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Gentech-Mäuse mit MammutfellJurassic Park in süß

Kommentar von Julia Schöpfer

Eine Firma hat Mäuse mit Urzeitfell gezüchtet. Sie will das Mammut zurückbringen – gäbe es da nicht andere Mittel, die Artenvielfalt zu bewahren?

Genetisch veränderte Maus mit wolligem Haar Foto: Colossal Biosciences via ap

D ie Eiszeit kommt wieder. Genauer gesagt, die Mammuts, die flauschigen Großcousins der Elefanten. Doch um das Mammut wieder zum Leben zu erwecken, hat sich die US-Biotech Firma Colossal Biosciences erst einmal kleineren Lebewesen gewidmet: der Maus.

Sie ist blond, flauschig und super süß. Das Ergebnis des neuesten „Meilensteins“ in der Genwissenschaft sind gentechnisch veränderte Mäuse, deren Fellstruktur mammutähnliche Eigenschaften besitzen soll. Die For­sche­r*in­nen wollen so herausfinden, wie die Anpassung eines Tieres an Kälte stattfindet.

Die For­sche­r:in­nen von Colossal Biosciences veränderten zehn Gene, die die Haarstruktur und das Körperfett beeinflussen. Das führte dazu, dass die „Mammutmäuse“ welliges blondes Fell und gelockte Schnurrhaare bekamen. Um jedoch in kalten Gebieten überleben zu können, braucht die Maus nicht nur dickes Fell, sondern auch eine isolierende Haut und Fettreserven, die Energie spenden. Leider war das wollige Ergebnis genauso mager wie ihre normalen Artgenossen und könnte so nicht in der Kälte überleben.

Ein wirklicher Schritt zum gigantischen Mammut ist die flauschige Maus also nicht. Doch das hält Colossal Biosciences nicht davon ab, in riesige Fantasievorstellungen abzudriften – als Fernziel wollen sie die Embryonen Asiatischer Elefanten gentechnisch so verändern, dass sie einen Elefant-Mammut-Hybriden erschaffen können.

Mammuts gegen den Klimawandel

Diese sollen in Ostsibirien das Auftauen von Permafrostböden aufhalten, indem sie den Frost fest stampfen und so der Kohlenstofffreisetzung entgegenwirken. Mit dieser recht absurden Idee will Colossal Biosciences versuchen, den Klimawandel auszubremsen. Die Firma behauptet, dadurch ein „funktionierendes Modell für die Wiederherstellung geschädigter oder verloren gegangener Ökosysteme“ ermöglichen zu können.

Mammuts starben vor etwa 4.000 Jahren aus – dafür war der Mensch verantwortlich. Auch der Asiatische Elefant, der für die Wiederbelebung des Mammuts herhalten soll, ist heute vom Aussterben bedroht.

Und Colossal Biosciences gab an, dass sich im Mausexperiment nur 10 Prozent der Embryos zu ausgewachsenen Mäusen entwickelten, die anderen 90 Prozent starben. Anstatt nun die Asiatische Elefanten für einen Elefant-Mammut-Hybriden zu benutzen, wäre es eher eine Innovation, mithilfe von Gentechnologie der stark bedrohten Art zu helfen.

Neben dem Asiatischen Elefanten sind mehr als 166.000 weitere Tierarten vom Aussterben bedroht. Diese Zahl auf der roten Liste steigt immer weiter. Mitten im Artensterben wollen wir jetzt noch das Mammut zurückholen.

Zusätzlich zur Klimakrise ist das Artensterben eine der größten Bedrohungen für unsere Erde. Lebensraumverlust, Wilderei, Erderhitzung, Umweltverschmutzung und invasive Arten – der Artenverlust ist vorwiegend menschengemacht. Wir sollten mehr für den Erhalt der Tiervielfalt tun, ihren Lebensraum beschützen, anstatt uns ausgestorbenen Tierarten zu widmen, die vielleicht gar nicht überleben könnten.

Die Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten im Kampf gegen den Anstieg von Treibhausgasen und somit der Klimakrise kann uns auch nicht helfen, wenn sich die Ökosysteme drastisch verändern. Absurd wäre da der Gedanke, dass eine Herde Mammuts ansatzweise die Klimakrise verlangsamen könnte, wie Colossal Sciences auf ihrer Webseite behauptet. Zudem könnte man nicht abschätzen, wie ein mammutähnlicher Gigant Fauna und Flora verändern würde.

Wieso beim Mammut aufhören?

Anstatt Gott zu spielen, sollten wir uns andere Möglichkeiten überlegen, die Artenvielfalt zu bewahren.

Colossal sollte ihren gigantischen Traum – Jurassic Park in süß – also nochmal überdenken. Dabei ließe sich der Gedanke ja noch endlos weiterführen: Wieso beim Mammut aufhören? Wieso nicht noch mehr Geld und Ressourcen investieren, um alle möglichen anderen ausgestorbenen Tiere zum Leben zu erwecken?

So will Colossal Biosciences nicht nur das Mammut wiederbeleben – auch den tasmanischen Tiger, den Dodo-Vogel und den nördlichen Breitmaulnashorn will die Biotech-Firma aus dem Totenreich zurückholen.

Wir sollten uns nicht in die Ära der Wiederbelebung stürzen, wenn wir die Ära des Artensterbens nicht unter Kontrolle bringen können. Die Mammuts werden uns nicht helfen, die Artenvielfalt zu bewahren oder den Klimawandel zu verlangsamen. Also lasst die flauschigen Mammuts in der Vergangenheit. Denn die Tiere, die jetzt noch leben, brauchen unseren Schutz.

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schreibt für tazzwei / Medien, studiert Soziologie und Medienwissenschaft und interessiert sich für internationale Literatur, Filme & Popkultur.
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