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Gericht in Dresden über HeidenauVersammlungsverbot ist rechtswidrig

Das Versammlungsverbot in Heidenau ist rechtswidrig, hat das Verwaltungsgericht Dresden entschieden. Zuvor hatte Vizekanzler Gabriel scharfe Kritik geäußert.

Hier gibt‘s alles: „Gewalttäter und Kriminelle“ auf der einen Seite, „Menschen mit Zivilcourage“ auf der anderen, wie Gabriel es ausdrückt Foto: dpa

Marburg rtr/dpa | Das Verwaltungsgericht Dresden hat das vom zuständigen Landratsamt für das Wochenende erlassene Versammlungsverbot in Heidenau für rechtswidrig erklärt. Die Richter gaben damit am Freitag einem Eilantrag eines Klägers statt, der an einer der geplanten Kundgebungen teilnehmen wollte.

Das Gericht begründete seine Entscheidung insbesondere damit, dass der polizeiliche Notstand, mit dem das Verbot begründet worden sei, von den Behörden nicht hinreichend belegt worden sei.

Zuvor hatte unter anderen Vizekanzler Sigmar Gabriel das Versammlungsverbot scharf kritisiert. „Ich verstehe die Entscheidung überhaupt nicht“, sagte Gabriel am Freitag in Marburg.

Er verstehe, dass Neonazis angesichts der jüngsten Ausschreitungen vor der Flüchtlingsunterkunft in dem sächsischen Ort keine Versammlung erlaubt werde. Er könne jedoch nicht verstehen, wieso auch Demokraten betroffen seien, die für einen vernünftigen Umgang mit Flüchtlingen plädierten.

„Es gibt keinen Grund, die beiden gleich zu behandeln“, sagte der SPD-Vorsitzende. „Das eine sind zum Teil Gewalttäter und Kriminelle und das andere sind Menschen mit Zivilcourage.“

Der Staat dürfe nicht zurückweichen, sagte Gabriel. „Man kann nicht nach dem Aufstand der Anständigen rufen, wenn es keinen Anstand der Zuständigen gibt.“

Wenn die sächsische Polizei sich nicht in der Lage fühle, ein geplantes Willkommensfest für Flüchtlinge zu schützen, müsse sie in anderen Bundesländern um Unterstützung fragen.

Das Landratsamt hat von Freitagmittag bis Montagfrüh alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel in Heidenau untersagt. Die Behörde begründete dies mit einem polizeilichen Notstand. Betroffen ist unter anderem ein Willkommensfest eines Anti-Nazi-Bündnisses für Flüchtlinge.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hatte angekündigt, dennoch nach Heidenau fahren und dort auf die Straße gehen zu wollen.

Ob die Polizei in der Lage ist, eine für Samstag angekündigte Demonstration von Dresden Nazifrei in der Landeshauptstadt abzusichern, wollte der Dresdner Polizeisprecher Thomas Geithner am Freitag nicht beantworten. „Die Personalsituation ist das ganze Wochenende angespannt“, sagte er.

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9 Kommentare

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  • Bin mal gespannt, ob der nächste G7-Gipfel auf deutschem Boden auch verboten wird, weil man nicht genug Polizisten hat.

  • Die haben nicht genug Polizei, um ein Grillfest zu schützen, aber genug, um ein Versammlungsverbot durchzusetzen? Erstaunlich!

  • Ach ja, der aufrechte Herr Gabriel! Einen „Anstand der Zuständigen“ wünscht er sich. Da freut man sich doch als Anständig-AufständischeR, und möchte ihn am liebsten sofort wählen... - wenn da nicht das kleine fiese Männlein wäre in den eignen Ohren, das einen hämisch fragt, wofür genau Herr Gabriel denn zuständig zu sein wünscht und was sein Anstand uns bisher beschert hat außer flotten Sprüchen. Dem Verwaltungsgericht zu Dresden hat er ja erkennbar gar nichts vorzuschreiben. Und den Behörden, die ihren angeblichen „Notstand“ nicht belegen konnten (oder mochten), wohl auch nicht. Sch... Rechtsstaat, sch... Gewaltenteilung, gel? Und überhaupt: Sch... Demokratie!

  • Die Entscheidung des Landratsamts war doch völlig richtig. Man sollte den Flüchtlingen vor allem jetzt erst einmal Ruhe gönnen.

    Die Begründung "polizeilicher Notstand" war dagegen allzu offensichtlich Unsinn, weshalb das Verwaltungsgericht sie einkassieren musste. Zufrieden kann man damit allerdings nicht sein.

    • @Rainer B.:

      Sorry - & mit Verlaub - geschätzter

      Rainer B. - wie meinen? im Ernst¿!

       

      Ob es klug ist eine Demo etc zu veranstalten - haben die Veranstalter &

      Teilnehmer zu entscheiden. Ja.

      Aber - was bitte geht das das Landratssmt an.??

       

      Demonstrationsfreiheit ist ein vorbehalts/genehmigungsfreies!! Grundrecht in dieser Republik - Karlsruhe via Mülheim-Kärlich etc festgeklopft - &

      Das soll/wird bitte auch weiterhin verfassungsfester Standard sein.

       

      Also - nö - nich!

      • @Lowandorder:

        "Das Verwaltungsgericht Dresden hat das vom zuständigen Landratsamt ..."

        Also da darf man doch wohl davon ausgehen, dass das Landratsamt da auch zuständig war - oder?

    • @Rainer B.:

      Sooo belastend ist jetzt ein Willkommensfest auch wieder nicht. Vor allem die Kinder freuen sich. Freilich sollte man davon ausgehen dürfen, daß man in Schland nicht schon deswegen politisch verfolgt wird und der Staat dazu nur sagt: "Wir sind machtlos." Das sind ja sonst Zustände wie in Syrien.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Ich spreche mich doch überhaupt nicht gegen ein Willkommensfest aus - ganz im Gegenteil. Derzeit ist leider zu befürchten, dass ein solches Fest komplett ins Gegenteil umschlägt, weil es offensichtlich dort zZt. keinerlei erkennbare und entschiedene Aktionen gegen den braunen Mob gibt. Man kann sich doch diesen Mob nicht einfach wegdenken und gut isses. Solange die Lage dort nicht unter Kontrolle ist und klare Strategien der Polizei vorliegen, muss man davon ausgehen, dass so ein Fest am Ende nur zu einer zusätzlichen Belastung für die Flüchtlinge mutiert. Diese Unzulänglichkeiten dürfen nicht auch wieder bequem auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werden, denn dann wird es vor Ort keinerlei Fortschritte geben können.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    „Man kann nicht nach dem Aufstand der Anständigen rufen, wenn es keinen Anstand der Zuständigen gibt.“

     

    Das hätte Bilbo Beutlin nicht besser ausdrücken können. Aber vermutlich spielt die deutsche Bundespolitik eh inzwischen im Herrn der Ringe.