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Gentrifizierung in Berlin-KreuzbergOranienstraße 169 vor Happy End

Nach dem befürchteten Verkauf an einen Investor soll laut Bezirk eine Genossenschaft einsteigen. Mieter-Initiative Bizim Kiez freut sich über „positive Wendung“.

Die Oranienstraße 169 wurde 1862 erbaut und mit öffentlicher Förderung saniert Foto: Foto: Metin Yilmaz

Berlin taz | Eine gemeinwohlorientierte Lösung beim Verkauf der Oranienstraße 169 steht nach Angaben des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg bevor. Mie­te­r*in­nen hatten zusammen mit der Initiative Bizim Kiez gegen einen befürchteten Verkauf an einen privaten Investor demonstriert. Ei­gen­tü­me­r*in­nen sind mehrere Journalist*innen, darunter ex-tazler*innen, die nach dem Erwerb für die Sanierung der Immobilien in den Neunzigern auch öffentliche Förderung bekommen hatten.

Nun steht laut Bezirksamt ein „präventiver Erwerb“ durch eine Genossenschaft „kurz vor dem Durchbruch“. Ziel aller Beteiligten sei es, die niedrigen Mieten im Haus zu erhalten und die Hausgemeinschaft im Sinne der Genossenschaftsidee zu fördern, wie es in der Mitteilung des Bezirksamtes heißt.

Nachdem in dem Fall Vermittlungsversuche durch Po­li­ti­ke­r*in­nen für einen gemeinwohlorientierten Verkauf gescheitert waren, hätten sich demnach eine Genossenschaft direkt an die Ei­gen­tü­me­r*in­nen gewendet. Das scheint offenbar positiv verlaufen zu sein.

Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) sagte, dass er sich über die Entwicklung freue und den Verkaufsprozess weiter begleiten wolle. Zudem kritisierte er weiter die Blockadehaltung der FDP im Bund bei der Reform des Baugesetzbuches: „Nachdem das Vorkaufsrecht durch das Bundesverwaltungsgericht praktisch ausgesetzt wurde und nun die FDP eine Reform blockiert, bleiben das Bezirksamt, von Verdrängung bedrohte Mie­te­r*in­nen und erwerbsinteressierte Genossenschaften weiter handlungsfähig.“ Bei einer Mieterversammlung kommende Woche werde Schmidt mit den Mie­te­r*in­nen das weitere Vorgehen besprechen.

Bizim Kiez freut sich

Mieter-Initiative Bizim Kiez begrüßte angesichts der Meldung aus dem Bezirksamt umgehend die „positive Wendung“ im Fall der Oranienstraße: „Wir freuen uns über den überfälligen Sinneswandel der Eigentümergemeinschaft und gratulieren den Mieter*innen“. Ohne den entschiedenen Protest der Mie­te­r*in­nen und aus der solidarischen Nachbarschaft sei diese Entwicklung sicher nicht erfolgt, so Philipp Vergin von Bizim Kiez: „Wir hoffen allerdings, dass den Ankündigungen jetzt auch tatsächlich zeitnah Taten folgen und die Eigentümer sich voll und ganz auf eine genossenschaftliche und gemeinwohlorientierte Lösung zu einem angemessenen Preis einlassen.“

Bizim Kiez forderte, dass die Oranienstraße 169 dauerhaft dem spekulativen Markt entzogen werden müsste. Man erwarte von allen Beteiligten Transparenz. Denn es sei noch unklar, mit welchen Konditionen die Genossenschaft einsteigen könne. „Sollte sich bestätigen, dass hier ein Ankauf mit einer neuen Genossenschaft gelingt, könnte das ein Modell für einen regelmäßigen Ankauf sein, der zwar das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten nicht ersetzen kann, aber dennoch ein wirksames Mittel gegen die Spekulation in den Kiezen sein könnte“, heißt es in der Mitteilung von Bizim Kiez.

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4 Kommentare

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  • 6G
    668675 (Profil gelöscht)

    Happy End für die Mieter ist natürlich schon mal gut Aber wird auch der mutmaßliche Subventionsbetrug von ca. 4 Mio geahndet und mögliche Versäumnisse des Bezirks aufgeklärt? Ja wir sind im Wahlkampf, ok, aber dem jetzt nicht mehr nachzugehen steigert die chancen nicht.

  • Der Spiegel beleuchtet dies deutlich kritischer:

    www.spiegel.de/pan...-9430-b1c3cb50afce



    Herr Joswig, rosarote Brille aufgehabt? Viellecht mal nachlegen.

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Zu begrüßen unter einer Bedingung: Genossenschaft muss sich selbst finanzieren. ohne Steuergelder. Die werden unter den aktuellen hohen Baukosten für die Schaffung neuen Wohnraums gebraucht.

  • Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorkaufsrecht nicht "praktisch ausgesetzt" sondern lediglich die unter Juristen vorherrschende Auffassung bestätigt.

    Herr Schmidt hat jahrelang ohne Rechtsgrundlage gehandelt und es stand ihm zu jeder Zeit frei, auf der Basis von Verhandlungen Häuser zu kaufen.