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Gerechte Verteilung von WohnraumWohnung zum Tauschen gesucht

Soziale Spaltung, Wohnungsknappheit, Klimawandel: Es gibt Gründe, warum Wohnraum gerechter verteilt werden muss. Kann Wohnungstausch funktionieren?

Begehrtes Objekt: Altbau in Hamburg Foto: Miguel Ferraz

Bremen taz | Wenn die Kinder aus dem Haus sind und vielleicht auch noch der*­die Part­ne­r*in stirbt, wird es in einer großen Immobilie ganz schnell einsam. Und auch oft zu teuer – oder nicht altersgerecht, wenn sich viele Stockwerke nach oben erstrecken. Von dieser Weite träumen andere, die ihre Kinder in diesem Moment großziehen, dies bald tun wollen oder in einer Wohnform der Gemeinschaft leben möchten. Sie verzweifeln bisweilen bei der Suche, weil der passende Wohnraum in der Stadt oft besetzt ist.

Das Problem der großzügigen Alters- und durchaus auch Single-Residenzen wurde inzwischen erkannt, auch in der Politik. Es ist nicht das einzige Problem auf dem Wohnungsmarkt: Ohnehin knapper Wohnraum und steigende Mieten sind ebenso problematisch. Aber es ist eines, auf die eine Antwort leicht scheint: Wohnungstauschbörsen sind eine naheliegende Lösung. Oft scheitert ein Tausch jedoch schon an der Vermittlung; trotz diverser Vorstöße konnte sich noch keine Börse wirklich etablieren.

Das Wohnungstausch Potenzial hat, zeigt eine Studie des Kölner Immobilien-Unternehmens Pantera aus dem vergangenen Jahr: Demnach wäre über die Hälfte der Deutschen bereit, im Alter in eine kleinere Wohnung zu ziehen. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen ist die Bereitschaft dazu besonders hoch. Stress machen nur die Babyboomer, die gleichzeitig die nächste Rent­ne­r*in­nen­ge­ne­ra­ti­on sind. Manche stehen eben auf Überfluss.

Dank derer, die bereit sind, aus ihren großen Wohnungen auszuziehen, könnte bereits bestehender Wohnraum viel effizienter genutzt werden; mehr soziale Gerechtigkeit und weniger klimaschädliche Neubauten aus Beton wären gewonnen. Eine „sozialverträgliche Neuverteilung von Wohnraum“ haben in Bremen kürzlich die Landesverbände von BUND und Paritätischem gefordert, denn Wohnpolitik ist eben gleichermaßen eine ökologische wie soziale Frage.

Verbundenheit mit dem Quartier

Als Maßnahmen schlugen die Verbände die Förderung von Untervermietung und Umzugshilfen vor. Ein „sehr sinnvolle und zugleich sehr anspruchsvolle Forderung“ sei dies, sagt Robert Bücking, wohnungspolitischer Sprecher der Bremer Grünen. Ein Problem sei, dass gerade ältere Menschen ungern umziehen und auf jeden Fall in ihrem Quartier bleiben wollen. Und da fehle es oft an entsprechend kleineren und vor allem bezahlbaren Wohneinheiten. Lock-in-Effekt heißt das, wenn Mie­te­r*in­nen buchstäblich in ihre Wohnung festsitzen.

Seit Jahren versuche man, Be­woh­ne­r*in­nen von Altbremer Häusern dazu zu bringen, in ihrem Obergeschoss junge Menschen einziehen zu lassen, sagt Bücking – eventuell gegen Hilfe im Haushalt. „Das ist bisher nur bescheiden erfolgreich.“ Der Grünen-Politiker hatte zudem die Idee, aus Mitteln für den sozialen Wohnungsbau Einliegerwohnungen zu fördern. Raum würde dadurch nicht nur effizienter genutzt, auch die soziale Integration würde gefördert. „Das fiel unserer Behörde aber wahnsinnig schwer“, sagt Bücking. Die vielen Kun­d*in­nen seien auf die ganze Stadt verteilt gewesen. Das sei schwer zu administrieren.

