Geplatzter Börsengang in China: Eine Machtdemonstration
Der Börsengang der chinesischen Ant Group dürfte im zweiten Anlauf gelingen. Doch auch Milliardäre werden im autoritären China immer mehr eingegrenzt.
C hinas erfolgreichster Unternehmer genießt eine unglaubliche Popularität in seinem Heimatland. Weil er seinen Landsleuten bewiesen hat, dass man im modernen China auch ohne reichen Familienhintergrund und Parteikontakte Erfolg haben kann. Wie kein Zweiter gilt der exzentrische Jack Ma als die Personifizierung des chinesischen Traums. Entsprechend selbstsicher, ja sich scheinbar unverwundbar fühlend, hat Jack Ma vor zwei Wochen während einer Rede in Schanghai das risikoscheue, angestaubte Bankensystem angegriffen.
In Deutschland würde dies nur ein paar Schlagzeilen produzieren, doch spätestens nach ein paar Tagen wäre der Aufschrei verstummt. Im autoritären China hingegen werden die roten Linien immer enger gezogen: Was noch vor wenigen Jahren als kühne Kritik von der Regierung hingenommen worden wäre, wird unter Staatschef Xi Jinping mittlerweile als Angriff auf die soziale Ordnung gewertet.
Dass Chinas Finanzregulatoren den geplanten Rekordbörsengang von Jack Mas Ant Group – einem Tochterunternehmen des Onlineriesen Alibaba – auf Eis gelegt haben, ist eine Machtdemonstration des Staates. Im Reich der Mitte kann ein studierter Englischlehrer zwar Multimilliardär werden, doch letztlich behält die Parteiführung das Sagen. Xi Jinping lässt keinen Zweifel daran, dass er bei der Abwägung zwischen wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen stets Letzteren den Vorzug gibt.
Dabei ist Jack Ma kein Provokateur. Er ist Mitglied der Kommunistischen Partei, gibt sich in der Öffentlichkeit loyal gegenüber dem System und verteidigt auch die bestehende Internetzensur. Doch im Jahr 2020 reichen bereits ein paar abfällige Kommentare gegen das Finanzsystem, um in die Schranken verwiesen zu werden. Der schillernde Unternehmer-Star wird sich von diesem Schlag erholen. Dessen geplatzter Börsengang wird wahrscheinlich im zweiten Anlauf gelingen. Das Gefühl der Unverwundbarkeit wird Jack Ma in seinem Heimatland jedoch nicht mehr zurückerlangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen