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Generaldebatte im BundestagScholz kündigt „Deutschland-Pakt“ an

Der Kanzler schlägt einen Kraftakt zur Modernisierung Deutschlands vor. Union-Fraktionschef Friedrich Merz kritisiert die Kindergrundsicherung scharf.

Schlagabtausch im Bundestag: Die Augenverletzung hat sich Scholz aber beim Joggen geholt Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin dpa | Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Ländern, Kommunen und der demokratischen Opposition einen „Deutschland-Pakt“ zur Modernisierung des Landes vorgeschlagen. Alle staatlichen Stellen sollten mehr Tempo und Mut zeigen, um das Land von Grund auf schneller, moderner und sicherer zu gestalten, heißt es in einem Positionspapier zur Generaldebatte am Mittwoch im Bundestag.

Um Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen, sollen Bund und Länder demnach ein umfassendes Paket an Maßnahmen erarbeiten und noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Dazu gehörten eine Beschleunigung des allgemeinen Verfahrensrechts, eine Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen beim Wohnungsbau. Auch Großraum- und Schwertransporte sowie wichtige Straßen- und Schienenprojekte sollen vereinfacht werden.

Das Onlinezugangsgesetz werde die flächendeckende Digitalisierung vorantreiben. 15 Leistungen, die für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen besonders wichtig seien, sollten bis Ende 2024 digital zur Verfügung stehen. Dazu gehöre die Ummeldung des Wohnsitzes, das digitale Beantragen des Wohngeldes, des Führerscheins, des Personalausweises, des Elterngeldes sowie des Bürgergeldes. Auch die Anmeldung eines Unternehmens und einer Handwerksgründung sollten online erfolgen können.

Neue Impulse setze der „Deutschland-Pakt“ mit dem Wachstumschancengesetz, das ein Volumen von mehr als 32 Milliarden Euro habe, heißt es in dem Papier weiter. Mit dem Klima- und Transformationsfonds werde der Bund Investitionen in klimaneutrale Produktion und die Versorgung Deutschlands und Europas mit strategisch wichtigen Technologien und Rohstoffen sicherstellen. Zudem müsse es einfacher werden, Start-ups zu gründen und erfolgreich zu machen. Dazu werde das Zukunftsfinanzierungsgesetz die Rahmenbedingungen für Start-ups und Wachstumsunternehmen verbessern.

Merz kritisiert Kindergrundsicherung

Unionsfraktionschef Friedrich Merz warf Scholz bei der Generaldebatte vor, mit den Ampel-Plänen für eine Kindergrundsicherung und dem Bürgergeld einen bevormundenden, alles regulierenden und paternalistischen Staat ausbauen zu wollen. Scholz habe als SPD-Generalsekretär im Jahr 2002 von der „Lufthoheit über den Kinderbetten gesprochen, die die SPD erreichen müsse“, sagte Merz am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt 2024 im Bundestag in Berlin. „Sie sind auf diesem Weg ein ganzes Stück vorangekommen.“

Die Kindergrundsicherung sei „genau das, was sie erreichen wollen: Lufthoheit über den Kinderbetten, über den Familien, über dieser Gesellschaft, damit Sie sie nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten können“. An den Kanzler gewandt sagte Merz, die Union streite nicht nur über Details des Haushaltes, sondern widerspreche ganz grundsätzlich dem Staatsverständnis der Ampel.

Merz kritisierte überbordende Bürokratie, das Gebäudeenergiegesetz und verlangte Technologieoffenheit im Gebäude- und Verkehrssektor. Es sei keine Überraschung, dass die Ampel mit ihrer Verbotspolitik auch im zweiten Jahr in Folge die Klimaziele verfehle. Die Klimapolitik der Regierung werde von den Menschen im Land mehrheitlich nicht mehr mitgetragen, weil sie es leid seien, nur noch mit Verboten, Regulierungen, unkalkulierbaren Kosten und bürokratischen Auflagen konfrontiert zu werden.

Das sogenannte Bürgergeld würde die Union so ausgestalten, dass sich Arbeit mehr lohne als der Bezug von staatlichen Transferleistungen, betonte Merz. Die Menschen gingen nicht zurück in Beschäftigung, weil sie sich ausrechnen könnten, dass sie mit staatlichen Transferleistungen mehr herausbekämen, als wenn sie in einer einfachen Beschäftigung arbeiten und Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bezahlen müssten.

Würde die Ampel den Vorschlägen der Union folgen, gebe es schnell Spielräume für eine größere Steuerreform, sagte Merz. Dann könne man auch endlich den Solidaritätsbeitrag abschaffen, was vor allem den mittelständischen Unternehmen schnell und wirksam helfen würde. „Aber das wollen sie nicht, weil sie natürlich in ihrer ganzen Klassenkampf-Rhetorik immer nur von den reichen und den breiten Schultern sprechen, die sie meinen, immer noch mehr belasten zu müssen“, rief Merz unter Beifall aus den eigenen Reihen.

