Geplantes Prostituiertenschutzgesetz: Geregelter Sex
Koalition will per Gesetz bessere Bedingungen für Prostituierte schaffen. Lobbyverbände befürchten mehr Kontrolle als Schutz.
Worum geht es?
Union und SPD vereinbarten im Koalitionsvertrag das Prostituiertenschutzgesetz, das neben dem seit 2002 gültigen Prostitutionsgesetz bestehen soll. Während das alte Gesetz Prostitution entkriminalisiert und die Rechtsverhältnisse in der Prostitution regelt - etwa dass eine sexuelle Dienstleistung in jedem Fall bezahlt werden muss und Prostituierte notfalls ihr Honorar einklagen können, zielt das neue Gesetz auf den persönlichen und gesundheitlichen Schutz von SexarbeiterInnen ab. Der entsprechende Gesetzentwurf wird derzeit zwischen Bund und Ländern abgestimmt. Das Gesetz soll 2016 in Kraft treten.
Was genau daran kritisieren die Lobbygruppen?
Da ist zum Beispiel die geplante Anmeldepflicht. Alle SexarbeiterInnen sollen sich künftig bei einer dafür zuständigen Behörde anmelden. Dann bekommen sie eine Art Meldebestätigung, die sie bei Kontrollen vorzeigen müssen. Noch ist unklar, ob in diesem „Ausweis“ der Klarname stehen muss oder ein „Künstlername“, dann jedoch mit einem Foto.
Damit soll unter anderem Menschenhändlern auf die Schliche gekommen und Zwangsprostitution eingedämmt werden. Doch genau das werde, so die KritikerInnen, nicht geschehen. Menschenhandel und Prostitution müssten klar voneinander getrennt werden.
„Der Menschenhandel wird durch das neue Gesetz nicht erschwert werden“, sagte Andrea Hitzke von der Dortmunter Mitternachtsmission, einer Beratungsstelle für SexarbeiterInnen. Hitzke vermutet eher, dass Menschenhändler, die ihre Opfer in die Prostitution zwingen, alles tun werden, um sich unauffällig verhalten. So werden sie die Frauen ordnungsgemäß anmelden, ihnen dann aber möglicherweise den „Hurenpass“ wegnehmen. Damit könnten sie die Frauen zusätzlich erpressen. Sie könnten damit drohen, ihre Familie über die Sexarbeit zu informieren. Das sei insbesondere bei Frauen, die aus Ländern kommen, in denen Prostitution stark stigmatisiert sei, problematisch.
Künftig Pflicht zur gesundheitlichen Beratung
Es sei aber auch schon vorgekommen, dass Anmeldedaten einfach verraten würden. Rademacher von der DAH sagte: „Da ist der Sohn des Nachbarn Polizist und erfährt von der Prostitution. Das kann er knallhart ausnutzen.“ Maria Loheide, Vorstand für Sozialpolitik bei der Diakonie, empfindet das als Gefahr für den Datenschutz. Juristin Wersig sieht in der Anmeldepflicht zudem eine „unverhältnismäßigen“ Zwang: Kaum eine andere Berufsgruppe müsste sich auf diese Weise legitimieren.
Prostituierte sollen sich künftig gesundheitlich beraten lassen. Die Pflicht dazu stehe der Absicht, Prostituierte zu schützen, „diametral entgegen“, warnte Susanne Kahl-Passoth, Vizechefin des Deutschen Frauenrates. Eine Zwangsberatung führe eher dazu, dass sich SexarbeiterInnen mit Problemen nicht öffnen würden, weiß Rademacher. Ein besserer Weg sei die Aufklärung über Plakate oder mit Hilfe von Gesundheitskampagnen.
Das träfe auch auf die Kondompflicht für Freier zu. Professionelle SexarbeiterInnen haben ein eigenes Interesse daran, Kondome zu benutzen. Der Frauentreff Olga beispielsweise, ein Notdienst für drogenabhängige und sich prostituierende Frauen, gibt eigenen Angaben zufolge jedes Jahr rund 55.000 Kondome aus. „Die werden benutzt“, sagte eine Mitarbeiterin.
Wer soll zudem kontrollieren, ob das Kondom tatsächlich benutzt wird? Die gesamten Pflichten, die mit dem Gesetz verbunden seien, „obliegen allein Prostituierten“, sagte Kahl-Passoth. Während die Kunden – bis auf die Kondompflicht – unbehelligt blieben.
Die Verbände haben ihre Bedenken der Regierungskoalition ausführlich mitgeteilt. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) habe „großen Beratungsbedarf“ gezeigt. Aber es deute nichts darauf hin, dass das geplante Gesetz geändert würde. „Das liegt an der CDU“, ist sich Kahl-Passoth sicher: „Die möchte ein schwedisches Modell.“ Das befürwortet unter anderem Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer.
In Schweden ist Prostitution seit 1998 verboten, Freier werden bestraft. Die Folge: SexarbeiterInnen begeben sich in die Illegalität. Das mache ihren Schutz nahezu unmöglich, so Kahl-Passoth.
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