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Genossenschaftliche „Efsyn“ in der Krise„Tiger“ kauft Kollektiv

Die Tageszeitung „Efsyn“ gilt als Symbol unabhängiger Presse in Griechenland. Jetzt hat sie der Tycoon Dimitrios Melissanidis gekauft. Und nun?

Der 74-jährige Reeder und Ölmagnat und Selfmademan Dimitris Melissanidis, hier im Februar 2023 in Athen Foto: Yannis Halas/imago

Athen taz | Knapp 13 Jahre dauerte das mutige Projekt: Geboren wurde sie im November 2012 in den Trümmern der linksliberalen Tageszeitung Eleftherotypia, nun wird die Athener Tageszeitung Efsyn (Efimerida ton Syntakton/Zeitung der Redakteure) – bisher wie die taz eine Genossenschaft – an den griechischen Superreichen Dimitrios Melissanidis verkauft.

Wie die Efsyn am Montagabend über ihren Webauftritt in eigener Sache bekanntgab, schlage „die Zeitung der Redakteure eine neue Seite auf“. Die Generalversammlung der Genossenschaftsmitglieder habe am Montag den Verkauf von 51 Prozent der sich in ihrem Besitz befindlichen Genossenschaftsanteile an den Verlagskonzern Naftemporiki der Familie Melissanidis genehmigt.

Die erst kürzlich erzielte Vorvereinbarung zwischen beiden Seiten sei einstimmig gebilligt worden, teilte die Efsyn mit. Das Dokument stelle die endgültige Vereinbarung dar, die in Kürze unterzeichnet werden soll.

Die Efsyn-Genossenschaft hat 124 Mitglieder, allesamt Arbeitnehmer der Zeitung: Journalisten, Techniker sowie Verwaltungspersonal. Der Verkaufspreis für die Übertragung der Efsyn-Anteile decke die Schulden der Zeitung gegenüber Dritten, offene Gehaltszahlungen (dem Vernehmen nach 5,5 Monatsgehälter), Dividendenausschüttungen an die Genossenschafter sowie ein Investitionskapital für die Entwicklung von Efsyn „auf allen erforderlichen Ebenen“ und „natürlich Lohnerhöhungen“. Nach taz-Informationen investiert Melissanidis insgesamt 7,7 Millionen Euro in Efsyn.

Melissanidis ist ein Selfmademan. Der 74-jährige Reeder und Ölmagnat begann seine berufliche Karriere Mitte der Siebziger Jahre mit einer Fahrschule im südwestlichen Arbeitervorort Korydallos. Hernach baute der Pontosgrieche ein Imperium aus einem global agierenden Treibstoff- und Öllieferanten mit Milliardenumsatz auf. Bis Mitte 2024 besaß Melissanidis zudem den Athener Top-Klub AEK Athen. Die AEK-Anhänger gaben ihm den Spitznamen „Tiger“.

Dass die Efsyn künftig einem Tycoon gehört, hat einen gewissen Beigeschmack. Das sieht Dimitrios Kanellopoulos, Medienredakteur bei Efsyn, nicht so. „Dass wir 13 Jahre lang als Genossenschaft durchgehalten haben, ist definitiv ein Sieg“, erklärt Kanellopoulos der taz. „Wir haben Efsyn mitten in der Griechenlandkrise ins Leben gerufen – eine Herkulesaufgabe. Nun schlagen wir ein neues Kapitel auf“.

Der Verkauf habe rein ökonomische Gründe gehabt. Die Initiative für den Deal sei von der Efsyn-Belegschaft ausgegangen, so Kanellopoulos. Laut Efsyn seien sich beide Seiten einig, dass „die politische Identität und der Charakter der Zeitung, die in ihrer historischen und aktuellen Dimension den Grundpfeiler ihrer Existenz und Bekanntheit bilden, unverändert bleibt. Die Geschäftsführung, die Redaktionsvertretung und die Arbeitsplätze bleiben ebenso erhalten.“

Keine Öffnung der Genossenschaft

Das bleibt abzuwarten. In puncto Auflage zählt Efsyn zu Hellas' führenden Tageszeitungen. Das heißt jedoch im hierzulande real existierenden Medienmarkt: Nach jüngsten Angaben verkaufte Efsyn am 8. September in ganz Hellas 3.540 Exemplare ihrer Druckausgabe. Die Wochenendausgabe vom 6. September fand landesweit 8.250 Käufer. Print-Abos spielen im hiesigen Medienmarkt traditionell fast keine Rolle.

Ferner stößt das Genossenschaftswesen in Griechenland generell auf ein geringes Interesse. Daher sei eine Öffnung der Genossenschaft an ihre Leser und Freunde zum Erwerb von Anteilen nie ernsthaft in Erwägung gezogen worden, so Efsyn-Redakteur Kanellopoulos zur taz.

Gleichwohl: Für die Einrichtung eines Podcast-Studios in den Redaktionsräumen in der Athener Kolokotroni-Straße habe Efsyn einen Aufruf an die Freunde der Zeitung gerichtet. „Wir brauchten dafür etwa 8.500 Euro. Nach 48 Stunden hatten wir das Geld zusammen. Das hat funktioniert“, sagt Kanellopoulos.

Offenkundig ist das nicht genug. So beginnt für Efsyn die Ära Melissanidis. Schon vor der Übernahme von Efsyn hat Melissanidis Aktivitäten im einheimischen Medienmarkt entfaltet. Im April 2021 erwarb der Tycoon für kolportierte sieben Millionen Euro die Athener Wirtschaftszeitung Naftemporiki. Im Frühjahr 2024 scheiterte er mit seinem Angebot, den Zeitungstitel der pleitegegangenen Eleftherotypia zu erwerben.

Den sicherte sich für acht Millionen Euro der Oligarch Evangelos Marinakis, Reeder und Eigner des Fußball-Serienmeisters Olympiakos Piräus. Mit Efsyn hat Melissanidis fortan jedenfalls eine Gazette im Portfolio, die unter linksliberalen und linken Lesern eine feste Größe ist.

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