Aktualisiert am 06.09.2023 um 11:00 Uhr. d. R.

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11 Kommentare

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  • Na ja. Vollmundige Reden von Politikern "wir werden..." ist der Bürger ja gewohnt. Also nix Neues. Außerdem stehen Wahlen vor der Tür. Und bei Black Rock Star Merz kann man nicht mehr seine Augenfarbe erkennen. Man sieht nur große Dollar und Euro Währungen in seinen Augen.

  • "Das Onlinezugangsgesetz werde die flächendeckende Digitalisierung vorantreiben. 15 Leistungen, die für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen besonders wichtig seien, sollten bis Ende 2024 digital zur Verfügung stehen. Dazu gehöre die Ummeldung des Wohnsitzes, das digitale Beantragen des Wohngeldes, des Führerscheins, des Personalausweises, des Elterngeldes sowie des Bürgergeldes. Auch die Anmeldung eines Unternehmens und einer Handwerksgründung sollten online erfolgen könne"

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    Digitialisierung mit 20 Jahren Verzug. Naja, seis drum. Wird mit einer wachsenden Digitalisierung dann parallel eine Entbürokratisierung stattfinden, die sich vor allem auf die Anzahl der Mitarbeiter im ÖD auswirken wird ? Bringt ja alles nix wenn ich digital mein Unternehmen beantragen kann und in der Behörde dann wieder alles von zig Personen auf Papier ausgedruckt und archiviert wird.

  • Der ungezügelte Kapitalismus ist das Politikkonzept der CDU/Merz.



    Ob das die Lösung ist.....???

    • @KielerSprotte:

      Erst Pakete, dann der Pakt:



      Ob Dukatenesel kackt?



      Ich hör, dass mein Schwein hier pfeift,



      Konzept ist nicht ausgereift.

      • @Martin Rees:

        Herr MARTIN REES,



        ich lese Ihre Kommentare gerne. Aber: Konzept nicht ausgereift?



        Bürgerbeteiligung !!!



        Nicht nur um Widerspruch an einem Bebauungsplan einzulegen, sondern auch am Profit.

  • Einer Ankündigung muss nicht automatisch eine Handlung folgen.



    Das haben wir gelernt bei politischen Sprüchen.

    • @H.L:

      "Das haben wir gelernt bei politischen Sprüchen."



      Ähneln denen der Selbstverpflichtung aus der Wirtschaft.



      Konsequenz?: mehr Gesetzte, mehr Überprüfung, mehr Bürokratie.



      So ist das Leben.

  • Ich wette jetzt mal in 5 Jahren haben wir noch immer die gleichen Probleme. Also ob die Verwaltung da mitspielt, würde Deutschland große Fortschritte machen bei Digitalisierung und Effizienz würden ja viele Beamte und Verwalter überflüssig. Dazu kommt noch der Datenschutz, effektiv darin den Menschen das Leben schwer zu machen.

    • @Machiavelli:

      Beamte müssen sich in der BRD keine Sorgen wegen evtl. "Überflüssigkeit" machen. Sie genießen Bestandsschutz. Sie werden auch nicht bezahlt, sie werden vom Staat für ihre Loyalität alimentiert. Das ist einer der Grundsteine unserer immer noch gut funktionieren Demokratie (man denke an nie angefochtene Wahlausgänge).



      Aber die zuständigen Behörden haben nicht genügend Geld und nicht ausreichend technisch kompetente man-power, um diese Aufgaben in großen Stil anzugehen.



      Datenschutz: Herr Machiavelli (Sie tragen, wie in vielen Ihrer Beiträge zu lesen ist, Ihr Pseudonym zu recht), der Staat ist nicht alles.



      Zu dieser, Ihrer Einschätzung kommt man nur, wenn man einen Staat als Ameisenhaufen betrachtet und es nur um die Königin (dem Feminismus sei Dank) geht.



      Aber die Zeiten sind vorbei.

  • Ich habe die Debatte ab 9 Uhr live verfolgt. Mein Eindruck: Herr Merz ohne Kompass und weitgehend ideenlos. Zudem schien er sich noch in einem bayrischen Bierzelt zu befinden. Jetzt weiß man, warum Herr Scholz und nicht Herr Merz Bundeskanzler ist.



    AfD: schwach, das übliche Geschwurbel.



    Die GRÜNE waren mit ihrer Rednerin große Klasse.



    Die LINKE, da habe ich den Kanal nach den Einführungsworten verlassen ...

  • Scheint mir das einzige zu sein, worin Scholz richtig gut ist: grosse Worte. Denke da an Doppel-Wumms. Schade, dass er immerzu Gelassenheit mit Schlafmützigkeit verwechselt.