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Geplante Wiederaufbauhilfen der EUKritik an Ukraine-Milliarden

Die EU will nach dem Krieg den Wiederaufbau in die Hand nehmen. Dass dafür auch Kriegsanleihen aufgenommen werden sollen, sorgt für Unmut.

Wer zahlt wie für den Wiederaufbau in der Ukraine? Das debattiert die EU Foto: Ricardo Moraes/reuters

Brüssel taz | Die EU-Kommission will die Führung beim Wiederaufbau in der Ukraine übernehmen – und dafür Milliarden investieren. Allein 2022 könne das Land mit bis zu 9 Milliarden Euro Soforthilfen rechnen, sagte Kommis­sionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Das Geld soll in Form von zinsvergünstigten Darlehen fließen.

Die Europäer hätten ein „strategisches Interesse“ daran, dass die Ukraine schnell wieder auf die Beine kommt, sagte von der Leyen. Angesichts des russischen Angriffskriegs stehe das Land an der „Frontlinie“ und verteidige „unsere Werte“. Bisher ist die Ukraine nur durch ein Assoziierungsabkommen an die EU gebunden.

Zudem ist kein Ende des Krieges absehbar. Die Schäden werden immer größer, die Staatskasse ist leer. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds benötigt die Ukraine pro Monat 5 Milliarden US-Dollar, um die laufenden Staatsaufgaben zu finanzieren. Die langfristigen Kosten für den Wiederaufbau könnten bei mindestens 600 Milliarden Dollar liegen.

Von der Leyen sieht darin aber offenbar kein Problem. Man müsse schon jetzt an die Zeit nach dem Krieg denken und den EU-Beitritt vorbereiten, sagte sie. Investitionen und Reformen müssten Hand in Hand gehen. Die Kommission sei bereit, den Prozess zu steuern und den Wiederaufbau mit Partnern wie den USA oder dem IWF zu koordinieren. Dazu will sie eine „Wiederaufbauplattform“ einrichten.

Unklar ist, woher das Geld kommen soll. Von der Leyen sagte lediglich, dass die EU nicht allein zahlen wolle. Man werde einen neuen Fonds namens „Rebuild Ukraine“ schaffen, der „durch einen Mix aus Krediten und Zuschüssen“ finanziert werde. Dabei könne die EU-Kommission an die Erfahrungen mit dem Corona-Wiederaufbaufonds anknüpfen, erklärte Budgetkommissar Johannes Hahn.

Schulden als Ausnahme

Für diesen Fonds hat die EU 750 Milliarden Euro Schulden aufgenommen. Allerdings sollte dies eine Ausnahme bleiben: Nur unter dieser Bedingung hatten Deutschland und andere EU-Länder dem Fonds zugestimmt. Dennoch zirkulieren in Brüssel bereits Pläne, einen neuen schuldenfinanzierten Fonds für die Ukraine zu schaffen.

Einige EU-Politiker denken auch darüber nach, die Devisenreserven der russischen Zentralbank anzuzapfen. Die EU und die USA hatten nach Beginn des Ukrainekrieges Devisen im Wert von geschätzt 300 Mil­liarden Dollar eingefroren. Nun könnten diese beschlagnahmt werden, meint der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. „Wir haben das Geld in unseren Taschen“, sagte der Spanier. Jetzt müsse man es nur noch an die Ukrai­ne weiterleiten. Ähnlich waren die USA nach dem Abzug aus Afghanistan verfahren.

Allerdings gibt es gegen beide Pläne Bedenken. Gegen „Kriegsanleihen“ für die Ukraine hat sich die Bundesregierung ausgesprochen. Ein neues Schulden­programm werde es mit ihm nicht geben, betonte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Vor der Enteignung der russischen Zentralbank warnen Experten: Das sei völkerrechtlich problematisch und könne das Vertrauen in das Finanzsystem erschüttern.

Das letzte Wort haben die EU-Staaten. Sie müssen nun über alternative Finanzquellen nachdenken – und klären, ob die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten bekommt. Mit der Entscheidung wird im Juni gerechnet.

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6 Kommentare

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  • was für eine frage ...

    wer bezahlt ?

    die bevölkerung der ukraine bezahlt jetzt schon einen bitteren preis für das bereits geschehene.



    und dies wird sich über viele, viele jahre fortsetzen.

  • Es ist sonderbar, dass kaum jemand das Hauptproblem der Ukraine thematisiert, wenn sie Milliarden an Geldern für den Wiederaufbau bekommen sollte: nämlich die Korruption und die Oligarchen!

