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Gerichtsurteil gegen Klima-AktivistinPolizei-Fehler unerheblich

Eine Kieler Klima-Aktivistin soll 400 Euro zahlen, weil sie sich bei einer Straßenblockade gegen ihre Festnahme gewehrt hat.

Wurde von der Polizei später fehlerhaft aufgelöst: Demo im April 2019 in Kiel Foto: Carsten Rehder/dpa

Kiel taz | Mit einer „Straßenparty“ sperrte die Turbo-Klima-Kampf-Gruppe Kiel (TKKG) im April 2019 den Theodor-Heuss-Ring. Nun stand eine Aktivistin vor Gericht. Der Vorwurf: Widerstand gegen Polizist*innen. Gegenanträge von TKKG zum Fehlverhalten der Polizei spielten für das Urteil keine Rolle.

„Ich habe Angst vor einer Welt, der die Lebensgrundlagen verloren gehen“, begründete die Angeklagte im Kieler Amtsgericht ihre Teilnahme an der Aktion. Sie sei enttäuscht, wie wenig Staat und Stadt gegen den Klimawandel unternähmen. Der Heuss-Ring bietet sich für symbolische Aktionen an: Die Luftqualität ist dort seit Jahren schlecht.

Die angeklagte Aktivistin ließ sich bei der Demo von der Polizei wegtragen, später versuchte sie wegzulaufen. Drei Beamte rannten ihr nach und überwältigten sie. Dabei soll sie um sich getreten haben, so der Staatsanwalt, der eine Strafe von 400 Euro forderte. Die Angeklagte und ihre Verteidigerin Irene Thering sprachen von „Schmerzgriffen“ der Polizei, die Muskelreflexe ausgelöst hätten: „Wer auf dem Bauch liegt, kann gar nicht gezielt treten“, sagte die betroffene Aktivistin. Drei Verhandlungstage hatte das Gericht angesetzt, die Aussagen von Zeug*innen gehört, darunter die Polizisten. Vor Beginn der dritten Sitzung ahnte Thering bereits, wie es weitergehen könnte: „Ich stelle Anträge, die als,zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich’ abgelehnt werden“, sagte sie. So kam es.

Bei den Anträgen ging es um Fehler der Polizei bei der Auflösung der Demo. Ein Teil dieser Vorwürfe stimmt, wie das Verwaltungsgericht in Schleswig feststellte. Die nun angeklagte Aktivistin hatte dort geklagt und Recht bekommen. Unter anderem ging es um ihre Behandlung nach der Festnahme: Sie wirkt von Körperbau und Kleidung wie ein Mann, ist aber im Selbstverständnis und laut ihrem Pass eine Frau. „Ich wollte von Frauen durchsucht werden, aber darüber wurde sich lustig gemacht“, berichtete sie der taz.

Auch in anderem Punkten habe es Fehler gegeben, die Aktionen der Polizei seien damit rechtswidrig gewesen – und Widerstand gegen rechtswidrige Taten sei legal. Richter Schwarz ließ das nicht gelten. Es sei okay, wenn es Demonstrierende bei einer Sitzblockade der Polizei „nicht leicht machen“, treten aber sei nicht legal. Auch wenn die „Lage teilweise unübersichtlich“ gewesen sei, spielten etwaige Fehler der Polizei keine Rolle für das Urteil. Er verhängte eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 20 Euro. Für die Klima-Aktivistin und Thering bleibt es eine politische Entscheidung. Sie überlegen, in Berufung zu gehen.

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4 Kommentare

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  • Nur weil die Polizei einen fehler macht, heißt es nicht, das man diese treten darf, da finde ich 400€ mehr als fair.

    • @KeinGott KeinStaat:

      Nur weil die Polizei gesagt hat, dass sie getreten hat, muss es ja nicht so gewesen sein, zumal sie gem. Artikel ja auf dem Bauch gelegen hat. Oder gehen Sie davon aus, dass Polizisten immer die Wahrheit sagen? Sie haben sicher auch schon davon gehört, dass die Polizei immer automatisch Gegenanzeigen macht.



      Die Höhe der Geldstrafe hängt vom Einkommen ab. Ob das also fair war können Sie folglich nicht beurteilen.

  • "Der Heuss-Ring bietet sich für symbolische Aktionen an: Die Luftqualität ist dort seit Jahren schlecht." heißt es im Artikel.

    Nun ja, der Theodor-Heuss-Ring in Kiel (und die Abschnitte derselben Straße, die anders heißen) ist eine vierspurige Durchgangsstraße, die den Verkehr um das Stadtgebiet und die dort liegenden Wohngebiete herumleitet und damit die Funktion hat, die anderswo eine Umgehungsstraße hätte. Natürlich gibt es dort mehr Abgase als anderswo in Kiel. Aber würde die Luft für die Einwohner Kiels besser, wenn der Kfz.-Verkehr stattdessen durch die Wohngebiete liefe? Wohl kaum.

    Das ist wieder typisch deutsch: Man baut eine Straße, die die Stadt vom Durchgangsverkehr entlastet, und dann wird darüber lamentiert, dass sich der Durchgangsverkehr dort konzentriert. Am Konsequentesten wäre es ja, jeglichen Kfz.-Verkehr im Stadtgebiet zu unterbinden. Das funktioniert so lange, bis der Kühlschrank leer ist, und dann sprechen wir uns wieder.

    • @Budzylein:

      Sorry, aber was für ein flacher Beitrag.



      Gibt es für die Stadtverwaltung und die Bewohner keine Ideen für eine Alternative zum massenhaften Gebrauch des Privat Pkw‘s? Eine Stadtbahn für Kiel war/ist z.B. doch im Gespräch, kommt aber offensichtlich nicht recht voran.



      Wer will Lkw’s zur Belieferung abschaffen?