Gerichtsurteil zu Fehmarnbelt-Tunnel: 18 Kilometer Öko-GAU
Das Gerichtsurteil zum Fehmarnbelt-Tunnel wird bei den dänischen Planern für Erleichterung sorgen. Für den Rest Europas wird es ungemütlich.
D ie Dän*innen, ja sogar die dänischen Umweltschützer*innen, fühlen sich ganz hyggelig mit dem Fehmarnbelttunnel. Nordeuropas größtes Infrastrukturprojekt soll sie näher an den Rest des Kontinents anbinden. Die Fahrzeit per Zug von Hamburg nach Kopenhagen soll sich um 2 auf 3 Stunden verkürzen, statt 45 Minuten mit der Fähre soll es künftig 10 mit dem Auto dauern. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig wird bei den dänischen Planern deshalb für Erleichterung sorgen: Die Arbeiten für das 11-Milliarden-Euro-Projekt laufen längst.
Ungemütlich wird es für den Rest Europas – und Deutschland. Die 18 Kilometer lange Betontrasse zwischen den Inseln Fehmarn und Lolland ist eine gigantische Fehlinvestition mit eingebautem Öko-GAU. Die Planer dachten, typisch 20. Jahrhundert, alles werde immer mehr, größer, schneller. Dabei sind die prognostizierten 8.000 Autos pro Tag zu marginal für so viel Zerstörung und Kosten. Auch zehn Jahre nach Inbetriebnahme, also etwa 2039, sollen nur 1 Million Fahrgäste die Bahntrasse nutzen, lohnenswert ist sie aber erst ab 9 Millionen, watschte der Europäische Rechnungshof den Belttunnel ab. Die 73 zusätzlichen Güterzüge pro Tag machten die Kalkulation kaum besser, schimpften die Prüfer. Trotz der schnelleren Wege zum Ostseeraum sehen Fachleute hier kein Wachstum im Güterverkehr. Der nimmt sogar ab.
Die deutschen Kosten für die Anbindung des Tunnels haben sich zuletzt auf 4 Milliarden Euro verfünffacht. Dafür dürfte das Ferienidyll Fehmarn künftig von einer Infrastrukturwand zerschnitten werden. Und: Wer will schon auf der Riesenbaustelle urlauben?
Unschätzbar: die Kosten für die Natur. Der Tunnel soll in einem 60 Meter breiten und 20 Meter tiefen Graben versenkt werden. Das Meeresschutzgebiet Fehmarnbelt mit seinen Schweinswalen ist akut in Gefahr. Immerhin müssen die Planer bei den lange „übersehenen“ Riffen nachbessern. Dennoch: „Hygge“ ist nach diesem Richterspruch für Fauna und Flora im Belt Geschichte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt