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Register für SamenspenderPlötzlich zählt das Kindeswohl

Ein neues Gesetz soll es Kindern erlauben, den Namen ihres Erzeugers zu erfahren. Gute Idee. Nur das Argument ist faul.

Wenn der Vater fehlt, leidet das Kind. Mit Samenspendern hat das nichts zu tun Foto: dpa

Wer will schon gerne Kindern schaden? Oder daran schuld sein, dass es ihnen im Leben schlecht ergeht? Die sozial verträgliche Antwort lautet: niemand. Gegen das Kindeswohl lässt sich schwer argumentieren. Insofern ist an dem Gesetzesvorstoß von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe auch nichts falsch.

Der CDU-Minister plant ein Samenspender-Register. Dort sollen sich Kinder, die ihre Existenz in vitro gespendeten Spermien verdanken, künftig informieren können, wer ihr Vater ist (die taz berichtete).

Gröhe will außerdem den Spendern garantieren, dass sie wie gehabt keinen Unterhalt zahlen und ihren Nachkommen auch nichts vererben müssen. Nicht mal treffen müssen sie ihre Kinder, auch wenn diese das im mündigen Alter wollen. Man kann also sagen: Alle Interessen wurden gewahrt. Alle sind glücklich. Tipptopp.

Oder man kann noch mal nachhaken. Denn das zentrale Argument, das in dieser Debatte eine Rolle spielt, sollte zumindest stutzig machen. Nicht aus der Perspektive der Kinder, deren Wohl definitiv schützenswert ist. Wohl aber deshalb, weil es nur in diesem speziellen Fall bemüht wird.

Kein neues Problem

Gemeint ist das Argument, dass Kinder, deren Vater nicht bekannt ist, seelischen Schaden erleiden. Ihnen fehle oft ein Teil ihrer Identität, heißt es. Ein Leben lang suchten sie nach etwas, das durch den anonymen Erzeuger schmerzlich abwesend ist.

Das mag so sein. Das seelische Leid vaterloser Kinder soll hier nicht in Frage stehen. Nur: Das ist weder ein neues Problem. Noch eines, dass an die Mutterschaft durch Samenspende gekoppelt ist.

Was da mitschwingt, ist das altbekannte Bild der Rabenmutter

Was ist mit anderen abwesenden Vätern? Mit Vätern, deren Identität Mütter absichtlich verschleiern, weil sie nicht darüber sprechen oder sich nicht an sie erinnern wollen? Oder mit Kindern, denen nicht nur der Vater, sondern beide Elternteile fehlen, und die womöglich noch mehr darunter leiden, dass ihre Wurzeln im Verborgenen liegen?

Warum wird ausgerechnet beim Thema Samenspende das Argument des Kindeswohls bemüht? Ein Vorschlag: Weil es hier gar nicht ausschließlich um das Wohl der Kinder geht. Sondern darum, ein traditionelles heteronormatives Familienbild zu verteidigen, das durch das Konzept der Samenspende in Frage steht.

Reproduktion als Akt des Konsums

Durch die Samenspende wird die Reproduktion zu einem Akt des Konsums. (Single-)Frauen und lesbische Paare brauchen keinen Partner mehr, um Mütter zu werden. Nicht mal mehr jemanden, der eine Nacht mit ihnen verbringt. Man könnte sagen: Eine Schwangerschaft durch Samenspende ist ein Akt der Emanzipation.

Würde man sich nun wirklich für das Wohl der Kinder interessieren, müsste man die Diskussion auf breitere Füße stellen – und auch all die Fälle miteinbeziehen, in denen Kindern aus anderen Gründen ein Elternteil fehlt. Das geschieht aber nicht. Ist der Subtext also ein anderer? Nämlich der: Frauen, die ohne Vater schwanger werden, schaden dem Kind?

Früher war die Sache ganz einfach: Eine Mutter ohne Mann wurde als nicht tolerierbares Flittchen abgestempelt und ihr „Bastard“ aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Das geht heute nicht mehr.

Lässt sich einwenden: Die unverschuldet alleinerziehend Mutter ist doch heute gesellschaftlich akzeptiert. Stimmt. Aber sie ist ein Sonderfall, ein Opfer der Umstände. Sie wünscht sich im Grunde einen Partner und stellt das Ideal der Kernfamilie nicht in Frage. Also wird sie nicht sanktioniert.

Rabenmutter

Das Kindeswohl wird erst dann bemüht, wenn sich Frauen dazu entscheiden, geplant – also vorsätzlich – ohne Mann schwanger zu werden. Dann ist plötzlich von den nicht verantwortbaren Schäden die Rede, die ein Kind, das die Identität des Vaters nicht kennt, erleiden kann. Was da mitschwingt, ist das altbekannte Bild der Rabenmutter.

Was aber ist, wenn eine Mutter ihr via Samenspende empfangenes Baby artgerecht liebt und umsorgt, während eine klassische Kernfamilie säuft und den Nachwuchs ständig vor den Fernseher setzt? Welches Kind trägt am Ende den größeren Schaden? Ganz so einfach ist das alles nicht.

