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Genveränderung wegen GeruchUnfruchtbare, säuische Eber

Genveränderungen als Alternative zur Ferkelkastration? Forscher:innen wollen männlichen Schweinen den „Ebergeruch“ nehmen.

Kastration von Ferkeln. Auch mit Narkose: fies Foto: Holger Hollemann

Hannover dpa | Forscher am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) haben Schweine genetisch so verändert, dass sie trotz eines männlichen Chromosomensatzes weibliche Geschlechtsorgane ausbilden. Das Verfahren könnte in Zukunft eine Alternative zur Kastration männlicher Ferkel bieten, mit der der unangenehme „Ebergeruch“ verhindert werden soll, der manchen Menschen den Appetit auf das Fleisch männlicher Schweine verdirbt. Die Forschungsergebnisse sind in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht.

Die Forscher hatten einen bestimmten Genbereich auf dem Y-Chromosom – dem männlichen Geschlechtschromosom – aus dem Erbgut entfernt. Die manipulierten Tiere hätten zwar weiterhin ein X- und ein Y-Chromosom – sind also genetisch männlich -, seien aber „äußerlich und innerlich erstmal nicht von weiblichen Tieren zu unterscheiden“, erklärt Björn Petersen vom Institut für Nutztiergenetik bei Hannover, das zum FLI mit Hauptsitz auf der Insel Riems bei Greifswald gehört.

Allerdings gleichen die manipulierten Tiere weiblichen Artgenossen nicht vollständig: Nach neun Monaten hatten sie deutlich kleinere Geschlechtsorgane, zudem sind sie unfruchtbar.

Es handele sich um Grundlagenforschung und nichts, was kurzfristig in die Schweineproduktion übernommen werden könne, sagt Petersen. Da spreche allein das Gentechnik-Gesetz dagegen. „Generell haben wir schon auch Ideen oder Strategien, wie sowas auch in der Zucht eingesetzt werden könnte.“ Denkbar sei, das Y-Chromosom bei Ebern so zu verändern, dass diese nur weiblichen Nachkommen zeugen könnten.

Entscheiden die Verbraucher:innen?

Mit Blick auf ethische Fragen sagt Petersen: „Da müssen sich dann sowohl die Verbraucher als auch die Produzenten letztendlich fragen, was sie wollen.“ Der unerwünschte Ebergeruch lässt sich auch durch eine chirurgische Kastration verhindern oder mit Injektionen, die die Geschlechtsreife hormonell verhindern, die sogenannte Immuno-Kastration. Das Kastrieren männlicher Ferkel ohne Betäubung ist seit Jahresanfang in Deutschland verboten.

Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert das vorgestellte Verfahren. Wer meine, Schweine mästen und den Ebergeruch vermeiden zu müssen, könne das sehr viel unkomplizierter und verträglicher durch die Immuno-Kastration erreichen. Gentechnik an Tieren lehne der Tierschutzbund generell ab.

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4 Kommentare

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  • die durch und durch irrationale angst vor genmanipulation, bei pflanzen wie bei tieren ist geradezu erschreckend. die idee dahinter ist das "natur" in irgendeiner richtig, gut oder schön sei. das gegeilt der fall: nichts das nicht vom menschen verändern wurde kann richtig sein.

    • @kipferl:

      Das Problem ist nicht, dass ""natur" in irgendeiner [Weise] richtig, gut oder schön" wäre, sondern, dass einem spontan jede Menge Beispiele einfallen bei denen menschliche Eingriffe in die Natur katastrophal schief gegangen sind und, dass die Tragweite gentechnischer Veränderungen potentiell weit größer sein kann als bei bisherigen 'Experimenten'.

  • Es ist schon erstaunlich, dass es scheinbar genug Leute gibt die lieber genmanipuliertes Fleisch auf dem Teller haben als Ebergeruch um einen Markt für derart verändertes Getier zu schaffen. Was die Genlabore wohl noch in der Pipeline haben? Vielleicht Masthähnchen mit Kobe-Rind-Aroma oder Krabben in Ponygröße um das Pulen billiger zu machen?

  • Ein gruseliges Foto. Anhand des Vorhabens der Genveränderung lässt sich die dahinter liegende tierverachtende Haltung erkennen. Die Qualen aus Haltung und Töten blieben weiterhin bestehen. Es geht um die Produktion von Fleisch. Das Wesen des Tieres, dessen Interesse an Leben und dessen Fähigkeit Schmerzen zu empfinden sind nicht von Belang. 55 Millionen (!) Schweine werden jährlich allein in Deutschland geschlachtet (Stand 2019). Demgegenüber werden mehr als 34 Millionen "Haustiere" in Deutschland gehalten und teils als Familienmitglieder oder Freund*innen behandelt/angesehen. Viele Menschen in Deutschland würden sich als Tierfreund*innen bezeichnen und doch scheint das Schicksal von Tieren, dessen Wesen sich unwesentlich von ihren "Haustieren" unterscheidet, kaum relevant, so sie als "Nutztiere" gelabelt werden.