Geplantes Verbrenner-Aus ab 2035: Alles andere als ehrgeizig
Die EU täuscht mit dem angekündigten Verbot von Verbrennern eine echte Klimapolitik nur vor. Kund:innen und die Industrie sind längst viel weiter.
E s ist ein besonderer Ausdruck von Weltabgewandtheit: Die Autolobby schreit nach der Entscheidung des Europäischen Parlaments, im Jahr 2035 die Zulassung neuer Pkw mit Benzin- oder Dieselantrieb zu verbieten, Zeter und Mordio. Auto-Cheflobbyistin Hildegard Müller und sieht in dem Abstimmungsergebnis allen Ernstes ein Votum gegen die Bürger:innen und gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien. Das ist einfach falsch. Dass auch FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing mit ähnlichen Argumenten gegen das Verbrenner-Aus für 2035 ist, macht es nicht besser.
Viel mehr Menschen wollen ein E-Auto kaufen, als Fahrzeuge verfügbar sind; die Autobranche geht die Umstellung auf E-Mobilität längst an. Die Autobauer haben sich weltweit für E-Mobilität entschieden, der Wasserstoffantrieb ist für sie im Pkw-Bereich keine Alternative. Synthetische oder Agrarkraftstoffe sind aus vielen Gründen ein Irrweg, unter anderem weil sie viel zu teuer sind.
Mit der Ladeinfrastruktur wird es ausgehen wie mit den Corona-Impfstoffen: Es wird nicht lange dauern, dann ist das Angebot größer als die Nachfrage. An Autobahnen in Ballungsgebieten entstehen große Schnellladeparks, Supermärkte und Unternehmen locken mit Angeboten zum Stromtanken. Mehr Bürger:innen wollen bei sich zu Hause eine Ladestation einrichten, als Technik und Handwerker:innen verfügbar sind.
Aber auch die Vorstellung einiger Grüner, dass durch die Entscheidung des EU-Parlaments eine E-Auto-Revolution in Gang kommt, ist falsch. Diese Revolution hat längst begonnen, aber weder die EU noch die deutsche Ampelregierung stellen sich an ihre Spitze.
Unambitionierte Ziele
Der Zulassungstopp für fabrikneue Autos mit Benzin- oder Dieselmotor im Jahr 2035 ist alles andere als ehrgeizig. Der größte europäische Autobauer Volkswagen hat sich schon längst entschieden, zu diesem Zeitpunkt für den EU-Markt keine Verbrenner-Pkw mehr herzustellen, andere steigen viel früher aus. Das Europäische Parlament hat mit der Festlegung auf das Ausstiegsjahr 2035 darauf verzichtet, diesen längst begonnenen Prozess zu beschleunigen.
Autos haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 15 Jahren, manche fahren noch viel länger. Das Zulassungsverbot von neuen Verbrennern bedeutet also nicht das Ende von Diesel- und Benzin-Pkw. Würde die EU früher als 2035 das Verbot erlassen, würde sie mehr Wucht in den Transformationsprozess bringen. So aber dackelt sie der Entwicklung nur hinterher.
Und mit ihr die Ampelregierung in Deutschland. Sie hat mit Hinweis auf die Entscheidungen in der Europäischen Union kein Datum für das Aus von Verbrennerautos in Deutschland festgelegt. Ihr Ziel, dass bis 2030 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren sollen, ist ambitionslos – dass es so kommt, regelt der Markt von allein.
Die EU und die deutsche Regierung täuschen eine klimagerechte Autopolitik nur vor. Ihre Verzögerungstaktik ist fatal. Angesichts der Klimakrise müssen sie mehr Tempo machen und nicht Druck aus dem Kessel nehmen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
+++ Nachrichten zur Ukraine +++
Gespräche bei der Sicherheitskonferenz