    Die Ukraine ist fast so korrupt wie Russland, selbst Italien hat das besser im Griff. Zelenskij, der seinerzeit im Wahlkampf mit dem Vorhaben startete das einzudämmen, hat letzten Endes nichts getan. Statt dessen hat er weiter die Demokratie abgebaut, und die Oligarchen mit Geld gefüttert vor dem Krieg.

    Die wirklich wichtige Frage ist also: wie kann man als Geldgeber dafür sorgen, dass Wiederaufbaugelder auch wirklich dort landen, wo sie hingehören, nämlich beim Volk und nicht im Säckel eines der Ukraine-Oligarchen, der sich damit die nächste Yacht finanziert?

    Wenn man da keine Lösung findet, dann bleibt die Ukraine genau das, was sie schon vor dem Krieg war: ein Fass ohne Boden. Ein Sumpf der Korruption.

  • Die Sorge um Recht und Gesetz-.

    Ja das liebe Völkerrecht, es ist schwierig. Man will sich nicht als Rechtsstaat entwertet sehen. Allerdings pfeift nicht nur das Putin Regime auf das Völkerrecht, überfällt Länder und bringt tausende Menschen grundlos um.



    So der Sultan vom Bosporus. Beide dürfen eigentlich alles ohne genau hinterfragt zu werden wer es erleiden soll. Neunundzwanzig gegen Einen, ganz einem Kind das zwar straffällig geworden ist, aber immer noch unter Welpenschutz steht? So warten Schweden und Finnland auf die Gnade des Diktators vom Bosporus.

    Jetzt ist es denn auch mal gut, im Interesse des Steuerzahlers! Es ging und geht ja schon reichlich zäh bis das die Oligarchen nun endlich mal zu Kasse gebeten werden, und auch bei Schröder scheint man um ein gewisses Erbarmen nicht herumkommen zu wollen. Der hatte mit Harz IV und der Enteignung des unteren Mittelstandes allerdings genauso viel Erbarmen wie der Sultan mit den Kurden oder der Putin mit den Ukrainern.

    Nein es ist jetzt wirklich gut, denn das Maß ist voll! Ja klar wird das Vermögen des Aggressors beschlagnahmt und zum Wiederaufbau verwendet, oder wer soll es denn bezahlen wenn nicht der Verursacher?



    Und wenn der Sultan vom Bosporus glaubt seine Erpressungstiraden zum Nachteil der Allianz in die Tat umsetzen zu wollen: ist da nicht noch die Türkische Halkbank wegen Umgehung der Iran Sanktionen, die Unterstützung des IS durch den Sultan? Wie lange will man sich im Westen noch vorführen lassen?

    Und es ist doch offensichtlich: der Frieden kann nur kommen, wenn das Regime in Russland verschwindet.



    Der US Präsident hat in dem Fall nur das vorweg genommen was sowieso gedacht werden muss. Russland wird die Schäden bezahlen, so oder so! Sei es durch Reparationszahlungen , sei es durch Rohstoffe zu Dumping Preisen infolge Isolation und Sanktionen.

    Wie lange sich der Diktator noch durchwurschtelt hängt davon ab, zu welchen Schandtaten es ihm noch erlaubt wird fortzuschreiten.

    • @Thomas Rausch:

      Eben. Warum soll ich Systemen (hier: Finanzsystem) vertrauen, die Angriffkriege nicht, wohl aber Reparationen verhindern. Die dürfen von mir aus gerne implodieren.

      Wie wäre es mit der Idee: Die russischen Gelder bleiben in deren Eigentum, aber bis zum St.-Nimmerleins-Tag eingefroren (vgl. Julian Assange).



      Die selbe Summe druckt man für die Ukraine dann einfach neu.

    • @Thomas Rausch:

      Entschuldigung, aber was hat der Artikel genau nun mit der Türkei zu tun? Haben die sich unbemerkt in die EU geschlichen?

    • @Thomas Rausch:

      Unter ihrem erwähnten Sultan, sowie unter dem von Ihnen erwähnten Diktator wären Forderungen wie die Ihren per Dekret ganz einfach durchsetzbar.



      Nun agieren diese beiden natürlich nicht in Ihrem Sinne. Täten Sie es jedoch, wäre das doch augenscheinlich genau die Vorgehensweise, die sie favorisieren: Reicht! Jetzt wird durchgesetzt! Basta!