Ist also doch was falsch am Gesetzesvorhaben des Bundesministers? Nein. Keine Sorge. Aber das Argument, das in der Debatte bemüht wird, hinkt.

Eben weil es nur dann relevant zu sein scheint, wenn es um Samenspenden geht. Und das klingt nach etwas ganz anderem. Nämlich nach der Angst all derer, die fürchten, dass auch die letzten noch verbliebenen Grundwerte am Ende Auslegungssache sind. Also nach den Gegner*Innen von Emanzipation.

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4 Kommentare

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  • Die Autorin hat insoweit Recht, als auch das Kindeswohl gefährdet ist, wenn Mütter aus "anderen Gründen" verschweigen, wer der Vater ist.

     

    Nicht Recht hat sie meines Erachtens, wenn sie in Frage stellt, ob die "klassische Familie" als Modell schützenswert ist. Definitiv ist es für Kinder von Vorteil, wenn sie 2 Bezugspersonen und nicht nur eine haben, wenn ihre Frage, wo sie her kommen, was sie von wem haben, beantwortet werden und wenn sie sich bei Stress mit einem Elternteil an den anderen wenden können, dort Verständnis zu finden. 2 Modelle kennenzulernen, wie man mit Themen umgehen kann usw.

  • Die Argumentation mit dem "Kindeswohl" war schon immer schief. Männliche Homosexualität war strafbar um Kinder angeblich zu schützen. Kinder durften ihre Väter nicht sehen, da "Ruhe" in die Auseinandersetzung zwischen den Eltern kommen sollte - auch aus angeblichen Gründen des Kindeswohls. Kinder wurden gegen den Willen der Väter wegadoptiert - dies wurde ebenfalls mit dem Kindeswohl begründet. Und welch Treppenwitz: Kinder durften nichts von ihren genetischen Vätern erfahren - angeblich auch aus Gründen des Kindeswohls.

    Das "Kindeswohl" ist daher wohl der am meisten missbrauchte Begriff im Familienrecht. Hier ist das Recht der Kinder ihren Vater zu kennen, durchaus im Sinne der Kinder. Die Motivation warum dies so umgesetzt wird, da hat Frau Halser sicher recht, ist wo anders zu suchen. Samenspenden funktionierten nur auf Grund der Geheimhaltung. Kam der biologische Vater zufällig doch ans Tageslicht, so konnte dieser hunderttausende Euro Unterhalt "nachzahlen". Dieses Risiko wollen Samenspender nur ungern eingehen. Daher hat die gesetzliche Regelung die Samenspende gerettet. Dem Kindeswohl wird dabei auch nur deshalb Rechnung getragen, da sonst die ganze Regelung irgendwann für verfassungswidrig erklärt worden wäre.

    Das Motiv war also nicht die heterosexuelle Familienbild sondern die frei verfügbare Samenspende. Das "Kindeswohl" dagegen war und ist den Familienpolitiker_innen schon immer egal und dient nur als gefälliger Vorwand um ihre häufig ziemlich kruden Auffassungen durchzusetzen.

  • Gegenthese: In allen anderen Fällen, in denen das Kind nicht erfährt, wer sein Vater (oder auch seine Mutter) ist, kann man ihm ohne den Willen der Eltern - in den meisten Konstellationen besonders der Mutter - diese Information einfach nicht von Staats wegen beschaffen. Also versucht man e gar nicht erst. Denn die Kenntnis über die Abstammung liegt dort nicht in den Händen einer regulierbaren dritten Institution wie einer Samenbank sondern einzig in denen der Eltern.

     

    Man könnte zwar einen Anspruch des Kindes gegen seine Mutter oder auch gegen seine Pflegeeltern formulieren, die (ganze) leibliche Abstammung offenzulegen - man könnte sogar sagen, dass sich dieser Anpruch unmittelbar aus der Verfassungsrechtssprechung herleiten lässt, also gar keiner gesetzlichen Verankerung mehr bedarf - , aber wie will man den kindeswohlgerecht durchsetzen? Es ist doch wie bei Umgangsverhinderung: Der sorgeberechtigte Elternteil darf das nicht, aber wenn er es doch tut, gehen alle denkbaren Zwangsmaßnahmen im Zweifel (auch) zulasten des Kindes.

     

    Davon abgesehen hat der Fall der Samenspende eine zusätzliche "rechtstechnische" Dimension, die eine echte Regulierung des Rechtes des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung notwendig macht: Den ihrer Anonymität beraubten Vätern soll hier - und nur hier - ein Großteil des Schutzes vor Inanspruchnahme durch das Kind zugestanden bleiben, den ihnen bislang (nur) ihre Anonymität gab. Dafür müssen sie einen Dispenz von jenen Pflichten erhalten, die eigentlich für ALLE biologischen Eltern in Stein gemeißelt sind. Das geht schlicht nicht ohne Gesetz.

     

    Es gibt also durchaus plausible rechtsstaatliche Gründe für die Spezialbehandlung der Samenspender, die nichts mit klassischen oder nicht-klassischen Familienbildern zu tun haben. Aber eine Verschwörung der Heteronormativen klingt natürlich viel politischer, also muss die es wohl sein...

    • @Normalo:

      sehr gut erklärt.