Dass es so viele Ak­teu­r*in­nen auf dem Wohnungsmarkt gibt, stellt auch Projekte wie die Hamburger Tauschbörse des städtischen Wohnungsunternehmens Saga vor ein Hindernis: Denn wie finden sich zwei Parteien, die nichts voneinander wissen und deren Hausverwaltungen nicht miteinander sprechen?

Eine Tauschbörse wie in Hamburg gebe es in Bremen nicht, sagt Bücking. Aber auch in Hamburg sei ihre Wirkung „bescheiden“. BUND und Paritätischer hätten mit ihrer Beobachtung, dass der Markt nicht anpassungsfähig genug ist, „total recht“. Bücking: „Nur Antworten darauf zu finden, ist ein echt dickes Brett.“

Umzugshilfen befürwortet auch Falk Wagner, wohnungspolitischer Sprecher der Bremer SPD. Aber: „Neubau brauchen wir trotzdem.“ Und ein Stück weit sei die Entwicklung, dass Menschen mehr Raum bewohnen als früher, auch „sozialer Fortschritt“. Nur „exzessiv“ dürfe eine Wohnsituation nicht werden – das sei etwa bei Penthouses für Singles der Fall.

Angst vor der Pflicht zum Wohnungstausch

In einem Papier hatten die Bremer Grünen Mitte vergangenen Jahres vorgeschlagen, dass Bre­me­r*in­nen nach dem Auszug ihrer Kinder mit jungen Familien die Wohnung tauschen könnten – und stießen damit sogar bei der SPD auf Widerstand. Es gab bei den Sozialdemokraten wohl die Angst, dass der Wohnungstausch verpflichtend werden könnte – dabei, so die Grünen-Fraktion, gehe es natürlich nur um freiwillige Umzüge.

In dem Papier bezogen sich die Grünen auf eine Umfrage, nach der fast zwei Drittel der älteren Bre­me­r*in­nen bereit seien, in kleinere Wohnungen umzuziehen – damit würden laut Erhebung 800.000 Quadratmeter Wohnraum frei.

In Hamburg und auf Bundesebene waren die Grünen Ende 2019 mit einer ähnlichen Idee noch weiter gegangen und forderten ein Recht auf Wohnungstausch, sofern der Vermieter derselbe ist. Innerhalb einer Wohnungsgesellschaft sollten Wechsel ermöglicht werden – und zwar ohne steigende Kosten.

Ein relevanter Punkt, denn schwierig zu etablieren ist das Tauschen nicht nur, weil sich Pärchen erst einmal finden müssen – sondern auch, weil Umzüge oft genutzt werden, um klammheimlich die Mieten zu erhöhen. In diesem Fall hat eine junge Familie von dem Deal wenig. Und auch die andere Partei leidet unter der Mietpreisentwicklung, wenn die neue Wohnung zwar kleiner, aber genauso teuer ist wie die jetzige

So oder so muss ein bundesweiter Mietendeckel her, und Bauen sollten sowieso nur noch Genossenschaften, die den Vorteil haben, dass sie Mie­te­r*in­nen mit unterschiedlichen Bedürfnissen vermitteln können.

Noch scheitert die Idee eines Wohnungstausches am politischen Willen. Aber so lange die Probleme bleiben, dürfte der Druck auf Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen eher wachsen.

Mehr über Wohnungstausch und Wohnraumknappheit lesen Sie im aktuellen Wochenendschwerpunkt der taz nord oder am E-Kiosk.

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2 Kommentare

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  • "Stress machen nur die Babyboomer, die gleichzeitig die nächste Rent­ne­r*in­nen­ge­ne­ra­ti­on sind. Manche stehen eben auf Überfluss."

    Frau Götz, wenn ich sowas lesen muss, kommt mir das Essen wieder hoch.

    Augen auf bei der Berufswahl!

    • @Grenzgänger:

      So ging es mir auch. Ich frage mich, wann bestimmte Kreise hier die Frage nach einem sozialverträglichen Frühableben dieser Personengruppe fordern...