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Gericht lehnt Freilassung abAssange bleibt weiter in Haft

Ein Londoner Gericht lehnte am Mittwoch einen Antrag ab, den Wikileaks-Gründer gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Es bestehe Fluchtgefahr.

Eine Unterstützerin am Montag, als über die Auslieferung Assanges in die USA geurteilt wurde Foto: WIktor Szymanowicz/NurPhoto/picture alliance

LONDON taz | Elf Worte der Richterin Vanessa Baraitser waren es am Mittwoch in London, die Wikileaks-Gründer Julian Assange wieder in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt verdonnerten: „I am satisfied he would fail to surrender. Remanded in custody“, sagte sie. Auf Deutsch: Sie sei davon überzeugt, dass Assange sich nicht den Behörden stellen würde. Die Haft werde deshalb aufrechterhalten.

Am Montag hatte die gleiche Richterin die Auslieferung Assanges an die USA abgelehnt, aufgrund seiner psychischen Gesundheit, die ihn in US-Strafanstalten in Lebensgefahr bringen würde. Es sei damit zu rechnen, dass Assange sich in diesem Fall das Leben nehme.

Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier vor, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Der 49-Jährige habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Da die US-Anwälte angekündigt hatten, sie würden gegen die Ablehnung der Auslieferung Berufung einlegen, muss Assange weiter in Haft bleiben. Dafür haben die USA bis zum 18. Januar Zeit.

Richterin Baraitser nannte Assanges Flucht in die ecuadorische Botschaft als Indiz. Assange habe schon einmal versucht, sich der Justiz zu entziehen. Dorthin war Assange 2012 geflüchtet, nachdem Schweden ein Auslieferungsgesuch wegen Vergewaltigungsvorwürfen gestellt hatte.

Etwa 100 Unterstützer*innen Assanges bemühten sich trotz Lockdown vor das Gericht

Baraitser nannte auch die Flucht des Whistleblowers Edward Snowden nach Russland als Zeichen dafür, dass auch Assange versuchen könne zu flüchten. Der Wikileaks-Gründer hätte hierzu die Kontakte. Im Gefängnis Belmarsh werde Assange gut behandelt werden, befand sie.

Assanges Anwalt Edward Fitzgerald widersprach dem und verwies unter anderem auf die Gefahr einer Infektion mit Covid-19 in der Haftanstalt. Während die Anklage eine Polizeiaussage mit nur drei angeblichen Fällen zitierte, sagte Assanges Verteidigung, dass es erst vor zwei Wochen einen Ausbruch mit 90 Infizierten in dem Hochsicherheitsgefängnis gegeben habe.

Ein weiteres Hauptargument der Verteidigung war Assanges neue Familie in London, darunter seine Verlobte Stella Moris und ihre beiden Kinder, mit denen Assange bei einer Freilassung erstmals zusammenleben könnte. Moris hatte in einem TV-Interview am Mittwochmorgen angegeben, dass sie Assange am Montag das erste Mal seit Oktober 2020 zu Gesicht bekommen hätte. Richtigen Kontakt mit seiner Familie habe Assange auch wegen der Coronaschutzmaßnahmen zum letzten Mal im März 2020 gehabt, erklärte Fitzgerald auch der Richterin.

Bei seiner Familie wäre Assange vor Covid-19 sicher, hieß es weiter. Und in Großbritannien profitiere er vom britischen Rechtssystem und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Fitzgerald berief sich außerdem auf den Artikel 8 der Menschenrechte für Rechtsschutz, denn Assange sitze aufgrund des Verfahrens bereits 15 Monate in Haft. Doch der zweistündige Austausch der Argumente blieb erfolglos.

Wikileaks-Chef: Entscheidung ist unmenschlich

Nach dem Urteil erklärte Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson vor dem Gericht, Assanges Verteidigung werde gegen dieses Urteil Berufung einlegen. Er bezeichnete die Entscheidung als unmenschlich und unlogisch. Sowohl er als auch Assanges Verlobte Stella Moris plädierten dafür, dass die USA die Anklage aufheben sollten.

Eine Schar von geschätzt 100 Unterstützer*innen Assanges bemühte sich derweil trotz des landesweiten britischen Lockdowns vor das Londoner Gericht und skandierte „Free, Free Assange“. Mindestens zwei Menschen wurden dabei von der Londoner Polizei auf Basis der Verfügungen zum Schutz gegen Covid-19 festgenommen.

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