus Sicht des Spenders, der im Zweifel nur etwas Geld verdienen und dabei Anderen den Kindersegen ermöglichen wollte - und dafür von der Samenbank und den Eltern hoch und heilig Anonymität versprochen bekommen hat! Kommt es Ihnen dann immer noch so selbstverständlich vor?

       

      Es sind schließlich dieselben Eltern die jetzt- vorgeblich im Namen ihres Kindes - fragen, was sie ihr Geschwätz von gestern interessieren soll. Die kindesrechtlichen Überlegungen in dem Urteil sind vielleicht nachvollziehbar, aber selbstverständlich ist an dem Vorgang recht wenig. Die rechtliche Interpretation einer anonymen Samenspende als willentlicher "Zeugungsakt" (bei dem mann normalerweise wenigstens weiß, wer die prospektive Mutter ist) spannt den Bogen der Verantwortlichkeit immerhin so weit, dass man wenigstens mal darüber diskutieren sollte.

  • "habe er sich bewusst an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt "

     

    Das halte ich für eine gewagte These. Ich habe Bekannte aus der Studienzeit welche während ebendieser wegen des Geldes gespendet haben.

    Ich habe nicht das gefühlt, dass diese die Spende als Zeugungsakt erkannt hätten.

    Eher zu vergleichen ist es wohl mit einer Blut - oder - Organspende.

     

    Vielleicht sollte man die ganze Prozedur oder zumindest die Vergütung verbieten.

    Es ist doch eine klare Benachteiligung des Spenders wenn er nur die Pflichten nicht aber die Rechte der Vaterschaft erhält.

    Gerade weil notarielle Vereinbarungen ja offensichtlich falsche Gegebenheiten suggerieren.

    Die Spende wird ja vergleichsweise gut vergütet(3-5 mal soviel wie Blutspende) aber deckt ja nicht annähernd die Verantwortlichkeiten in die sich ein junger Mensch gegenüber vollkommen fremden begibt.

  • Die Überschrift ist richtig, aber auch falsch. Denn offensichtlich wurde überhaupt nicht um Kinderrechte gestritten, sondern darum, dass die Eltern überprüfen möchten, ob die Lieferung korrekt war, nämlich ob der Samen des ausgesuchten Spenders verwandt wurde. Aus dem Artikel geht nicht richtig hervor, ob die Eltern (oder deren Anwälte) dafür Kinderrechte vorgeschoben haben, um ihre eigene notarielle Übereinkunft der Nicht-Auskunft rückgängig zu machen. Zu vermuten ist es allerdings.

     

    Damit kann im Prinzip ein Urteil zu einem individuellen Geschäftsvertrag zu gesellschaftlichen Auswirkungen führen, die vielleicht keiner in Frage stellen wollte. Jedenfalls muss man die Kinderrechte nicht einem Amtsgericht in Wedding überantworten. Wer Samen spendet, muss Jahre später noch mit allem rechnen, egal wie die Vertrags- und Gesetzeslage beim Zeitpunkt der Spende war.