Generalstaatsanwalt in der Ukraine: Neuer Mann mit miesem Ruf
Das ukrainische Parlament hat einen neuen Generalstaatsanwalt ernannt. Dabei ist der Jurist Andrij Kostin nicht ganz unumstritten.
Am Mittwoch wurde Kostin vom ukrainischen Parlament zum neuen Generalstaatsanwalt ernannt. 299 Abgeordnete votierten für ihn, 32 enthielten sich. 33 zogen es vor, gar nicht abzustimmen. Den 49-Jährigen für das Amt vorgeschlagen hatte Staatschef Selenski.
Kostin stammt aus Odessa. Dort schloss er 1995 ein Jurastudium ab und arbeitete danach als Anwalt für verschiedene Firmen. 2019 wurde er für Selenskis Partei „Diener des Volkes“ ins ukrainische Parlament gewählt. Dort übernahm er den Vorsitz des Ausschusses für Rechtsangelegenheiten. Kritiker*innen von Kostin werfen ihm vor, er habe in dieser Funktion Justizreformen massiv blockiert. So ist die Berufung von Richter*innen an das Verfassungsgericht durch das Parlament immer noch so intransparent wie eh und je.
2021 interessierte sich Kostin für den Chefposten einer Spezialabteilung der Generalstaatsanwalt für Korruptionsbekämpfung (SAP). Doch an seiner Integrität kamen alsbald Zweifel auf. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie das „Zentrum für den Kampf gegen Korruption“, die Stiftung DEJURE und Transparency International Ukraina hatten bei dem Kandidaten nicht nur nur einzelne Haare, sondern ganze Büschel in der Suppe gefunden.
Hier und da einige Unregelmäßigkeiten
So soll Kostin in den Jahren 2019 und 2020 zwar keinen offiziellen Wohnsitz in Kiew angemeldet, aber dennoch aus dem Staatshaushalt für entsprechende Mietzahlungen umgerechnet 530 Euro erhalten haben. 2019 soll er für den Verkauf zweier Wohnungen in Odessa umgerechnet knapp 32.000 Euro eingestrichen, diese Information jedoch nicht an die Nationale Agentur für die Prävention von Korruption (NASK) weitergegeben haben.
Auch die Wohnung seiner Tochter überging Kostin mit Schweigen. Sie arbeitet als Assistentin für einen Abgeordneten von „Diener des Volkes“. Den gleichen Job macht auch Kostins Frau bei dem Volksvertreter Maksim Dyrdin. Dessen Gattin ging bis zu seiner Beförderung Andrij Kostin helfend zur Hand.
Aus dem Chefposten bei der SAP wurde übrigens nichts, Kostin blieb beim Bewerbungsmarathon auf der Strecke. Stattdessen versuchte er sich im November 2021 als Mitglied der trilateralen Kontaktgruppe ergebnislos an der Aushandlung einer Friedenslösung für den Donbass.
Die ukrainische Juristin Marina Stawnitschuk sieht Kostins Ernennung qua mangelnder Neutralität skeptisch. „Er ist Mitglied des Präsidententeams“, sagte sie dem Nachrichtenportal Nastojaschee vremja. „Er wird ein Mannschaftsspiel bestreiten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“