Generaldebatte im Bundestag: Des Kanzlers neue Töne
In der Generaldebatte im Bundestag schlägt Friedrich Merz neue, versöhnliche Töne an: Er appelliert an Konsens und Gemeinsinn und bittet um Geduld.
Friedrich, der Polterer, war gestern. In der Generaldebatte im Bundestag, traditionell der Höhepunkt der Haushaltsdebatte, steht am Mittwoch Friedrich, der Versöhner, am Rednerpult. Der Kanzler, der ansonsten öfter mal einen raushaut, wirbt in „historischen Zeiten“ für einen „Konsens der Generationen“, für Offenheit im Dialog und den Ausgleich von Interessen. „Hochkomplexe Zeiten erfordern komplexe Antworten und nicht unterkomplexe Redensarten“, so Merz. Zumindest in diesem Moment hat Merz das Polarisierende hinter sich gelassen und klingt schon fast wie seine von ihm ungeliebte Vorvorgängerin Angela Merkel.
Auf das aktuelle Streitthema in der Koalition, die Rente, ging Merz in der Generaldebatte kaum ein. Er betonte lediglich den Willen zu einer größeren Reform und betonte, die Einsetzung der Rentenkommission sei keine „Strategie der Politikvermeidung“, sondern das Gegenteil. Einen Tag zuvor, auf dem Tag Deutschen Arbeitgebertag, war der Kanzler deutlicher geworden und hatte sich zur Verstörung der Arbeitgeber klar zum Rentenpaket und zur sogenannten Haltelinie bekannt.
Die fixiert das Rentenniveau auf mindestens 48 Prozent, spätere Reformen setzen dann auf diesem Niveau an. „Wir haben im Kabinett nicht mehr und nicht weniger verabschiedet und auf den parlamentarischen Weg gebracht als im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagte Merz am Dienstag auch an die Adresse der Jungen Gruppe in seiner Fraktion, die das anders sieht und mit Ablehnung des Rentenpakets droht. Damit unterstützte Merz die Argumentation der SPD.
Der Fraktionsvorsitzende der SPD Matthias Miersch forderte mehr Empathie für die Betroffenen in der Debatte und kritisierte die Grünen. Diese fordern eine Abschaffung der Rente mit 63, die einst die von der SPD geführte Ampelregierung eingeführt hatte.
Merz nutzte die Haushaltsdebatte vor allem für eine Zwischenbilanz der von ihm geführten rot-schwarzen Regierung, wobei er, „das kleinteilige Gemecker am Straßenrand“ ignorierend, staatsmännisch auf die großen Linien einging – wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Zusammenhalt.
Merz sieht seine Regierung – wenig überraschend – auf Kurs und verwies auf die vorbereiteten und bereits verabschiedeten Gesetze für Bürokratieabbau, niedrigere Energiepreise und zur Entlastung der Unternehmen. „Obwohl der geoökonomische und geopolitische Wind zuletzt eher noch rauer geworden ist, zeichnet sich trotzdem eine Trendwende ab“, lobte er sich. Das alles klang sehr geschäftsmäßig, ein großer Auftritt war es nicht.
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Sören Pellmann, warf dem Kanzler vor, Politik für die Reichen zu machen und zu viel für Panzer und zu wenig für Familien auszugeben. Er forderte einen Wiederaufbauplan für Bildung und Kommunen; Investitionen in Rüstung würden hingegen verpuffen. Beifall kam nur von der Linken.
Man sei in einer neuen geopolitischen Lage, die neue Antworten erfordere, hatte Merz zuvor erklärt. Und war konkret auf die Verhandlungen für einen Frieden in der Ukraine eingegangen, wobei er deutliche Kritik am ursprünglichen 28-Punkte-Plan der USA übte. Man wolle Frieden, aber keine Friedhofsruhe, sagte Merz. „Ein von Großmächten verhandeltes Abkommen ohne Zustimmung der Europäer und der Ukraine wird keine Grundlage für einen tragfähigen Frieden sein.“
An das innenpolitische Publikum gerichtet, bat Merz um Geduld. Die „Reformerwartungen“ seien „zum Teil größer, als wir sie im Augenblick erfüllen“, räumte er ein. Angesichts der Größe der Aufgaben wolle seine Regierung aber „nichts übers Knie brechen“. Kein Wort mehr vom „Frühling, Sommer, Herbst der Reformen“, sondern lediglich das Versprechen: „Wir werden das Reformtempo hochhalten.“ Auch hier spiegelte sich also die neue Merz'sche Demut wider.
Ob Merz und Spahn die eigene Fraktion im Griff haben, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Das Rentenpaket soll noch in der Woche vor Weihnachten im Bundestag verabschiedet werden, es kommt vor allem darauf an, ob die Mehrheit der Unionsabgeordneten steht. Auch der Koalitionsausschuss wird sich am Donnerstag mit dem Thema beschäftigen.
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