Wohnungsbaupolitik in Niedersachsen: Nicht mal Geld für Löcher im Dach

2021 blieb die Zahl neuer Wohnungen in Niedersachsen konstant. Nun warnt die Immobilienwirtschaft vor einer Vollbremsung beim sozialen Wohnungsbau.

Ein Baugerüst steht an einem mehrgeschossigen Neubau.

Zu wenig und zu teuer: Neubauten gehen immer mehr am Bedarf vorbei Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HANNOVER taz | Es ist kaum zu glauben, dass sich in Sachen Wohnungsmarkt die Alarmmeldungen noch toppen lassen. Zu sehr hat man sich in den letzten Jahren daran gewöhnt, dass hier ein Negativrekord nach dem anderen aufgestellt wird: Mieten und Grundstückspreise haben immer neuere Höhen erreicht.

Doch nun das: Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen (VDW) sagt eine abrupte Vollbremsung beim sozialen Wohnungsbau voraus. Geht es tatsächlich noch schlimmer?

Anlass ist eine Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen, an der rund die Hälfte der VDW-Mitglieder, insgesamt 81 sozial orientierte Genossenschaften und kommunale Gesellschaften, teilnahmen. Von denen wiederum kündigte eine überwältigende Mehrheit an, Neubau- und Modernisierungsprojekte zurück zu stellen oder sogar ganz aufzugeben.

Grund ist die Preisentwicklung im Bausektor, die eine solide Kalkulation und Ausschreibung aktuell unmöglich macht, sagt der VDW. Zum schon lange beklagten Anstieg der Baukosten – auch aufgrund steigender Anforderungen – kommen nun noch fehlende Baumaterialien aufgrund der einbrechenden Lieferketten, knappe Kapazitäten bei den ausführenden Firmen, teure Baugrundstücke und neuerdings auch wieder steigende Hypothekenzinsen, listet VDW-Verbandsdirektorin Susanne Schmitt auf.

Das Problem betrifft längst auch die Mittelschicht

Diese Wende käme auch deshalb so überraschend, weil sich das Investitionsvolumen in den letzten Jahren eigentlich kontinuierlich nach oben entwickelt habe, sagt Schmitt. Insbesondere der Neubau habe in der vergangenen Dekade mächtig zugelegt: 2011 wurden 105,7 Millionen Euro investiert, 2021 waren es 773,0 Millionen Euro.

„Falls sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, rechnen wir mit einem Neubaurückgang in unserem Verband von jährlich bis zu 1500 Wohneinheiten ab 2023.“ Und auch im Bereich Modernisierung, Sanierung und Instandsetzung werden Projekte auf Eis gelegt.

Susanne Schmitt, Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen

„Falls sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, rechnen wir mit einem Neubaurückgang“

Das ist deshalb bitter, weil Niedersachsen – wie andere Länder auch – ohnehin hoffnungslos hinterherhinkt, was die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum angeht. Jedes Jahr, rechnet etwa die Landesarmutskonferenz unermüdlich vor, fallen mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung als neue geschaffen werden.

Und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt, dass dies schon lange nicht mehr nur die Haushalte mit dem ganz schmalen Geldbeutel treffe: Neben Geringverdienern, Rentnern, Azubis, Studierenden und Alleinerziehenden werde es auch für Angehörige der Mittelschicht zunehmend schwierig, die steigenden Wohnkosten zu stemmen oder gar Wohneigentum zu erwerben.

Landeswohnungsbaugesellschaft ist keine schnelle Lösung

Im politischen Raum wird deshalb schon länger die Idee einer Landeswohnungsbaugesellschaft ventiliert. Vor allem SPD und Grüne halten den Verkauf der Niedersächsischen Landeswohnungsbaugesellschaft (NILEG) 2005 durch die CDU-FDP-Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) für einen fatalen Fehler.

Innerhalb der aktuell regierenden großen Koalition konnte sich die SPD mit ihren Vorstellungen aber nicht gegen die CDU durchsetzen. Am vergangenen Wochenende kürte die SPD die Gründung einer neuen Landeswohnungsbaugesellschaft nun zu einer der zentralen Wahlkampfforderungen.

Kritiker aus CDU und FDP monieren, dass die Gründung einer weiteren Gesellschaft letztlich Augenwischerei sei. „Die Bedingungen zum Bau von Wohnraum wären die gleichen wie sie jetzt auch kommunale Wohnbaugesellschaften oder Baugenossenschaften haben“, sagt etwa Susanne Schütz (FDP).

Man müsse doch auch einmal so ehrlich sein zu sagen, dass Bauen gerade aus verschiedenen Gründen sehr teuer sei – und viele davon könnte die Landespolitik gar nicht beeinflussen. Dazu würde die Schaffung einer weiteren, übergeordneten Struktur ja erst einmal auf den gleichen Fachkräftemangel stoßen, der den Bauämter und sonstigen Genehmigungsbehörden heute schon zu schaffen mache.

Eine kurzfristige Lösung wäre eine Landeswohnungsbaugesellschaft tatsächlich nicht, das sagen auch Befürworter. Das wurde zum Beispiel bei einem Austausch im Januar deutlich, als Niedersachsens Bauminister Olaf Lies (SPD) bei seiner bayerischen Amtskollegin Kerstin Schreyer (CSU) nach den Erfahrungen mit der 2018 gegründeten BayernHeim GmbH fragte.

Die Gründung und der Aufbau eines solchen Unternehmens sowie die anschließende Vorbereitung und Umsetzung von Bauvorhaben nehme Zeit in Anspruch, hieß es da. Zum Zeitpunkt des Gespräch – vier Jahre nach der Gründung – hatte die BayernHeim nach Angaben des Ministeriums „mittlerweile mehr als 3.000 Wohnungen in Bestand, Bau oder Planung“.

Das ist viel zu wenig, um auf dem Mietmarkt eine preisdämpfende Wirkung zu entfalten. Zum Vergleich: Große kommunale Wohnungsbauunternehmen wie die hanova (ehemals GBH) oder auch ihre bayerischen Pendants in München und Nürnberg haben bis zu 16.000 Wohnungen im Bestand.

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