Geplante Notbremse: Nur ein bisschen Zentralstaat

Die geplanten Kompetenzen für den Bund hebeln den Föderalismus nicht aus. Die Länder dürften froh sein, dass sie Verantwortung abgeben.

eine Frau geht an einem Schaufenster vorbei

Kommunen sollen ab einer 100er-Inzidenz nicht mehr lockern dürfen Foto: Jonas Güttler / dpa

Ist die geplante Bundes-Notbremse für Städte und Kreise mit hoher Coronabelastung ambitioniert genug? Oder greifen Ausgangssperre und Shutdown zu sehr in die Grundrechte ein? Darüber kann und sollte man wie immer diskutieren. Wer aber behauptet, hier werde der Föderalismus abgeschafft oder sogar eine Merkel-­Diktatur errichtet, ist nicht ernst zu nehmen.

Bisher fassten die regelmäßigen Bund-Länder-Runden unverbindliche Beschlüsse, die von den Landesregierungen mehr oder weniger konsequent umgesetzt wurden. Bei der nun geplanten Notbremse ist all das nicht mehr erforderlich. Sobald ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt einen Inzidenzwert über 100 aufweist, sollen gesetzlich festgelegte Regeln gelten.

Die Zentralisierung betrifft damit aber nur einen Teil der Pandemiebekämpfung. Ein Landkreis oder ein Bundesland kann weiter lockern, sofern die Zahlen vor Ort unter der Inzidenz von 100 bleiben. Nur bei höheren Inzidenzwerten soll die neue Bundesregelung eingreifen. Wenn aber die Indidenzzahl über 100 liegt, dann ist eine Lockerung vermutlich ohnehin keine gute Idee. Manches Bundesland dürfte dann vielleicht sogar froh sein, wenn es die nächsten harten Einschnitte nicht selbst anordnen muss, sondern sich hinter einem Bundesgesetz verstecken kann.

Ganz sicher entsteht so aber keine Diktatur. Wenn der Bundestag ein Gesetz mit Maßnahmen selbst beschließt, ist dies sogar demokratischer, als wenn er deren Auswahl den Landesregierungen und deren Verordnungen überlässt.

Zwar steht den BürgerInnen gegen Maßnahmen, die im Gesetz stehen, nur noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen. Das heißt aber auch: Vor dem Gang nach Karlsruhe muss nicht erst der Rechtsweg durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit absolviert werden. Das dürfte die Mehrheit der Deutschen wohl kaum erschrecken. Manche werden es womöglich als Vorteil ansehen, wenn das Bundesverfassungsgericht sich schneller und häufiger um Coronafragen kümmern muss.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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