Generaldebatte im Bundestag: Kein Burgfrieden in Kriegszeiten
Friedrich Merz attackiert die FDP und stellt Bedingungen für das Unions-Ja zum Milliarden-Bundeswehr-Deal. Der Kanzler versucht zu beruhigen.
Zwischen Union und FDP fliegen die Fetzen, die Gereiztheit im früheren bürgerlichen Lager ist hoch. Kein Unionsredner versäumt es, FDP-Finanzminister Lindner unter die Nase zu reiben, dass dessen so solider Haushalt mittlerweile aus vier Etats besteht. Dem Bundeshaushalt, den 100 Milliarden Euro Sondervermögen Bundeswehr, den 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen, die aus der Coronahilfe umgebucht wurden, und dem Nachtragshaushalt, der demnächst kommt. Die FDPler konterten süffisant, dass die miese Lage der Bundeswehr vielleicht auch mit 16 Jahren unionsgeführtem Verteidigungsministerium zu tun haben könnte.
Mit Merz steigt das Polemik- und Unterhaltungsniveau im Parlament jedenfalls erheblich. Seine Kernaussage adressierte er an die Ampelregierung: Es gibt keinen Burgfrieden. Am 27. Februar hatte die Unionsfraktion noch stehend dem Kanzler applaudiert. Jetzt reichte Merz sechs politische Bedingungen für die Beteiligung der Union an der ganz großen Aufrüstungskoalition nach. Die sind hart.
Alle Ampelabgeordneten müssten dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zustimmen, das mit Zweidrittelmehrheit im Grundgesetz fixiert werden soll, so Merz. Das Geld dürfe nur für die Bundeswehr verwendet werden – für nichts sonst. Die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge wies zart darauf hin, dass nicht nur Raketen und warme Unterwäsche, sondern auch Cybersicherheit dazu gehört und man sich mit dem Sicherheitsbegriff der Nato befassen könne. Es gibt mit der Union noch einigen Klärungsbedarf.
Bundeskanzler Olaf Scholz
Merz zieht Grenzen. Auch bei der Impfpflicht werde die Union der Ampel, der die eigene Mehrheit fehlt, nicht helfen. Die härteste seiner Forderungen in Sachen 100 Milliarden für die Bundeswehr lautet: Die Union werde nur zustimmen, wenn dauerhaft mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär ausgegeben werden. Also auch, wenn in fünf Jahren die 100 Milliarden Euro ausgegeben sind. „Das ist die Voraussetzung für eine gemeinsame Lösung“, so Merz.
Wie diese Forderung, Aufrüstung für immer, umgesetzt werden soll, per Gesetz oder gar als Teil der Grundgesetzänderung, bleibt offen. Für Merz scheint es aber mit einer unverbindlichen Willensbekundung nicht getan zu sein. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gibt umgehend zu bedenken, ob es wirklich klug ist, 2022 allen „künftigen Generationen vorzuschreiben, wie hoch die Rüstungsausgaben sein sollen“.
Olaf Scholz lächelt auf der Regierungsbank unter seiner Maske Merz’ Angriffe weg. Am Pult sagt er generös: „Lieber Herr Merz, wir werden über die Ausgestaltung reden und eine gemeinsame Sache machen.“ Das klingt harmlos, enthält aber den Hinweis, dass die Union es sich kaum leisten kann, den 100-Milliarden-Euro-Deal platzen zu lassen, weil sie mal Opposition spielen will.
Scholz begründet die Ampelpolitik klar
Der Kanzler spannt in seiner Rede einen größeren Bogen als Merz und begründet, für seine Verhältnisse klar, die Ampelpolitik. Die Sanktionen gegen Putin würden wirken, jetzt zusätzlich alle Gasleitungen zu kappen, würde „uns mehr treffen als die russische Führung“. Man beschleunige zudem den klimaneutralen Umbau nach der Devise: „Jetzt erst recht und nicht erst mal langsam.“ Mit Katar versuche man außerdem der Energieabhängigkeit von Russland zu entkommen.
Scholz’ Umfeld weist derzeit gerne darauf hin, dass Scholz Anfang 2021 versuchte, US-Flüssiggas nach Deutschland zu importieren. Damals war die Empörung über diesen Deal mit dem dreckigen Frackinggas groß. Von heute aus betrachtet sieht das anders aus.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bescheinigt der Ampel wegen des Katar-Geschäftes „Doppelmoral“. Die Grünen hätten vor Kurzem dem umworbenen Katar noch die Fußball-WM wegnehmen wollen.
Scholz sendet nach der kernigen, ja martialischen Rede am 27. Februar beruhigende Botschaften, die Ängste vor einer Eskalation der Gewalt besänftigen sollen. Es werde keine Flugverbotszone und kein militärisches Eingreifen in der Ukraine geben. Diese Position ist nicht neu – neu ist, wie klar der Kanzler dies formuliert. „Die Nato wird nicht Kriegspartei“, sagt er. Das sei im Westen Konsens. Scholz neigt wie Merkel gern zum Undeutlichen, Offenen und Unverbindlichen. Hier nicht.
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